Natürlich ist es ein mediales Problem, wenn die Themen rechtsradikaler Parteien nun seit Jahren den öffentlichen Diskurs bestimmen. Erst das schafft den Hintergrund dafür, dass immer mehr Menschen glauben, man müsse ja nun mal wieder was sagen dürfen. Oder es sei akzeptabel, etwas gegen Flüchtlinge zu haben, zu sagen oder zu tun. Und da man da ja schon auf chauvinistischen Pfaden ist, sind antisemitische Übergriffe Teil dieser Melange. Das ist auch in Sachsen längst nachweisbar.
2018 wurden in Sachsen mindestens 138 antisemitische Straftaten begangen – im langjährigen Vergleich ist das ein neuer Höchstwert, stellt Kerstin Köditz, Sprecherin der Linksfraktion für antifaschistische Politik, fest. Sie hat monatlich die Zahl dieser Straftaten bei der Staatsregierung erfragt.
„Die polizeilich erhobene Fallzahl ist nunmehr das zweite Jahr in Folge deutlich gestiegen: 2017 waren 118 Taten registriert worden, 2016 waren es 90. Zum Vergleich: Im Jahr 2012 hatte es lediglich 51 solcher Taten gegeben. Das ist eine gefährliche Entwicklung, die gestoppt werden muss“, sagt Kerstin Köditz.
In den meisten Fällen im Jahr 2018 handelt es sich um Volksverhetzungen und den Gebrauch verbotener judenfeindlicher Naziparolen. In die Statistik gingen aber auch Sachbeschädigungen (20), Beleidigungen und Bedrohungen (7), Landfriedensbrüche (2) sowie eine Brandstiftung ein.
Bei der örtlichen Verteilung gibt es klare Schwerpunkte: Die meisten Taten ereigneten sich in den Städten Leipzig (24), Dresden (23) und Chemnitz (21). Erst mit einigem Abstand folgen die Landkreise Mittelsachsen und Nordsachsen (je 11). In den übrigen Kreisen ist die Fallzahl jeweils einstellig. Die Werte sind vorläufig, üblicherweise erhöhen sie sich durch Nachmeldung noch.
Klar sei, so Köditz: Jede dieser Taten ist eine zu viel – ganz egal, wo sie begangen wird und wer dahintersteckt!
„Umso fataler ist es, dass gleichzeitig der Verfolgungsdruck viel zu gering ausfällt. An sächsischen Gerichten kam es 2018 zu lediglich 16 Verurteilungen wegen antisemitischer Taten, im Vorjahr waren es 25 gewesen“, stellt Köditz fest. Auch hier macht sich der Personalmangel bei Polizei, Staatsanwälten und Gerichten bemerkbar.
Die Ahndung solcher Taten dauere viel zu lange, kritisiert die Landtagsabgeordnete: „Beispiel Leipzig: Im Oktober 2017 pöbelten zwei Männer ein MDR-Team an, das an der Gedenkstätte in der Gottschedstraße einen Holocaust-Überlebenden interviewt hatte; einer der Verdächtigen zeigte den Hitlergruß. Bereits im Dezember 2017 wurde Anklage erhoben (Drucksache 6/16104). Doch erst jetzt kommt der Fall vor Gericht – am 12. März soll die Hauptverhandlung gegen Kevin H. und John G. am Amtsgericht Leipzig endlich beginnen. Die Tat gilt als rechtsmotiviert.“
Für sie zeigt diese Entwicklung auch, dass Sachsen dringend einen Antisemitismus-Beauftragten braucht, wie ihn die Linksfraktion im Sächsischen Landtag 2018 beantragt hat (Drucksache 6/12174).
„Nachdem die Koalition das abgelehnt hatte, wurde zuletzt doch angekündigt, einen ,Beauftragten für die Förderung des jüdischen Lebens‘ einzusetzen“, kommentiert das Köditz. „Das ist ein wichtiger Vorstoß. Allerdings muss klargestellt werden, dass die Bekämpfung des Antisemitismus zur Kernaufgabe gehören muss. Und vor allem muss endlich entschlossen gehandelt werden, denn die Ankündigung ist seit Monaten nicht umgesetzt. Bei Antisemitismus gibt es keine Toleranz!“
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