Wer glaubt, mit der AfD eine Partei zu wählen, die die Probleme unserer Gegenwart oder gar die der Zukunft ernst nimmt, der dürfte sich getäuscht haben. Auch beim Thema Bildung und Schule. Mit dem Lehrer-Denunziationsportal ist die Partei sowieso schon in längst vergangene Zustände abgetaucht. Aber selbst die Schülerproteste gegen die aktuelle Klimapolitik würde die Partei am liebsten kriminalisieren. Das klingt zumindest in einer Anfrage der AfD-Landtagabgeordneten Karin Wilke an.
Sie wollte von der Staatsregierung wissen, wie viele Schüler sich an sächsischen Schulen an den freitäglichen Protestaktionen „Fridays For Future“ beteiligt hätten. Und zwar nicht nur insgesamt, sondern hübsch konkret pro Schule: „Bitte ggf. nach Schule und Schulstandort aufschlüsseln.“ Eine Bitte, die ja ermöglichen würde, gleich wieder bestimmte Direktoren und eventuell auch Lehrer namhaft zu machen und anzuprangern.
Nur sieht auch Kultusminister Christian Piwarz keinen Anlass, diese Zahlen zu ermitteln und eine Staatsaktion draus zu machen. Denn auch Schüler haben in Deutschland ein Recht auf Demonstrationsfreiheit und freie Meinungsäußerung. Erst recht in einer Zeit, wo Medien immer wieder die politische Enthaltsamkeit der jungen Generationen beklagen. Und nun äußern sich die jungen Menschen – und nicht nur versteckt in der Aula, sondern auf der Straße. Und da passt es den Meinungswächtern von rechts wieder nicht.
Und nicht nur schulgenau hätten sie gern gewusst, wer wo in Sachsen eigentlich gegen die ignorante Klimapolitik der Gegenwart protestiert. Die AfD-Abgeordnete wollte auch gleich die Namen der Lehrerinnen und Lehrer haben, die das auch noch unterstützen: „Bitte ggf. nach Schule, Schulstandort, Unterrichtsfach aufschlüsseln“.
Schon die Lehrer-Denunziations-Website hatte ja für erhebliche Verstörungen in den Lehrerzimmern gesorgt. Da macht sich eine Partei ganz offensichtlich anheischig, die Gesinnung und den demokratischen Mut von Lehrern und Schülern auszuschnüffeln.
Das hatten wir alles schon einmal.
Aber es kommt noch besser: „Ist der Staatsregierung bekannt, ob die betreffenden Schulen eine Beurlaubung für ihre Schüler ausgesprochen haben und wenn nicht, welche Maßnahmen gegen das Schwänzen der Schule ergriffen wurden?“, fragte Karin Wilke.
Und auch wenn Sachsens Regierung selbst für eine sehr klimaschädliche Politik einsteht, sieht zumindest Kultusminister Christian Piwarz keinen Anlass, die berechtigten Proteste der Kinder, die ja mit den von den Älteren angerichteten Klimaproblemen werden leben müssen, zu kriminalisieren. „Über eventuelle Maßnahmen der Schulen im Zusammenhang mit ‚Fridays For Future‘ liegen keine Erkenntnisse vor“, antwortet er auf die letzte Frage. „Die Schulen entscheiden selbst und die Schulaufsichtsbehörde hat aus Anlass der Demonstrationen ‚Fridays for future‘ keine Vorgaben gemacht und führt keine Übersichten.“
„Wir erleben momentan, dass politisch viel zu wenig gegen den Klimawandel getan wird“, erklärte zum Beispiel Sophia Salzberger aus dem Leipziger Robert-Schumann-Gymnasium, Mitorganisatorin bei „Fridays For Future Leipzig“ aus Anlass einer Leipziger Demonstration. „Ich fordere, dass die Politik zukunftsfähiger wird, damit meine Generation nicht die Folgen der aktuellen Klimapolitik ausbaden muss. Dafür streiken wir und das solange bis gehandelt wird!“
„Fridays For Future“ ist eine globale Jugendbewegung, die sich für mehr Klima- und Umweltschutz einsetzt. Unter diesem Namen streiken jeden Freitag tausende Schüler/-innen und Studierende nach dem Vorbild der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg. Seit Dezember 2018 finden auch in Leipzig wöchentlich Protestaktionen statt. Die Jugendlichen fordern neben einem schnellen Kohleausstieg viele weiter Maßnahmen, um die Erderwärmung aufzuhalten. Sie sehen ihre Zukunft in Gefahr und bestreiken deshalb sogar die Schule.
Die Lehrer haben übrigens inzwischen auch gestreikt – aber nicht fürs Klima, sondern für eine bessere Bezahlung. Manchmal ist Streik tatsächlich das einzige Mittel, um überhaupt noch ein bisschen Druck aufzubauen in einer Gesellschaft, in der Wirtschaftsinteressen die Demokratie verzerren und nicht nur die jungen Menschen berechtigte Sorgen haben, was das eigentlich für ihre eigene Zukunft und ihre eigenen künftigen Kinder bedeutet. Und für die Frage, was sie sich sagen müssen, wenn sie alt sind und die Welt – aufgrund von Tatenlosigkeit – genauso kaputt ist, wie man es heute schon befürchten muss.
Weil die Erwachsenen kneifen: Leipzigs Schüler schreiben einen Offenen Brief
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