Am Dienstag, 15. Januar, gab es das erste Spitzentreffen zum Thema Kohlekommission im Kanzleramt, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel das Thema zur Chefsache erklärt hatte. Eigentlich hätte die Kommission schon Ende November ihre Vorschläge vorlegen sollen. Aber dann grätschten die Ministerpräsidenten der vier Kohleländer dazwischen mit ihrer Forderung nach 60 Milliarden Euro Beihilfe. Und mit ihrer Forderung, erst müsste der Strukturwandel bewerkstelligt sein, dann könne man über Kohleausstieg reden. Eine närrische Haltung, findet Gerd Lippold.
„Ich hatte gehofft, nach dem Treffen im Kanzleramt zu den Themen Kohleausstieg und Strukturwandel endlich eine klare Linie beim sächsischen Ministerpräsidenten zu sehen, mit welcher Unterstützung die vielen guten Zukunftsideen rechnen können, die in den Regionen derzeit entwickelt werden. Doch das Gegenteil ist der Fall. Der Kurs des Ministerpräsidenten nimmt nun vollends den Charakter einer Springprozession an“, kommentiert Lippold, der in der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag energiepolitischer Sprecher ist, das Interview von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am 16. Januar im Deutschlandfunk.
Da sind sich die vier Ministerpräsidenten ziemlich gleich. Sie malen eine drohende Versorgungsunsicherheit an die Wand, nehmen also einfach die Position der Kraftwerksbetreiber ein, die natürlich ihre Geschäftsfelder behalten wollen. Möglichst ohne einen Endtermin.
„Statt endlich die Zukunftsperspektiven für die Zeit nach der Kohle zu konkretisieren, versteifte sich der sächsische Ministerpräsident im Interview mit dem Deutschlandfunk lieber auf Fortsetzung und Neuauflage alter Phantomdebatten. Er stellte dabei mit Einwänden zur Versorgungssicherheit und zu Strompreisen einen raschen Kohleausstieg erneut grundsätzlich infrage, statt konkrete Fragen nach der Unterstützung der Kohleregionen zu beantworten“, benennt Lippold die Versäumnisse der Staatsregierung, die seit Jahren gegen den Kohleausstieg arbeitet, aber auch keine Strukturvisionen für die Bergbauregionen vorlegt.
„Wenn das das Ergebnis des Treffens im Kanzleramt sein soll, so wäre es für die Menschen in der Lausitz und im mitteldeutschen Revier ein klarer Rückschritt und sollte Anlass für Besorgnis sein. Anlass zu doppelter Besorgnis bei all jenen, die engagiert Perspektiven nach der Kohle schaffen wollen und bei denen, die angesichts bedrohlicher Klimaveränderungen endlich auf wirksame Fortschritte beim Klimaschutz hoffen.“
Dass Kretschmer so argumentiert, zeigt, dass er sich genauso wenig wie die anderen Ministerpräsidenten überhaupt mit den Grundlagen der deutschen Energieversorgung beschäftigt hat. Sie lassen sich allesamt mit den Argumenten der Bergbaubetreiber füttern und merken nicht einmal, dass sie damit zum langen Arm der Konzerne werden, ihre gesellschaftliche Verantwortung aber ignorieren.
Tatsächlich werden Kraftwerke in Deutschland erst dann stillgelegt, wenn sie wirklich nicht mehr gebraucht werden.
„Die Versorgungssicherheit ist in Deutschland klar gesetzlich geregelt und wird durch die Bundesnetzagentur vor jeder Entscheidung zur Stilllegungsgenehmigung für ein Kraftwerk nach strengen Kriterien sehr gründlich geprüft. Deshalb ist es eine reine Phantomdebatte, wenn Kretschmer den Eindruck erweckt, als drohten in Deutschland durch geplante Kraftwerksabschaltungen Gefahren für die Versorgungssicherheit“, sagt Lippold.
„Auch sind die Zeiten ‚billigen‘ Kohlestroms heute vorbei. Die Börsenstrompreise sind im letzten Dreivierteljahr um etwa 80 Prozent gestiegen, was für die stromintensive Industrie durchaus zum Problem wird. Nach dem deutlichen Anziehen der Preise für die CO2-Verschmutzungsrechte ist dies allerdings gerade die Folge eines viel zu hohen, CO2-intensiven Kohleanteils im Strommix. In der Realität spielt sich somit gerade das Gegenteil ab von dem, was der Ministerpräsident als Gespenst an die Wand malt.“
Tatsächlich bremst das massive Überangebot an Kohlestrom in Sachsen den Ausbau der Erneuerbaren Energien aus, denn es sind vor allem Windkraftanlagen, die jeden Sommer zu Tausenden vom Netz genommen werden, weil die Grundlast der Kohlekraftwerke die Netze verstopft.
„Langfristige Bezahlbarkeit der Energieversorgung lässt sich bei steigenden CO2-Preisen nur durch den Abschied von der Kohle erreichen. Meine dringliche Forderung an den Ministerpräsidenten ist, beim Thema Braunkohle endlich ideologisch abzurüsten, die Realitäten des Jahres 2019 zur Kenntnis zu nehmen und konsequent im Interesse der Kohleregionen nach vorn zu denken und zu handeln“, mahnt Gerd Lippold.
Das Treffen am 15. Januar ging zwar eher ohne Ergebnisse aus, auch wenn der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, schon einmal berichtete, dass es für den Strukturwandel in den Bergbauregionen mehr als die schon geplanten 1,5 Milliarden Euro geben werde. Ob es die geforderten 60 Milliarden werden, ist offen. Genaueres wird man wohl erst nach den nächsten beiden Spitzengesprächen im Kanzleramt erfahren.
„Innerhalb der Verhandlungen der Kohlekommission zeichnet sich ab, dass Energiekonzerne ihre Interessen durchsetzen werden und die Abschaltung von Kohlekraftwerken erst weit nach 2020 beginnen wird. Dies wollen wir nicht hinnehmen und fordern einen konsequenten sowie sozialverträglichen schnellen Kohleausstieg“, befürchtet das Bündnis Ende Gelände Leipzig und kündigt schon einmal als Reaktion auf den Abschlussbericht der Kohlekommission am 2. Februar ab 12:30 Uhr eine Demonstration „Hey KoKo – Kohleausstieg jetzt!“ auf dem Kleinen Willy-Brandt-Platz an.
„Unsere Demonstration, beginnend am kleinen Willy-Brandt-Platz, soll unseren Forderungen nach größeren Anstrengungen in der Klimapolitik Nachdruck verleihen“, betont Theresa Berghof für Ende Gelände Leipzig.
Das Ende der Kohleverstromung in Deutschland zeichnet sich längst ab. Im Grunde geht es nur noch um die Frage, was die betroffenen Bundesländer (und ihre dort wirtschaftenden Konzerne) noch an Steuermitteln herausschlagen können und wer als Erster die Meiler ausschalten muss.
„Das baldige Ende der Braunkohle steht bereits fest, Herr Ministerpräsident“, sagt Gerd Lippold. „Mit oder ohne Empfehlung der Kohlekommission. Dafür sorgen bereits die ökonomischen Konsequenzen aus steigenden CO2-Preisen und neuen Emissionsgrenzwerten. Statt an dieser Front mit überholten Argumenten um jeden Tag zu kämpfen, muss sich auch Sachsen endlich konsequent auf die Chancen konzentrieren, die ein geordneter Kohleausstieg mit Unterstützung durch Bund und Länder eröffnet.“
Demo am 2. Februar ab 12:30 Uhr: „Hey KoKo – Kohleausstieg jetzt!“ auf dem Kleinen Willy-Brandt-Platz, Einlader: Ende Gelände Leipzig
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Langsam kann man den Eindruck bekommen das sich zwischen Kohlelobby und einigen Politikern mafiöse Strukturen bilden. Neben tausenden Kohlegegnern bleibt auch die Hoffnung das sich “Ende Gelände” wieder in der Lausitz einfindet wenn die LEAG daran denkt Proschim zu vernichten.