Wie sagte doch die familienpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag, Daniela Kuge, am 11. Dezember so schön: „Ich bin dankbar, dass mutige Frauen vor über 100 Jahren das Frauenwahlrecht erkämpft haben. Seit 100 Jahren können Frauen wählen und selbst gewählt werden – das hat die Parlamente verändert. Es war der Ausgangspunkt der Gleichberechtigung in Politik und Gesellschaft.“ 100 Jahre Frauenwahlrecht gaben ja Anlass zum Nachdenken. Aber ihre Fraktionskollegen wollte Daniela Kuge auf keinen Fall verärgern.
Nicht nur, dass die CDU-Fraktion auch im Jahre 100 nach dem fröhlichen Beginn extrem männerlastig ist und genau so agiert, sie bringt es auch heute noch fertig, Frauenthemen auszubremsen und zu verunmöglichen.
„Wir haben aber immer noch viel zu tun!“, sagte Kuge tatsächlich. „Besonders in der Wirtschaft fehlt es an Frauen in Spitzenpositionen. Echte Gleichberechtigung gibt es erst dann in Deutschland, wenn für die Besetzung eines Vorstandspostens das Geschlecht keine Rolle mehr spielt, sondern einzig und allein die Kompetenz der Maßstab der Entscheidung ist.“
Und das, obwohl sie wissen musste, dass ihre Fraktion gerade ihr ureigenstes Thema in den Sand setzte: das geplante Gleichstellungsgesetz. Das eben auch die Gleichstellung in den politischen Gremien zum Thema gehabt hätte. Der Landtag debattierte darüber im November.
Am 21. Januar aber wurde dann klar, dass der kleine Koalitionspartner SPD auch bei diesem Thema bei einer männerlastigen CDU auf Granit biss. Dass wenig später auch noch bekannt wurde, dass der Frauenförderbericht seit vier Jahren unter Verschluss gehalten wurde, erweitert das Thema nur. Dazu kommen wir noch.
Aber das Entsetzen am 21. Januar wurde zumindest bei Grünen und Linken hörbar. Denn die Nachricht passte überhaupt nicht zu all den vollmundigen Erklärungen zum Frauenwahlrecht. Als wenn den Bürgerlichen zwar akzeptabel erscheint, dass Frauen brav zur Wahl gehen. Aber wenn es dann darum geht, den Geschlechtern wirklich gleiche Karrierechancen einzuräumen, schauen sich die Mandatsträger augenscheinlich alle gegenseitig an, nicken sich zu und lehnen das Gesetz ab.
Am 21. Januar wurde dann öffentlich, dass sich CDU und SPD nicht auf ein Sächsisches Gleichstellungsgesetz einigen können, obwohl sie es im Koalitionsvertrag von 2014 vereinbart hatten.
„Das ist ein fatales Signal an die sächsischen Frauen. So bleibt Sachsen in Sachen Gleichstellung von Frauen und Männern Schlusslicht in der Bundesrepublik!“, benennt Katja Meier, gleichstellungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, einen Zustand, der immer offensichtlicher wird, je näher die Landtagswahl kommt. Das, was wirklich zukunftsfähig ist im Koalitionsvertrag mit der SPD, wird von einer zunehmend konservativer auftretenden CDU-Fraktion verhindert. Wenig später sollte ja bekannt werden, dass es die CDU mit dem Klimaplan genauso gemacht hat.
„Im Freistaat gilt somit weiter ein 25 Jahre altes Frauenförderungsgesetz aus dem Jahr 1994“, konnte Katja Meier feststellen. „Ministerin Petra Köpping ist mit ihrem wichtigsten gleichstellungspolitischem Projekt an der rückständigen Sachsen-CDU gescheitert. Das ist nicht nur eine gleichstellungspolitische Katastrophe, sondern macht den öffentlichen Dienst im Freistaat unattraktiv für Frauen. Angesichts der anstehenden Altersabgänge muss der Freistaat die Arbeitsbedingungen insbesondere für Frauen so attraktiv gestalten, um im Wettbewerb um die besten Köpfe mit anderen Bundesländern und der Wirtschaft bestehen zu können. Und genau diese Fachkräfte braucht Sachsen dringend.“
Aber augenscheinlich haben die ministrierenden Männer trotz aller Debakel in Schule, Polizei und Justiz noch immer nicht begriffen, dass man Personal nicht mit Beamtenstatus kaufen kann, sondern mit einem guten Image. Frauen- und Familienfreundlichkeit gehören dazu.
„Ministerin Köpping hatte mehrfach in Aussicht gestellt, dass der Gleichstellungsgesetzentwurf kurz vor der Einbringung in den Landtag stünde. Doch die SPD kann sich nicht durchsetzen. Während die CDU zwar gegen das Murren der SPD, aber dennoch munter Polizei- und Strafvollzugsgesetz verschärfen kann, bleiben richtige und wichtige Anliegen der SPD wie das Gleichstellungsgesetz komplett auf der Strecke“, benennt Meier das Ungleichgewicht in der Regierung.
Man staunt tatsächlich, warum die SPD auch noch die größten Gesetzesverschärfungen der CDU mitmacht, bei ihren eigenen Themen aber die Zurücksetzung klaglos hinnimmt. „Mit der Ablehnung des Grünen-Gesetzentwurfs für ein Gleichstellungsgesetz hat der Landtag im November 2018 die Chance auf wirkungsvolle Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung vergeben. Der Gesetzentwurf sah neben verbindlichen familienfreundlichen und flexiblen Arbeitsbedingungen zur besseren Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familienaufgaben für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auch eine Vorbildwirkung öffentlicher Träger bei der Auftragsvergabe und Unternehmensbeteiligung vor.“
Die ersten Zahlen aus dem viel zu spät vorgelegten Frauenförderbericht waren ja auch am 21. Januar schon bekannt.
„Der auf unseren Antrag hin mit jahrelanger Verzögerung vorgelegte 5. Frauenförderbericht offenbart dramatisch großen Handlungsbedarf: So ist in der ersten Führungsebene der sächsischen Verwaltung nur jede fünfte Position mit einer Frau besetzt, in der zweiten Führungsebene noch nicht einmal jede dritte. Der einzige Bereich, in dem die Führungsebene entsprechend dem Frauenanteil insgesamt mit Frauen besetzt ist, sind Grund-, Förder- und Spezialschulen – ganz wie es das Rollenklischee erwarten lässt. Ein Armutszeugnis für den öffentlichen Dienst!“, sagte Sarah Buddeberg, gleichstellungs- und queerpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag.
Und auch der Kompromiss zum Gleichstellungsgesetz sah nicht wirklich hoffnungsvoll aus.
„Was in der Staatsregierung nun so heiß umstritten ist, bleibt sowieso weit hinter unserem Gleichstellungsfördergesetz-Entwurf von 2011 zurück. Wenn 65 Prozent der Beschäftigten weiblich sind, soll auch die Mehrheit des Führungspersonals weiblich sein! Die Arbeitszeiten müssen so gestaltet werden, dass Frauen und Männer Familienaufgaben gut vereinbaren können, bei der Betreuung von Kindern und bei der Pflege von Angehörigen“, benannte Buddeberg Anforderungen, die eigentlich längst zur modernen Arbeitswelt gehören sollten.
„Dazu gehört, Führungspositionen in Teilzeit zu ermöglichen, flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorte anzubieten. Vor allem müssen auch Männer ermutigt werden, Elternzeit oder Pflegezeit zu nehmen, nur so lässt sich das massive Ungleichverhältnis zwischen Frauen und Männern im Bereich der Familienaufgaben aktiv verringern.“
Ein Gleichstellungsgesetz müsste hierfür die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen.
„Es muss starke und gut ausgestattete Gleichstellungs- und Frauenbeauftragte in den Behörden einrichten, die nach innen und nach außen wirken und dazu beitragen, die Rollenklischees abzubauen“, träumte Buddeberg. „Es muss eindeutige Vorgaben zur Erstellung des Gleichstellungsplans machen und wirksame Sanktionsmöglichkeiten bei der Missachtung einräumen – moralische Appelle reichen nicht! Schließlich sollte ein modernes Gleichstellungsgesetz Spielraum lassen, innovative Modelle auszuprobieren, um zu mehr Geschlechtergerechtigkeit im öffentlichen Dienst zu kommen.“
Aber nun ist klar: Wenn, dann wird es erst die neue Regierung anpacken. Wieder sind fünf wertvolle Jahre ins Land gegangen und die Männer in ihren führenden Positionen haben wieder dafür gesorgt, dass Sachsen weiter im Jahr 1994 steckenblieb.
„Die Rückständigkeit der CDU beim Gleichstellungsgesetz nervt ebenso wie die Duldsamkeit der SPD“, sagte Buddeberg noch. „Wir fordern die Koalition auf, morgen endlich zu liefern und dem Landtag die Chance zu geben, den Entwurf weiter zu verbessern und auf Höhe der Zeit zu bringen.“
Aber auch am 22. Januar im Koalitionsausschuss schüttelten die Herren der Beharrlichkeit ihre Köpfe. Das Gesetz blieb unbeschlossen. Und Frauen blieben für Sachsens Regierung die fleißigen Aschenputtel, die gerade unten in den Schulen, Büros, Universitätskliniken und Mittelbauetagen der Hochschulen die ganze Fleißarbeit machen – nur in die entscheidenden Positionen kommen sie nur ausnahmsweise. Und darüber berichtet nun auch der Frauenbericht, der schon vier Jahre in einer Schublade vor sich hinschimmelte.
Dazu kommen wir gleich an dieser Stelle.
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