Seit anderthalb Jahren gilt auch in Sachsen die verschärfte GĂźlleverordnung der EU. Aber es ist wie mit so vielen Richtlinien, die die EU erlässt â in Sachsen werden sie auf die lange Bank geschoben, Termine werden vertagt, die Umweltbelastung geht weiter. Und so hagelt es Beschwerden. Denn die Verordnung hat ja selbst schon ihre Ursache in deutscher Aussitze- und VerzĂśgerungs-Politik. Es stinkt zum Himmel und das Grundwasser wird zur NitratbrĂźhe.
AuslĂśser fĂźr die Novelle der DĂźngeverordnung war eine Klage der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen der Ăberschreitung der zulässigen Grenzwerte bei Nitrat im Grundwasser. Ein hĂśherer Wert als 50 mg Nitrat pro Liter gilt als gesundheitsschädlich.
Seit Juni 2017 gilt auf Ackerland ein Dßngeverbot mit Gßlle von spätestens 1. Oktober bis zum 31. Januar. Bei Gemßseflächen sowie Erdbeer- und Beerenobstkulturen beginnt die Sperrfrist am 1. Dezember, bei Grßnland und auf Ackerland mit mehrjährigem Feldfutterbau am 1. November des jeweiligen Kalenderjahres.
Aber Sachsen hat die Zeitpunkte mal wieder in Eigenregie verschoben. Man hat ja einen Agraringenieur als Landwirtschaftsminister, dem die industrielle Agrarwirtschaft mehr am Herzen liegt als all die Dinge, die mit Umweltschutz zu tun haben. Wie zum Beispiel sauberes Trinkwasser.
âWir GrĂźne begrĂźĂen alle Initiativen, damit weniger Nitrat im Grundwasser landet. Es muss bei der Ăberschreitung der Nitrat-Grenzwerte im Grundwasser schnellstmĂśglich gegengesteuert werdenâ, kommentiert Wolfram GĂźnther, Vorsitzender der GrĂźnen-Fraktion im Sächsischen Landtag, die aktuell in Sachsen geäuĂerten Beschwerden zur vor eineinhalb Jahren in Kraft getretenen verschärften GĂźlleverordnung. Beschwerden gab es auch schon vor einem Jahr, weil einigen Agrarfabriken die gesetzten Ausbringetermine fĂźr GĂźlle augenscheinlich vĂśllig schnuppe waren.
âIn Sachsen gab es im letzten Herbst Sperrfristverschiebungen, etliche Betriebe durften auf Antrag auch nach dem Stichtag 1. November weiterhin GĂźlle auf GrĂźnland und mehrjähriges Feldfutter ausbringen. Nach der aktuellen DĂźnge-Verordnung beginnt die Sperrfrist bei GrĂźnland und auf Ackerland mit mehrjährigem Feldfutterbau am 1. Novemberâ, betont Wolfram GĂźnther.
Er spart aber auch nicht an Kritik: âIch kann nicht erkennen, dass Umwelt- und Landwirtschaftsminister Schmidt gegen mehr Nitrat im Grundwasser irgendetwas unternimmt. Dabei wäre schnelles Handeln angebracht. Mit Hilfe von zwei Kleinen Anfragen hake ich derzeit nach, wie viele Landwirtschaftsbetriebe diese Ausnahmeregelung erteilt bekommen haben. Spannend fĂźr mich wird die Antwort darauf sein, mit welcher BegrĂźndung derartige Ausnahme erteilt worden sind.â
Die letztlich ungebremste Ausbringung von GĂźlle trägt nicht nur dazu bei, dass gerade die GrundwasserkĂśrper im sächsischen Tiefland so gut wie alle massive Ăberschreitungen bei der Nitratbelastung haben. Das Zeug flieĂt ja auch in Bäche und FlĂźsse, die ebenfalls fast durchweg ĂźberhĂśhte Nitratbelastungen aufweisen, also bis heute in der Mehrzahl der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie nicht genĂźgen, vĂśllig ĂźberdĂźngt sind und deshalb auch keinen gesunden Besatz an Fischen, Wassertieren und Wasserpflanzen aufweisen. Der zuständige Minister glänzt durch Untätigkeit.
âAus pflanzenbaulicher Sicht haben die Pflanzen nach dem 1. November keinen nennenswerten Aufwuchs mehrâ, geht GĂźnther auf die von der EU gesetzten Grenztermine fĂźr die GĂźlleausbringung ein. âDas bedeutet, dass der Stickstoff aus der GĂźlle nicht pflanzlich aufgenommen werden kann. Somit gelangt der Stickstoff aus der GĂźlle in den Boden und weiter ins Grundwasser.
Sobald die Bodentemperaturen ausreichend hoch sind, wird das Ammonium aus der GĂźlle in Nitrat umgewandelt. Dann drohen Auswaschverluste. Ich halte es fĂźr sinnvoll, wenn Landwirte einen stärkeren Augenmerk auf einen humusaufbauenden Ackerbau legen, denn ein humushaltiger Boden sorgt fĂźr eine gute Stickstoffnachlieferung.â
Da mĂźssten dann freilich nicht nur die sächsischen (GroĂ-)Landwirte umdenken, sondern auch eine Staatsregierung, die den Bereich Umwelt- und Naturschutz seit Jahren wie ein Findelkind behandelt, zwar immer wieder neue Konzepte auflegt, die den Sachsen herrliche Fortschritte im Umweltschutz verkĂźnden. Wenn man dann aber auf die Belastungsdaten und die Artenverluste schaut, ändert sich gar nichts.
Was dann logischerweise das Gefßhl verstärkt, dass auch in Sachsen nur geredet wird, aber das Notwendige schlicht nicht passiert. Und da der Landwirtschaftsminister auch keine Daten zur Verfßgung stellt, will Wolfram Gßnther nun wissen, wie viel Gßlle auf wie viel Fläche in Sachsen ausgebracht wird. Und wie viel Gßlle importiert wird, denn das Zeug wird ja auch eifrig ßber Landesgrenzen verfrachtet, wenn die eigenen Felder schon nicht mehr aufnahmefähig sind.
Neue Nitratkarte des VSR bestätigt auch die lasche Wasserschutzpolitik in Sachsen
Neue Nitratkarte des VSR bestätigt auch die lasche Wasserschutzpolitik in Sachsen
So kĂśnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstĂźtzen:
Keine Kommentare bisher