Nein, zum Lesefest „Leipzig liest“ ist er erst einmal nicht gebucht. Aber sein Buch legte uns der Diplompolitiloge und ehemalige Chefredakteur des „Handelsblatts“, Rainer Nahrendorf, ans Herz. Denn es erzählt von einem bedrohten Vogel, der bei sächsischen Jägern immer noch auf der Abschussliste steht: dem Kormoran.
„Kein Vogel erregt Angler, Teichwirte und Berufsfischer auf der einen Seite und Natur- und Artenschützer auf der anderen so sehr wie der Kormoran. Für die einen ist er ein Hasstier, die schwarze Pest, eine Plage, für die anderen der Vogel des Jahre 2010, ein Sündenbock und Symbolvogel für einen erfolgreichen Artenschutz“, sagt Nahrendorf.
Der Autor ist ein naturbegeisterter Fliegenfischer und Vogelfreund. Er begibt sich mit seinem Buch zwischen die Fronten von Naturschützern und Berufs- und Hobbyfischern, wagt einen Vermittlungsversuch. Die hohen Zahlen und der Fraßdruck des Kormorans führen zu schweren wirtschaftlichen Schäden in Teichwirtschaften und gefährden Fischarten wie die Äsche in Fließgewässern. Um die Schäden zu begrenzen, wird in fast allen Bundesländern ausnahmsweise die tödliche Vergrämung der Vögel erlaubt.
Die Folge ist: 19.000 in der Jagdsaison 2016/2017 geschossene Kormorane allein in Deutschland und 80.000 in Kerneuropa – zu viele nach Meinung des ehemaligen Chefredakteurs des Handelsblatt.
Abschüsse sollten die Ultima Ratio sein und auf Fälle begrenzt werden, in denen ein großer wirtschaftlicher Schaden zweifelsfrei nachgewiesen wird oder der Bestand einer Art in einem Gewässer bedroht ist. Sie entlasten die Gewässer nur für kurze Zeit, bis zugeflogene Kormorane die Lücken wieder füllen.
Ein gesamteuropäisches Kormoranmanagement mit einer Reduzierung der Kormoran-Bestandszahlen hält der Autor für eine Illusion, politisch und gesellschaftlich nicht durchsetzbar. Die Brutdynamik der Kormorane würde zur Wiederholung von Verfolgungsaktionen führen, die in weiten Teilen der Bevölkerung Empörung auslösen würden.
Der Autor plädiert für eine verstärkte Entwicklung und Förderung nichttödlicher Schutzmaßnahmen sowie Runde Tische zur Schaffung lokaler Friedenschlüsse. Er macht Vorschläge, wie sich das hohe Naturbewusstsein in Deutschland für den Artenschutz über und unter Wasser nutzen ließe.
„Deutschland ist auf dem Weg in eine von den sozialen Netzwerken befeuerte Empörungsgesellschaft. Wenn sich aber nur noch Wutbürger gegenüberstehen, ist der gesellschaftliche Friede in Gefahr“, sagt Nahrendorf. Und er betont: Es ist auch ein sächsisches Thema.
2015 wurden 1.680 Kormorane in Sachsen geschossen. Davon entfallen allein 1.411 auf den Bereich der Landesdirektion Dresden, 163 auf die Landesdirektion Chemnitz und 411 auf die Landesdirektion Leipzig. Damit liegt der Schwerpunkt der Vergrämungsabschüsse erwartungsgemäß in der Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft. Mit Inkraftsetzung der „Sächsischen Kormoran Verordnung“ (SächsKorVO) im Februar 2007 müssen zum Abschuss von Kormoranen nur noch Anträge nach § 2 der Verordnung gestellt werden. 2015 wurden 15 Anträge gestellt und genehmigt.
2018 versuchte auch die Landtagsabgeordnete der Linken Susanne Schaper das Kormoran-Thema mit einer Kleinen Landtagsanfrage zu fassen. In Sachsen geht es irgendwie Kormorane gegen Äschen. Die Äschenfänge sind seit 2010 massiv zurückgegangen. Wenn man die Antwort von Agrarminister Thomas Schmidt zu Susanne Schapers Anfrage liest, könnte man meinen, der massive Rückgang der Äschenfänge habe etwas mit den gefräßigen Kormoranen zu tun. Aber die sächsische Kormoranverordnung trat schon 2007 in Kraft.
Dazu führt der Minister aus: „Gemäß Sächsischer Kormoranverordnung vom 24. Januar 2007 ist es zulässig, Brutversuche (Nestbau) von Kormoranen vor der Eiablage zu unterbinden und Vergrämungsabschüsse an den Gewässern durchzuführen. Große und dauerhafte Kormorankolonien sind im Freistaat Sachsen nicht bekannt. Die Schäden in der sächsischen Fischwirtschaft werden von sogenannten Durchzüglern verursacht, die hauptsächlich aus den weiträumigen Brutgebieten im Ostseeraum kommen. Bestandsregulierende Eingriffe in die oft vorhandenen Brutkolonien liegen nicht im Zuständigkeitsbereich des Freistaates Sachsen.“
Also wird fleißig geschossen, besonders fleißig in Ostsachsen, wo einige der größten Fischzuchtanlagen liegen. Wenn dort dicke Karpfen gezüchtet werden, ist das natürlich gefundenes Fressen für den Vogel, der sich nun einmal auf Fische spezialisiert hat.
Der Zusammenhang ist hier wirklich direkter, wie der Minister ausführt: „Massive Verluste in den Satzkarpfenbeständen haben einen dauerhaften Rückgang der Speisekarpfenproduktion im Freistaat Sachsen zur Folge. Der direkte Schaden wurde für die Karpfenteichwirtschaft im Freistaat Sachsen zuletzt im Jahr 2015 durch das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie mit etwa 650.000 Euro beziffert. Dieser Wert umfasst die durch Kormorane gefressenen Fische. Hinzu kommen Schäden durch verletzte Fische, Stress und erhöhte Krankheitsanfälligkeit durch ständige Beunruhigung der Karpfen durch Kormorane.“
Der Konflikt lautet also vor allem: menschliche Nutzung der Gewässer zur Speisefischzucht versus freilebende Fischräuber.
Aber der Rückgang der Äschenfänge hat wohl nichts mit den Kormoranen zu tun, denn deren Bestand ging nach der Kormoran-Verordnung von 2007 spürbar zurück, nahm seit 2011 aber wieder zu, überschritt aber nicht das Niveau von 2004. Was eben auch heißt, dass die ganzen Abschüsse wieder mal Unfug sind. Die Vogelpopulation reguliert sich nicht künstlich durch die Jagderfolge der Jäger, sondern – wie bei jeder anderen Tierart auch – nach vorhandenen Lebensräumen und nach Nahrungsangebot. Und weil die sächsischen Flüsse immer noch dreckig sind und kaum jagdbaren Fischbestand für Kormorane aufweisen, halten die sich natürlich an die Zuchtgewässer.
Was denn sonst? Würde jeder machen, wenn er ein Kormoran wäre und lauter kleine Kormorane füttern müsste.
Rainer Nahrendorf, Der Kormoran-Krieg, Tredition, Hamburg 2019, Paperback 9,99 Euro.
Keine Kommentare bisher