Seine Bilanz als Umweltminister ist mager. Darüber konnte auch der Versuch von Agrarminister Thomas Schmidt (CDU) am 24. Mai nicht hinwegtäuschen, die Biodiversitätspolitik der Staatsregierung als Erfolg zu verkaufen. Das einzige Thema, mit dem er als Umweltminister wirklich aufgefallen ist, ist just die Bejagung des Wolfes. Im Frühjahr hat er die sächsische Verordnung dazu durchgedrückt. Und auch die zerstrittene Koalition in Berlin sieht jetzt augenscheinlich im Wolf den größten Feind.
Nach Wolfsrissen soll es künftig einfacher sein, die Raubtiere zu bejagen. Das Bundeskabinett hat in dieser Woche eine entsprechende gesetzliche Regelung beschlossen. An der gerade sächsischen Naturschützern etliches sehr bekannt vorkam. Denn ähnliche Inhalte weist die Sächsische Wolfsmanagementverordnung (SächsWolfMVO) auf, die in der nächsten Woche in Kraft tritt. Sie regelt unter anderem für typische Situationen, wann Wölfe vergrämt bzw. entnommen werden dürfen, beispielsweise wenn sich ein Wolf einem Menschen auf weniger als 30 Meter nähert und eine Vergrämung erfolglos geblieben ist.
Auch zur Vermeidung erheblicher wirtschaftlicher Schäden ist eine Entnahme möglich: Überwindet ein Wolf die in der Verordnung genannten Schutzmaßnahmen innerhalb von zwei Wochen zweimal, kann er entnommen werden.
Doch dem sächsischen Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) geht dies anscheinend noch nicht weit genug, befürchtet der NABU Sachsen.
In der Online-Ausgabe der Sächsischen Zeitung vom 22. Mai wurde Schmidt mit den Worten zitiert: „Wenn es notwendig ist, dann muss es auch möglich sein, einzelne Wölfe aus der Natur zu entnehmen, ohne dass diese bereits Nutztiere gerissen haben oder gefährlich für den Menschen geworden sind.“
Die Möglichkeiten, die die EU-Regelungen böten, würden so in Deutschland nicht vollständig ausgenutzt – dabei sei am europäischen Schutz des Wolfes nicht zu rütteln, solange der anzustrebende günstige Erhaltungszustand für die Art hierzulande nicht erreicht ist. Ein seltsamer Spagat, findet der NABU.
Problemwolf: Staatsfeind Nummer Eins ist zum Abschuss freigegeben | heute-show vom 24.05.2019
Bernd Heinitz, Landesvorsitzender des NABU Sachsen, ist regelrecht entsetzt: „Das ist ganz billiger Wahlkampf. Den Stimmenfang auf Wähler immer wieder in eine Hetzjagd auf den Wolf ausarten zu lassen, hat inzwischen Tradition in Sachsen. Statt ein geschütztes Tier, das niemandem etwas getan hat, pauschal zum Abschuss freigeben zu wollen, sollten vielmehr die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Weidetierhalter verbessert werden.“
Dies könnte zum Beispiel durch eine Weidetierprämie geschehen, welche die durch tierartgerechte Weidehaltung entstehenden Mehraufwendungen sowie den erhöhten Aufwand für die Sicherungen gegen Wolfsübergriffe abfängt. Ebenso sei eine schnelle, unkomplizierte Erstattung im Schadensfall notwendig. Doch von derartigen Maßnahmen ist anscheinend keine Rede in der sächsischen Landesregierung.
„Wir erwarten von Minister Schmidt, dass er zu seinem Wort steht“, erklärt Heinitz. „Wir sind davon überzeugt, dass ein friedliches Miteinander von Mensch und Wolf funktionieren kann, das haben die vergangenen 19 Jahre gezeigt.“
Erst im März 2018 hatte Thomas Schmidt unter anderem gegenüber der Sächsischen Zeitung erklärt: „Wir brauchen eine klare deutsche Regelung, wie wir mit verhaltensauffälligen Wölfen umgehen.“ Regeln seien wichtig, um den Menschen die Angst vor einer neuen Wolfspopulation zu nehmen. Es sei mühsam, die Akzeptanz für den Naturschutz zu erhöhen und die Menschen dafür zu begeistern.
„Akzeptanz zu schaffen, ist bedauerlicherweise wohl kein Thema mehr“, konstatiert Heinitz.
Seit dem Jahr 2000 leben wieder Wölfe in Deutschland. War der Nachweis des ersten Rudels in Sachsen noch eine Sensation, hat sich der Umgang mit dem neuen Nachbarn inzwischen vielerorts normalisiert. Nach aktuellem Wolfsmonitoring leben 17 Rudel und vier Paare im Freistaat. Der sächsische Wolfsmanagementplan stellte seit 2007 grundlegende Informationen zum Wolf, zur Verbreitung, zum Konfliktpotenzial, Maßnahmen zur Schadensbegrenzung und Konfliktbewältigung sowie zur Beratung bereit. Ab Ende Mai ist das Thema Wolf bei der neuen Fachstelle Wolf im Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie angesiedelt.
Es gibt 2 Kommentare
Wieviel Todesfälle gibt es durch Angriffe von Hunden auf Menschen? Wie viele dagegen durch Angriffe von Wölfen? Dennoch ist es zulässig, scharf abgerichtete Hund zu halten; die werden nicht prophylaktisch “entnommen”. Aber der böse böse Wolf!
Gibt es keine anderen Themen, die ein Naturschutzverein bei der sächischen Regierung, hier dem Agra- und Umweltminister, der das Thema Umwelt eher als unnützen Appendix mit sich herumschleppt, vorhalten kann?: massives Versagen bezogen auf die notwendigen und/oder selbstgesteckten Ziele Biodiversität, “den Flüssen mehr Raum geben”, WRRL, Trinkwasserschutz, Umsetzung von FFH- und SPA-Schutzzielen usf. Die Menschen, liebe Regierenden und solche, die es werden wollen, sind wach geworden. Bis September ist nicht mehr so viel Zeit, klare Positionen zu beziehen. Jedenfalls helfen weder Stastikakrobatik noch Verunglimpfung und Diffamierungen “wie die CDU das sieht”. Es zählen die tatsächlichen Ergebnisse – und die sind auf vielen zukunftsrelevanten Gebieten grottenschlecht.
Ich warte auf den “Problem-Eisvogel”…