In welcher Welt lebt eigentlich Matthias Haß, „Verwaltungsjurist, Ministerialbeamter und Politiker (CDU)“, wie Wikipedia schreibt, seit 2017 sächsischer Finanzminister? Am Freitag, 4. Januar, machte eine dpa-Meldung die Runde, nach der der hochbezahlte Spitzenbeamte forderte, auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zu verzichten.

„Die Idee, damit bei den Banken zu kassieren, greift viel zu kurz. Die Banken werden sich das am Ende von ihren Kunden bezahlen lassen“, erklärte der Finanzfachmann doch tatsächlich gegenüber dpa, sprach sogar von einem „Rohrkrepierer“. „Die Steuer wird schon lange diskutiert. Es gelingt aber nicht, eine einheitliche Meinung zu finden, weil die Länder alle unterschiedliche Vorstellungen haben, was darunter zu verstehen ist. Jedes Land versucht seine eigenen Besonderheiten einfließen zu lassen“, meinte er noch und servierte dpa damit eine Erklärung, die so nur die halbe Wahrheit enthält. Wenn überhaupt.

Denn dass es in der EU nicht zu einem Konsens kommt, hat eine Menge mit der Lobbyarbeit genau jener (Groß-)Banken und Fondsgesellschaften zu tun, die mit Finanztransaktionen Milliardengeschäfte machen. Dass Deutschland so spät begann, überhaupt einen Vorschlag zu erarbeiten, hat genau damit zu tun. Beim Bankenretten war man schnell dabei – bei der Besteuerung genau jener Geschäfte, die die Finanzmärkte erst so labil machen, hat man aber zehn Jahre lange regelrecht gezögert.

Deutsche Finanzminister waren die eifrigsten beim Bremsen. Erst der französische Vorstoß von Emmanuel Macron hat überhaupt ein bisschen Bewegung in die Sache gebracht. Aber selbst das Mitmachen des deutschen Finanzministers wirkte eher lustlos, als fühlte er sich gezwungen, etwas zu tun, was ihm zutiefst gegen den Strich geht.

In diese Bremserpolitik passt natürlich die Meinungsäußerung des sächsischen Finanzministers, der von seinem Vorgänger eine ebenso rigide Austeritätspolitik geerbt hat wie Olaf Scholz (SPD) in Berlin. Vielleicht war es auch das Ende der milliardenschweren Abzahlung für das Sachsen-LB-Desaster, das Haß jetzt dazu ermunterte, sich zum Fürsprecher unbesteuerter Finanztransaktionen zu machen.

Der normale Sachse besitzt weder Aktien, noch verdient er sein Geld mit solchen Transaktionen. Mit seiner Wortmeldung machte Haß auch deutlich, dass ihn das Wohlergehen des Landes eigentlich nicht interessiert. Er sorgt sich eher um Bankhäuser, die auf den Aktienmärkten ihre Geschäfte treiben. Also doch eher für die Klasse jener Leute, die nicht wissen wohin mit ihrem Geld und damit auf ganz großem Parkett spielen.

Selbst die sächsische SPD schüttelt den Kopf über so viel elitären Snobismus.

„Wir halten an den Plänen einer Finanztransaktionssteuer fest. Der CDU-Finanzminister scheint zu vergessen, dass Sachsen gerade erst die letzten Euros für das sächsische Landesbank-Desaster zurückgezahlt hat. Eine Finanztransaktionssteuer ist gerecht, notwendig und überfällig“, erklärt Henning Homann, Generalsekretär der sächsischen SPD.

Und er erinnert den höhenfliegenden Finanzminister daran, dass seine Wortmeldung mit der Realität der sächsischen Arbeitswelt nichts, aber auch gar nichts zu tun hat.

„Arbeitnehmer, aber auch Handwerker verstehen zu Recht nicht, warum harte Arbeit besteuert wird, aber Spekulationen an den Finanzmärkten nicht“, sagte Homann am Samstag, 5. Januar. „Die Finanztransaktionssteuer ist ein wirksames Mittel gegen die Ungleichheit und zur Zähmung des Raubtierkapitalismus. Die damit verbundene Forderung des Finanzministers, verstärkt auf private Altersvorsorge zu setzen, halte ich für hochgefährlich.

Alle zurückliegenden Versuche in diese Richtung sind gescheitert und nutzen einzig der Versicherungswirtschaft. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Ostdeutschland können sich private Vorsorge schlicht nicht leisten. So verhindert man keine Altersarmut. Der Weg der SPD ist ein anderer. Wir stärken die gesetzliche Rente, dazu stabilisieren wir das Rentenniveau und führen eine Grundrente gegen Altersarmut ein. Damit niemand im Alter auf steigende Börsenkurse hoffen muss, um seine Miete zu bezahlen.“

Was für einen armseligen Vorschlag der deutsche und der französische Außenminister im vergangen Jahr tatsächlich vorgelegt hatten, hat im Juni Attac noch sehr deutlich kritisiert: „Der Vorschlag der beiden Finanzminister, die französische Börsensteuer als Vorlage für Verhandlungen in der EU zu nehmen, steht dazu im krassen Widerspruch. Denn es bedeutet, dass der übergroße Teil des spekulativen Wertpapierhandels von der Finanztransaktionssteuer verschont würde. Der Vorschlag der Finanzminister würde ein Begräbnis dritter Klasse für die Finanztransaktionssteuer bedeuten. Das darf nicht sein. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich in den Verhandlungen auf europäischer Ebene weiterhin für eine Besteuerung aller Finanzprodukte einzusetzen“, sagte damals Detlev von Larcher von Attac.

Und er bezog sich auf eine dieser vollmundigen Verheißungen von Angela Merkel aus dem Jahr 2014, die in den diversen Regierungen von Angela Merkel nie umgesetzt wurden.

Dr. Matthias Haß, Staatsminister der Finanzen. Foto: Pawel Sosnowski
Dr. Matthias Haß, Staatsminister der Finanzen. Foto: Pawel Sosnowski

Am 29. Januar 2014 hatte Angela Merkel gesagt: „Eine Politik, die den Menschen in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt, setzt deshalb alles daran, dass alle, dass die ganze Welt die Lektionen aus dieser damaligen Krise lernt. Eine davon ist und bleibt: Kein Finanzmarktakteur, kein Finanzprodukt und kein Finanzplatz darf ohne angemessene Regulierung bleiben; Finanzakteure müssen durch die Finanztransaktionssteuer zur Verantwortung gezogen werden.“

Das Wort Regulierung darf man dabei nicht überlesen. Es geht nicht darum, wie Haß suggeriert, die Banken und Sparer zu schröpfen, sondern die Finanzgeschäfte von Aktienmaklern und Fonds endlich zu besteuern und das Geldmachen ohne produktiven Gegenwert überhaupt erst einmal zu besteuern.

Und dass die EU-Staaten sich nicht einigen könnten, wie Haß behauptet, stimmt so auch nicht.

Die von zehn EU-Ländern bisher verhandelte Steuer würde bis zu 70 Milliarden Euro erbringen, hatte Attac ausgerechnet. Aber es sind Staaten wie Deutschland und Frankreich, die diesen Kompromiss immer wieder ausbremsen und verhindern und vor allem immer wieder genau das herausverhandeln wollen, was das Allerwichtigste dabei ist.

„Den Handel mit Derivaten von der Besteuerung auszunehmen, ist absurd. Sie machen etwa 90 Prozent des Börsenhandels aus, und mit ihnen findet der hochspekulative, gefährliche, sekundenschnelle Computerhandel statt, den auch die Kanzlerin seinerzeit für dringend regulierungsbedürftig hielt“, sagte im Juni Peter Wahl von der Nichtregierungsorganisation WEED, die der Kampagne der 101 Mitgliedsorganisationen angehört, die für die Einführung der Finanztransaktionssteuer kämpfen. „Der Vorschlag von Scholz, der sich damit dem des französischen Staatspräsidenten Macron anschließt, ist auch unrealistisch, weil es mehrere Euro-Länder gibt, die niemals einer europäischen Steuer zustimmen werden.“

Und Homann wies darauf hin, dass die Finanztransaktionssteuer auch im gültigen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD steht: Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD darauf geeinigt, die Einführung einer substanziellen Finanztransaktionssteuer zum Abschluss zu bringen. Auch wenn er damit eher den völlig ungenügenden Vorschlag von Bundesfinanzminister Scholz (SPD) und seines französischen Amtskollegen Le Maire meint, den er als neuen Anlauf interpretiert, „die Steuer europaweit einzuführen.“

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