Wir leben ja in einer sonderbaren Gesellschaft, in der ein Großteil der politischen Debatte in jenen riesigen Netzwerken stattfindet, die man so landläufig „social media“ nennt. Was nicht nur „mehr Reichweite“ für die Botschaften der Politiker bedeutet, sondern auch viele negative Blaseneffekte mit sich bringt – und jede Menge Arbeit. Aber twittern und posten die alle selbst? Und wer bezahlt das eigentlich, wollte Katja Meier wissen. Zumindest mal von den Mitgliedern der Staatsregierung.

Aber wozu braucht eine Staatsregierung eigentlich Konten auf Facebook, Twitter, Youtube oder Instagram? Informiert sie nicht schon ausführlich auf der Regierungsseite sachsen.de? Augenscheinlich sind mehrere Minister durchaus der Meinung, dass das genügt. Sie haben nach Auskunft von Oliver Schenk, dem Leiter der Staatskanzlei, keine eigenen amtlichen Konten in einem sozialen Netzwerk. Dazu gehört auch Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD), worüber sich die Grünen-Abgeordnete Katja Meier, die die Anfrage gestellt hat, gehörig wundert.

„Über Wirtschaftsminister Martin Dulig wurde in der Antwort nicht informiert. Das ist umso erstaunlicher, als dass sogar sein Staatssekretär Stefan Brangs eine geringe Unterstützung von 0,17 Stunden pro Woche angibt. Das erweckt keinen guten Eindruck“, kritisiert die Abgeordnete. „Ich erwarte hier umgehende Aufklärung von Seiten des Ministers. Denn gerade ein Minister der zugleich Landesvorsitzender einer Partei ist, sollte die klare Trennung seiner Social-Media-Aktivitäten transparent darstellen können.“

Hat Martin Dulig als Wirtschaftsminister überhaupt einen Facebook-Auftritt?

Beim ersten Durchforsten des Netzes haben wir jedenfalls keine gefunden. Da stolpert man dann eher über eine Aufregergeschichte von 2015, als Martin Dulig für diesen Facebook-Post einen richtigen Shitstorm erntete: „Wir haben uns soeben auf der Wirtschaftsministerkonferenz einstimmig für TTIP und der (sic!) damit verbundenen Freihandelszone mit Amerika ausgesprochen.“ Darüber berichtete die „Sachsen-Depesche“. Er habe dann erstmals einen Post gelöscht. War das damals wirklich so ein Aufruhr? Oder sah Dulig sich außerstande, die TTIP-Entscheidungen im Streitgespräch mit den Nutzern zu verteidigen?

Ich tippe mal: das Zweite.

Aber wo postet er denn? Jedenfalls nicht auf einem offiziellen Regierungsaccount. Seine Hauptaktivitäten im Netz entfaltet er auf seinem offiziellen Partei-Account. Er ist ja auch noch Vorsitzender der Sachsen-SPD. Und unter den Seiteninformationen findet man dann nicht nur den Hinweis, dass seine Lieblingsband „Element of Crime“ ist, sondern auch den Hinweis: „Posts und Kommentare verfasst auch das Team Dulig (TD)“.

Er ist übrigens nicht der einzige Minister, der augenscheinlich keine offiziellen Ministerauftritte bei Facebook, Twitter oder Instagram hat. Auch Justizminister Sebastian Gemkow ist in der von Oliver Schenk erstellten Liste nicht zu finden, genauso wenig wie der sächsische Bauernminister Thomas Schmidt und Sozialministerin Barbara Klepsch. Was irgendwie auch nachvollziehbar ist. Minister sollten eigentlich unbeeinflusst von oft genug überhitzten Debatten einfach ihre Arbeit tun können. Katja Meier vermutet wohl zu Recht: Wenn sie wirklich ihre Arbeit auch noch in den Netzwerken erklären müssten, bräuchten sie wirklich eine kompetente Mannschaft, die das für sie erledigt.

Aber: Erwarten das die Nutzer tatsächlich? Wenden sie sich ganz persönlich an ihren Minister und versuchen mit ihm zum Beispiel die TTIP-Frage so auszudiskutieren, dass man hinterher weiß, warum Dulig so überzeugt davon ist, dass dieser Freihandelsvertrag wirklich toll ist?

Was man ja trotzdem machen kann, wenn man ihn nicht gleich niederbrüllt. Aber dann halt über seine offizielle SPD-Seite. Vielleicht hat er ja eine gute Antwort.

Nach den Angaben von Oliver Schenk ist es – neben Ministerpräsident Michael Kretschmer – vor allem Integrationsministerin Petra Köpping (SPD), die ihren Account emsig nutzt, um Politik zu erklären, und sich dafür Unterstützung für die Betreuung der Facebook- und Instagram-Accounts finanzieren lässt.

Flurfunk Dresden hat vor einem Jahr schon einmal abgefragt, wie die sächsischen Ministerien in den Netzwerken unterwegs sind. Da wurde auch schon deutlich, dass die Minister/-innen selbst kaum twittern und posten, sondern eher ihre Ministerien. Sebastian Gemkow tauchte nur mit einem Twitter-Account auf.

Am emsigsten nutzt tatsächlich Michael Kretschmer auch als Ministerpräsident die Möglichkeiten, im Netz zu kommunizieren, auch wenn für ihn wohl genauso gilt: Richtig viele Follower hat er da nicht. Aber Oliver Schenk bestätigt, dass er bei der Betreuung seiner Kanäle unterstützt wird und das auch im Budget der Staatsregierung ausgewiesen ist.

„Innenminister Prof. Roland Wöller, Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange, Kultusminister Piwarz und Staatskanzleichef Oliver Schenk gaben an, keine Unterstützung der Ministerien zu beanspruchen“, grübelt Katja Meier. Aber sie hatte eben nicht nach den Accounts der Ministerien gefragt, sondern: „Welche Mitglieder der Staatsregierung nutzen ein Konto in sozialen Netzwerken …?“

Eigentlich ist es logischer, wenn die Ministerien eigene Kanäle betreiben und dort die Regierungsarbeit von einer kompetenten Mannschaft erklären lassen. Auch Ministerpräsident Michael Kretschmer agiert nicht wirklich selbst auf seinen MP-Accounts. Auf Facebook findet man zum Beispiel die klare Angabe: „Verantwortlich im Sinne von § 55 Abs. 2 RStV: Ralph Schreiber (Regierungssprecher)“.

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