Seit Jahren beißt sich die sächsische Linke an der staatlichen Kirchenfinanzierung die Zähne aus. Nur bruchstückhaft informiert die Staatsregierung. Aber bei jeder Gelegenheit wird Gott beschworen. Staatsakte finden mit Gottesdienst in der Kirche statt. Aber als moralische Instanz wird Kirche in Sachsen kaum hörbar. Und wenn, dann stehen selbst Ex-Thomaspfarrer Christian Wolff oft die Haare zu Berge. Eine Große Anfrage soll nun ein bisschen Licht ins Dunkel bringen.

Besonders ärgert die Linke natürlich die Tatsache, dass die Kirchen in Sachsen seit Jahren unkommentiert enorme Zahlungen aus öffentlichen Kassen erhalten. Jahr für Jahr fließen hohe Summen aus dem Staatssäckel, und zwar pauschal und in erheblichem Umfang. Überdies werden die Kirchen durch Gebühren- und Steuerbefreiungen begünstigt, kritisiert die Linksfraktion im Landtag.

Weiterhin erhalten sie kostenlos lange Sendezeiten in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, was schon deshalb seltsam ist, weil sie gleichzeitig wie selbstverständlich in den Rundfunkräten vertreten sind. Wo man zwar auch ein paar soziale und Umweltverbände findet. Aber wo sind die regelmäßigen Umweltsendungen im MDR? Wo die wöchentliche Sozialberichterstattung?

Der Freistaat betrachtet Kirchen übrigens als Teil der Kultur. Darunter zählt sie dann auch das Statistische Landesamt. Und die Zahlen sind eindeutig: Die Zahl der Mitglieder in Evangelischen Kirchen schrumpfte seit 1995 von 1,168 Millionen auf 757.338 im Jahr 2016. Ihr Bevölkerungsanteil schrumpfte von 25,5 auf 18,5 Prozent. Katholische Kirchenmitglieder gab’s 1995 noch 189.449, 2016 noch 152.368.

Gleichzeitig betreiben die Kirchen zahlreiche soziale Einrichtungen, für die sie freilich staatliche Finanzierung bekommen. Dazu kommen dann noch staatliche Finanzmittel beispielsweise für die Seelsorge in Justizvollzugsanstalten, die Polizeiseelsorge, den Unterhalt kirchlicher Kulturdenkmale sowie für den Religionsunterricht.

„Trotz immer neuer Rekordsummen bei der staatlichen Kirchenfinanzierung traten in den vergangenen Jahren zehntausende Menschen aus den Kirchen aus“, kritisiert die Linksfraktion. „Das liegt auch daran, dass die Kirchen in den vergangenen Jahren durch diverse Skandale an Glaubwürdigkeit verloren haben. Zudem glauben viele Menschen in einer aufgeklärten Welt einfach nicht mehr an einen Gott.

Bei dem Gestrüpp an staatlichen Vergünstigungen, Förderungen, Zahlungen und Leistungen fehlt es an Transparenz und Klarheit. Deshalb hat die Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag jetzt eine Große Anfrage zum Thema ‚Die Kirche und die Kassen – wie der Staat die Kirchen finanziert‘ an die Regierung gerichtet. Diese Große Anfrage, die aus insgesamt 75 Einzelfragen besteht und in sechs Abschnitte gegliedert ist, muss nun innerhalb von zehn Wochen beantwortet werden.“

Dazu erklärt der Landtagsabgeordnete André Schollbach (Die Linke): „Seit geraumer Zeit sprudelt staatliches Geld in die kirchlichen Kassen. Die CDU-dominierte Sächsische Staatsregierung finanziert die Kirchen in erheblichem Umfang mit dem Steuergeld der Bürgerinnen und Bürger. Gleichzeitig fehlt es der öffentlichen Hand vielfach an notwendigen Mitteln zur Erfüllung sozialer und kultureller Aufgaben.

Die öffentlichen Kassen werden systematisch für kirchliche Zwecke angezapft. Das geschieht äußerst raffiniert und aus unterschiedlichsten Töpfen. Auf diese Weise soll das wahre Ausmaß der Geldströme verschleiert werden. Diesen Schleier gilt es zu lüften. Die überbordende staatliche Kirchenfinanzierung muss kritisch überprüft werden.“

Viele der Fragen könnte Schollbach auch ohne Große Anfrage schon beantworten, weil er sie regelmäßig in Kleinen Anfragen beantworten lässt – etwa zu den Sendezeiten, die die beiden Kirchen im Rundfunk eingeräumt bekommen. Andererseits darf man gerade die vielen reichhaltigen Kirchenbauten in Sachsen auch als Kulturschatz betrachten. In vielen Gemeinden sind sie noch immer sozialer und kultureller Mittelpunkt. Andererseits bewerben sich die Kirchen und ihre Sozialorganisationen oft auch um die Trägerschaft von Kindertagesstätten und freien Schulen, wenn die Kommunen nicht in eigene Trägerschaft gehen wollen oder sich den Betrieb freier Schulen regelrecht untersagen lassen. Indirekt dreht sich die Große Anfrage also auch um ein schiefes Staatsverständnis in Sachsen, das sich gern ein religiöses Mäntelchen umhängt, Kirchen aber auch Freiräume einräumt, die nicht einmal die Kommunen, in denen die Sachsen leben, haben.

Indirekt schwingt auch noch die Frage nach der „Geschäftspartnerschaft von Kirche und Staat“ mit und eben die Tatsache, dass zwischen der Institution Kirche und der Mitgliedschaft Gläubiger in einer Kirche durchaus ein Unterschied zu machen ist, wie die Große Anfrage aus dem „Violettbuch Kirchenfinanzen“ von Carsten Frerk zitiert. Denn auch in Sachsen gibt es bislang noch keine verifizierbaren Zahlen zum Kirchenbesitz, nach dem die Anfrage im sechsten Fragenkomplex dezidiert fragt, wenn auch nur nach den Kirchengebäuden, die eigentlich Besitztum des Freistaats sind.

Zur großen Anfrage der Linksfraktion (PDF) auf der Seite des Landtages Sachsen

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