Schon am 26. November versuchte Agrarminister Schmidt das Desaster in den sächsischen Wäldern in diesem Jahr mit Zahlen auf den Punkt zu bringen. Am 14. Dezember gab es dann eine Landtagsdebatte, in der ihm gehörig der Kopf gewaschen wurde – nicht für seine Waldpolitik, sondern für seine völlig fehlende Klimaschutzpolitik. Denn beides gehört zusammen. So ein Jahr wie 2018 kann sich in Sachsens Wald jederzeit wiederholen.
Weshalb Agrarminister Thomas Schmidt (CDU) in seiner Meldung zumindest betonen ließ: Die Anpassung der Wälder an den Klimawandel bleibt das wichtigste forstpolitische Ziel in Sachsen. Nur so sei es möglich, Extremschäden in den Wäldern vorzubeugen.
Wobei vorbeugen an der Stelle das falsche Wort ist. Dazu hätte der Waldumbau vor 30 Jahren beginnen müssen.
„Das Jahr 2018 war für unsere Wälder und die Forstwirtschaft das schwierigste Jahr seit der Wiedervereinigung. Die Sturmtiefs ‚Herwart‘, ‚Friederike‘ und ‚Fabienne‘, Trockenheit und Hitze sowie ein massiver Borkenkäferbefall haben Waldeigentümer, Förster, Waldarbeiter, Mitarbeiter der Verwaltungen, Wissenschaftler und Jäger vor enorme Herausforderungen gestellt“, erklärte Thomas Schmidt in seiner Rede zur Eröffnung des 14. Forstpolitischen Forums in Wermsdorf am 26. November.
„Sachsens Forstwirtschaft muss dabei keineswegs einen komplett neuen Kurs einschlagen. Mit der seit der Wende laufenden Waldmehrung, dem Waldumbau, der Waldkalkung, mit Beratungsangeboten für Waldbesitzer, Erleichterungen bei der Jagd, unseren wald- und umweltpädagogischen Angeboten sowie der verstärkten Förderung von Forstbetriebsgemeinschaften hat Sachsen die Weichen richtig gestellt.
Ziel sind stabile, arten- und strukturreiche, leistungsfähige Mischwälder, die Erschließung und Nutzung auch kleiner Privatwaldflächen sowie nicht zuletzt eine informierte Bevölkerung. Diese strategischen Ziele sind nach wie vor aktuell und festgeschrieben in unserer Waldstrategie 2050.“
Doch die Bilanz für 2018 erzählt nicht davon, dass Sachsen beim klimagerechten Waldumbau schnell genug vorankommt. Im Gegenteil. Augenscheinlich sorgen jetzt Stürme dafür, dass es schneller geht.
Die Zahlen: Die Sturmschäden von „Herwart“, „Friederike“ und „Fabienne“ betragen rund 2,7 Millionen Kubikmeter Schadholz, die die reguläre jährliche Nutzungsmenge in Sachsen deutlich übersteigen. Im Staatswald waren im November mehr als 90 Prozent und im Privat- und Körperschaftswald rund zwei Drittel aufgearbeitet.
Auch im kommenden Jahr sei eine angespannte Lage in der Forstwirtschaft zu erwarten, so der Minister. Denn nach den Stürmen kam ja der regenlose Sommer. Die extreme Trockenheit habe deshalb für die höchsten je aufgezeichneten Borkenkäferschäden gesorgt, so der Minister. Im Jahr 2019 könnte daraus eine Million Kubikmeter Schadholz entstehen. In weiteren Bundesländern sowie den Nachbarstaaten Tschechien und Polen sei die Situation ähnlich.
„Auch wenn es deshalb zu einem weiteren Verfall der Holzpreise kommt, führt kein Weg daran vorbei, jeden befallenen Baum schnellstmöglich zu fällen, aufzuarbeiten und abzufahren“, so Schmidt. „Das ist bei vielen Millionen potenziell als Brutraum tauglichen Fichten und bei bis zu drei Käfergenerationen in diesem Jahr ein Wettlauf, der kaum zu gewinnen ist. Und doch gibt es keine Alternative. Ich danke allen Waldbesitzern, Waldarbeitern und Forstunternehmern, die sich hier engagiert haben und weiter engagieren, um das Schadholz zügig zu beräumen.“
Man darf nur nicht vergessen: Die Borkenkäfer sind nicht Ursache der Probleme in den dominierenden Monokulturen, sondern die Folge. Sie freuen sich über das Große Fressen. Aber wirklich bis in die Wahrnehmung der Regierungsebene hat das Ganze nicht gefunden. Man fokussiert sich auf die Schadensbeseitigung, die man sich auch richtig Geld kosten lassen will. Ein ambitioniertes Umbauprogramm – Fehlanzeige.
Und so ähneln sich die Aussagen.
Am 27. November freute sich der agrarpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Andreas Heinz: „Wichtig ist jetzt, dass die vom Borkenkäfer befallenen Bäume aufgearbeitet und aus dem Wald abtransportiert werden. Nur so kann der massenhafte Befall weiterer Bäume eingedämmt werden. Eine zentrale Holzlagerung dient dabei auch der Marktregulierung. Wir wollen im Doppelhaushalt für die Bewältigung dieser Katastrophe, für notwendige Nachpflanzungen sowie zur Reduzierung der Holzpreisverluste zusätzlich 40 Millionen Euro zur Verfügung stellen.
Der zu erwartende Mehrbedarf soll über das Sondervermögen ‚Beseitigung Schadensfolgen Extremwettereignisse – Forst‘ abgesichert werden. Berücksichtigt wird dabei nicht nur der Staatsbetrieb Sachsenforst, sondern ebenso die sächsischen Privat- und Körperschaftswaldbesitzer.“
Am 14. Dezember war dann zwar aktuelle Stunde im Landtag. Aber danach lautete die Wortmeldung ganz ähnlich.
Diesmal von Volkmar Winkler, Sprecher für Land- und Forstwirtschaft der SPD-Fraktion: „Heftige Stürme, extreme Trockenheit und Borkenkäfer haben Sachsens Wälder in den vergangenen Monaten zugesetzt wie nie“, so Volkmar Winkler.
„Der geschätzte Schaden allein durch die Stürme wird auf etwa 80 Millionen Euro geschätzt. Weitere 20 Millionen Euro Schaden verursachten bis jetzt die Schädlinge. Rund 8,5 Millionen Euro Schaden ist durch den Verlust an Jungpflanzen entstanden. Da ist es nur logisch, dass wir als Koalition reagieren und den Waldbesitzern unter die Arme greifen. Im gerade beschlossenen Haushalt haben wir dafür rund 40 Millionen Euro bereitgestellt.“
Zumindest stellte er da mal die eigentlich entscheidende Frage: „Was können wir tun, um in Zukunft unsere Wälder gegen solche Extremereignisse zu wappnen? Da gibt es nur einen Weg: Wir müssen in absehbarer Zeit, also in den nächsten Jahren, zu robusten Mischwäldern kommen. Wir brauchen Bäume, die anders als Fichten mit Trockenheit, Sturm und Insekten umgehen können. Der Waldumbau muss weitergehen.“
Recht hat er.
Öffentlich die Leviten gelesen für den nicht gar so tatenfreudigen Agrarminister hat dafür Wolfram Günther, Vorsitzender und umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion.
„Der Dürresommer und die hohen Borkenkäferanzahlen haben immense Auswirkungen auf Waldbesitzer. Aber worin besteht der Mehrwert dieser Debatte der Koalition für Waldbesitzer?“, fragte er.
„Die Ursache für diese Extremwetterereignisse ist der menschengemachte Klimawandel. Wesentliche Gründe sind die hohen Kohlendioxid-Emissionen aus der Braunkohleverstromung, auf einen vom Verbrennungsmotor abhängigen Verkehrssektor und eine energieintensive industrialisierte Landwirtschaft. Deshalb werden sich solche Extreme immer häufiger wiederholen. Wir brauchen endlich eine engagierte Klimaschutzpolitik in Sachsen, die seit Jahren weder CDU noch SPD angehen. Mit dieser Politik des Stillstands von CDU und SPD wird sich die Klimakrise weiter verschärfen.“
Aber statt Klimaschutzpolitik kämpft Sachsens Regierung ja bekanntlich dafür, die Kohlekraftwerke noch bis 2042 laufen zu lassen. Was schlicht schizophren ist – man kann nicht einerseits die massiven Schäden für die Wälder bejammern und andererseits gerade an der Technologie festhalten, die den größten Beitrag zur Klimaerwärmung beisteuert. Mit Vernunft hat das nichts zu tun. Mit Verantwortung auch nicht.
Und wie geht der Wald damit um?
Wolfram Günther: „Fichten wurden häufig nicht auf ihren natürlichen Standorten angepflanzt. Die Natur reagiert schnell und versucht sich zu bereinigen. Gäbe es gesunde vielfältige Mischwälder, gäbe es nicht diese massiven Probleme im sächsischen Wald. Gesunde Mischwälder sind wesentlich widerstandsfähiger und besser für Extremwetterereignisse vorbereitet. Wir Grüne wollen mehr Energie in den Waldumbau hin zu vielfältigen Mischwäldern in Sachsen stecken.
Der Waldumbau muss eine Daueraufgabe der Staatsregierung sein und nicht erst dann zum Trendthema werden, wenn ein Dürresommer über das Land kommt. Nur so schaffen wir es, dass unsere Wälder in Sachsen auf Extremwettereignisse eingestellt sind. Nur mit einem dauerhaften Waldumbau stabilisiert sich der Holzmarkt und ist den Waldbesitzern konkret geholfen. Scheindebatten der Koalition zum Wald helfen den Waldbesitzern keinen Millimeter weiter.“
Und was sagt der Waldbesitzerverband dazu? Der hatte schon im August zu drastischen Worten gegriffen: „Angesichts dieser bisher einmaligen Kombination verschiedenster Schadereignisse, die allesamt auf die Folgen von Klimaveränderungen und Witterungsextremen zurückgeführt werden können, muss von einer Jahrhundertkatastrophe im deutschen und insbesondere im sächsischen Wald gesprochen werden.
Eine Gesamtschadenssumme von ca. 110 Mio. Euro in diesem Jahr und voraussichtlich zusätzliche Langfristschäden von 150 Millionen Euro bilden eine noch nie dagewesene Last für die privaten und körperschaftlichen Waldbesitzer sowie den Staatswald im Freistaat Sachsen.“
Schon da formulierte man die finanzielle Forderung an den Freistaat, die nun auch gewährt wurde.
Nur mit dem Wörtchen „Jahrhundertkatastrophe“ liegt man wohl falsch. Denn die Stressfaktoren, die Sachsens Wälder 2018 erlebten, werden künftig gehäuft auftreten. Der Klimawandel geht wesentlich schneller voran als der Waldumbau. Das ist das eigentliche Dilemma.
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