Was kann man machen, wenn man Teile polizeilicher รberwachungsmaรnahmen der Kontrolle der Parlamente entziehen will? Man macht eine Anstalt รถffentlichen Rechts daraus, so wie beim Gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrum (GKDZ), das in Leipzig 2020 seine Arbeit aufnehmen soll. Noch einmal hat Enrico Stange, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag, versucht, ein Auskunftsrecht des Landtags abzufragen.
Im Dezember hatte er schon einmal angefragt, wann das Telekommunikationsรผberwachungszentrum der ostsdeutschen Bundeslรคnder eigentlich in Betrieb gehen soll. Da teilte ihm die Staatsregierung etwas klausuliert mit, dass dieses GKDZ nicht unmittelbar der Staatsregierung zugeordnet ist.
Der Satz klang so: โDas GKDZ als rechtsfรคhige Anstalt รถffentlichen Rechts (AรถR) ist als Bestandteil der mittelbaren Staatsverwaltung keine dem Staatsministerium des Innern nachgeordnete Behรถrde/Einrichtung.โ
Was dem innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Sรคchsischen Landtag fast schon ein bisschen Hoffnung machte. Denn wenn die รberwachungsbehรถrde dem Innenministerium mittelbar zugeordnet ist, unterliegt sie doch eigentlich dem verfassungsmรครigen Informationsrecht des Landstags, oder? Das ist in Paragraph 50 der Verfassung eigentlich gewรคhrleistet: Die Abgeordneten dรผrfen fragen und die Staatsregierung muss ihnen alle Informationen geben, die zur Erfรผllung der Abgeordnetenpflichten nรถtig sind.
Aber weil auch die Verfassungsautoren von 1990 schon clever waren, haben sie extra ein Hintertรผrchen fรผr antwortunwillige Minister eingebaut. Eigentlich ist es sogar ein Scheunentor, das seither besonders von sรคchsischen Innenministern weidlich genutzt wird.
Es ist der Absatz 2 in Paragraph 51, den nun auch Innenminister Roland Wรถller (CDU) in seiner Antwort auf Stanges Anfrage nicht zitiert, auch wenn er ihn meint: โDie Staatsregierung kann die Beantwortung von Fragen ablehnen, wenn diese den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung berรผhren oder einer Beantwortung gesetzliche Regelungen, Rechte Dritter oder รผberwiegende Belange des Geheimschutzes entgegenstehen.โ
Wรถllers Antwort auf Stanges Frage, ob die Staatsregierung nun in Sachen GKDZ auskunftspflichtig ist, geht so: โDer Hinweis auf eine mittelbare Staatsverwaltung beinhaltet keine Rรผckschlรผsse auf das aus dem freien Mandat des Abgeordneten und aus dem Demokratieprinzip herzuleitende Fragerecht des einzelnen Landtagsmitglieds (Art. 51 Verfassung des Freistaates Sachsen (SรคchsVerf) sowie auf das Informationsrecht des Landtages (Art. 50 SรคchsVerf). Es ist hinsichtlich des Frage- und Informationsrechts nur auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2017, Az. 2 BvE 2/11 (BVerfGE 147, 50-184) zu verweisen, das zum Umfang sowie auch zu etwaigen Grenzen des Frage- und Informationsrechts ausgefรผhrt hat.โ
Das zitierte Urteil wieder beschรคftigt sich mit dem Auskunftsrecht von Bundestagsabgeordneten zum Staatsbetrieb Deutsche Bahn, der ja nun einmal komplett dem Bund gehรถrt, aber als Aktiengesellschaft irgendwie privatwirtschaftlich agiert.
Man kann sich gut vorstellen, dass Wรถller den 9. Absatz des Urteils im Auge hat: โAus der grundsรคtzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprรผche des Deutschen Bundestages zu erfรผllen, folgt, dass sie die Grรผnde darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskรผnfte verweigert. Einer besonderen Begrรผndungspflicht unterliegt die Bundesregierung, soweit sie ihre Antwort nicht in einer zur Verรถffentlichung in einer Bundestagsdrucksache bestimmten Weise erteilt, sondern dem Deutschen Bundestag eingestuft in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zur Verfรผgung stellt.โ
Womit eigentlich der Absatz 2 in Paragraph 51 der Sรคchsischen Verfassung anklingt und man schon die seitenlangen Erklรคrungen verschiedenster Innenminister vor Augen hat, wenn sie den fragenden Abgeordneten klarmachen, warum sie auf Fragen zum GDKZ nicht antworten wollen.
Und Absatz 6 ist auch nicht schlecht: โEine Grenze des Informationsanspruchs des Bundestages bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl), das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedรผrftiger Informationen gefรคhrdet werden kann.โ
Und da die Abgeordneten selbst nicht wissen, ob die verlangten Informationen tatsรคchlich das Staatswohl gefรคhrden, wenn sie bekannt werden โฆ
Mit transparentem Verwaltungshandeln hat das alles nichts mehr zu tun. Eher mit einem Staatsdenken, das nicht nur Bรผrgern zutiefst misstraut, sondern auch gewรคhlten Abgeordneten.
Das Telekommunikationsรผberwachungs-Zentrum in Leipzig soll jetzt 2020 in Betrieb gehen
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