Vor allem Trumps Handelskrieg und die Brexit-Auswirkungen sind schuld, dass der Bund bis 2023 wahrscheinlich rund 12,8 Milliarden Euro weniger einnimmt, also weniger mehr als zur letzten Steuerschätzung. Zumindest nimmt das der Arbeitskreis Steuerschätzung an, der halbjährlich versucht, die Steuereinnahmen vorauszuberechnen. Irgendwie könnte das auch Sachsen etwas weniger Geld bescheren als noch im November erwartet, meinte das Finanzministerium am Freitag.
Nach der aktuellen Steuerschätzung könne der sächsische Landeshaushalt 2019 mit Steuereinnahmen von 15,2 Milliarden Euro rechnen, teilte das Sächsische Finanzministerium am Freitag, 10. Mai, mit. Das sei für 2019 ein Minus von 20 Millionen Euro und für 2020 ein Minus von 296 Millionen Euro im Vergleich zum Doppelhaushalt 2019/2020 auf Basis der Steuerschätzung vom Oktober 2018. Insgesamt ergäben sich für Sachsen bis 2023 Mindereinnahmen in Höhe von fast zwei Milliarden Euro gegenüber der letzten Steuerschätzung. Damit seien erstmals seit Langem die Einnahmeerwartungen deutlich eingebrochen, so das SMF.
Sachsens Finanzminister Dr. Matthias Haß meinte dazu: „Aufgrund der stark gesunkenen Erwartungen beim Wirtschaftswachstum kommt dieser Rückgang nicht überraschend. Unser aktueller Doppelhaushalt 2019/2020 ist solide finanziert, auch weil Sachsen schon immer gut gewirtschaftet hat. Wichtige Zukunftsinvestitionen sind abgesichert. Dennoch stellt uns diese Entwicklung mittelfristig vor Herausforderungen. Mit Blick auf die sich abzeichnenden Steuerausfälle müssen wir unsere künftigen Ausgaben kritisch hinterfragen.“
Die Einnahmeerwartungen für die Steuern der sächsischen Gemeinden seien ebenfalls deutlich niedriger als im Oktober 2018 prognostiziert ausgefallen. Ursächlich dafür seien vor allem geringere Erwartungen bei der Gewerbesteuer aufgrund schwächerer Konjunkturentwicklung.
Und was schlägt Sachsens Finanzminister deshalb vor?
Etwas ganz Seltsames: „Trotz des gesamtstaatlichen Rückganges der zu erwartenden Steuereinnahmen appelliert Sachsens Finanzminister an die Bundesregierung, dringend notwendige Reformen wie die weitere Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen, die Abschaffung des Solidaritätszuschlages oder die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung nicht aus dem Blick zu verlieren.“
Steuersenkung also, verkauft mal wieder als „Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen“, obwohl die gewünschten Steuerentlastungen vor allem den höheren Einkommen zugute kommen.
Dahinter steckt die alte und durch nichts korrigierbare Haltung der CDU, die seit Ronald Reagan felsenfest der Überzeugung ist, Steuersenkungen für die Gutverdiener würden sich umgehend in einen Wachstumsschub verwandeln. „Gerade jetzt müssen wir unsere Wachstumskräfte stärken und kluge Investitionsanreize setzen“, betonte Haß. „Deutschlands internationale Wettbewerbsfähigkeit bauen wir nicht durch Stillstand aus.“
Regelrecht ermutigt zu forschen Tönen sah sich gleich am Freitag dann der Mann, der sich in der CDU-Fraktion fürs Finanzielle zuständig fühlt.
Jens Michel: „Steuerschätzung lässt Wahlkampf-Spinnereien zerplatzen“
„Die Prognose für 2020 wird schnell die Spreu vom Weizen bei den Wahlkampfkonzeptionen trennen. Sachsen kann nur deshalb mit den drohenden Einnahmeausfällen gut umgehen, weil wir als CDU beim letzten Doppelhaushalt ordentlich Maß gehalten haben. Die Steuerschätzung lässt jetzt schon Wahlkampf-Spinnereien zerplatzen. Die Aufgabe für alle verantwortungsbewussten Landespolitiker besteht nun darin, realistische Konzepte vorzulegen“, sagte der haushalts- und finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Jens Michel, am Freitag.
„Ich appelliere an alle Wahlkämpfer, im Interesse des Freistaates und seiner jungen Menschen, Maß zu halten. Ein ‚Schneller-Höher-Weiter‘-Wahlkampf, also ein wildes Übertreffen von Wohltaten ohne Kostendeckung stellt keine solide Politik dar. Die Bürger sollten genau hinsehen, ob die Wahlprogramme finanzierbar sind. Diese Steuerschätzung zeigt, wie schnell Wahlversprechen zerplatzen können. Die CDU steht für eine solide Finanzpolitik und geringe Steuern.“
Die CDU als sparsame Partei?
„Während die Schätzung für die Steuereinnahmen im Jahr 2019 noch moderat ausfällt, bestätigen die Ergebnisse die genau richtig gewählten Ansätze im Doppelhaushalt 2019/2020, bei dem die einzige Maßnahme mit signifikanten Mehrkosten, die dauerhaft wirken, die Lehrerverbeamtung ist“, ließ Michel noch vermelden.
Doch gerade die Lehrerverbeamtung wird den sächsischen Staatshaushalt massiv und dauerhaft belasten. Keine „Wahlkampf-Spinnerei“ wird diese Kosten übertrumpfen können. Nach Informationen aus Staatsregierung und CDU-Fraktion hatte die „Freie Presse“ in Chemnitz schon 2017 einmal ausgerechnet, was die geplante Lehrerverbeamtung kosten würde.
„Das Finanzministerium geht davon aus, dass die Lehrerverbeamtung auf lange Sicht pro Jahr rund 650 bis 750 Millionen Euro an Mehrausgaben produziert. In dieser Rechnung sind allerdings jährliche Kosten von 100 Millionen Euro für Beförderungsstellen und Zulagen enthalten“, so die „Freie Presse“. Enthalten sind nicht nur die Beamtenzulagen, sondern auch die jetzt fälligen zusätzlichen Einzahlungen in den „Generationenfonds“, in dem Sachsen für die Alterspensionen seiner Beamtinnen und Beamten anspart.
Dirk Panter: „Kein Grund zur Panik“”
„Die aktuelle Steuerschätzung ist kein Grund zur Panik“, erklärte am Freitag Dirk Panter, Vorsitzender der SPD-Fraktion und Sprecher für Haushaltspolitik, zur jüngsten Steuerschätzung. „Sachsen kann auch in den nächsten Jahren mit ordentlichen Steuereinnahmen rechnen. Das Aufkommen steigt weiter, auch wenn die Steigerung geringer als in den Vorjahren ist. Der aktuelle Haushalt 2019/20 ist solide finanziert. Unsere vorausschauende Haushaltspolitik und die Schwerpunktsetzung der SPD zahlen sich jetzt aus. Wir können weiter in zukunftsträchtige Bereiche investieren und dafür sorgen, dass der Staat seine Aufgaben erfüllen kann. Das stärkt den Zusammenhalt in unserem Land. Die Haushaltsbeschlüsse vom Dezember 2018 waren ausgewogen und goldrichtig. Unsere Rekordinvestitionen in Schulen, Kindergärten und schnelles Internet sind abgesichert.“
Und indirekt widerspricht Panter in Teilen auch dem generösen Finanzminister, der ja gleich mal wieder Steuersenkungen gefordert hat.
„Der Befund zeigt aber auch, dass Forderungen nach Steuersenkungen für Superreiche und hochprofitable Unternehmen fehl am Platz sind“, sagt Panter. „Die SPD wird sich weiter um die Entlastung der hart arbeitenden Menschen kümmern, so wie es bei der wiederhergestellten 50:50-Finanzierung bei der Krankenversicherung geschehen ist. Und wir setzen uns dafür ein, dass der Solidaritätszuschlag für Menschen mit mittlerem Einkommen abgeschafft wird, denn das erhöht das verfügbare Einkommen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und stärkt die Binnennachfrage. Für die reichsten 10 Prozent muss der Soli bleiben.“
Verena Meiwald: „Keine Panik und weiter in Bildung und Infrastruktur investieren“
„Dass die Einnahmesteigerungen nicht ewig so weitergehen werden, war abzusehen. Es wird sich zeigen, ob sich die Ausfälle für den Freistaat tatsächlich so bewahrheiten werden, wie vom Finanzminister heute veröffentlicht“, kommentiert die haushalts- und finanzpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Verena Meiwald, die Meldung des Finanzministeriums. „Es wäre jetzt aber der falsche Weg, in Panik zu verfallen und dringend notwendige Investitionen in die Bildung und die Infrastruktur zu verschieben. Die Staatsregierung hat in Sachsen lange genug durch das Unlandsche Sparmantra Weichenstellungen verschlafen.“
Das Sparmantra hat nun einmal auch dazu geführt, dass Sachsen bei vielen Infrastrukturinvestitionen im Hintertreffen ist.
„Wenn wir es nicht schaffen, den Rückstand aufzuholen, wird Sachsen auf lange Sicht das Fundament für solide Einnahmen verlieren – seine gut gebildeten Bürgerinnen und Bürger“, sagt Meiwald. „Die Ergebnisse der aktuellen Studie von Wirtschaftswissenschaftlern (Ostländer werden niemals aufholen) bekräftigen, dass der Nachbau West endgültig gescheitert ist. Deshalb sind umso mehr Investitionen in die eigenen Stärken notwendig, dazu gehört insbesondere die Unterstützung der besseren Vernetzung der mittelständischen Wirtschaft in Sachsen.“
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