Der Tagebau Profen soll noch bis 2035 laufen, Schleenhain, Nochten und Reichwalde noch bis 2042 โ im Sรคchsischen Oberbergamt ticken die Uhren anders, gibt es keine Diskussionen um deutsche Klimaschutzziele, um den absehbaren Kohleausstieg oder die Energiewende. Hier setzt man auf Kohle und tut einfach so, als hรคtte sich drauรen in der Welt nichts geรคndert, und gewรคhrt den Bergbaubetreibern im Land gnรคdig Restlaufzeiten bis ins ferne Jahr 2042. Ein Wahnsinn mit Methode.
โDiese Vereinbarungen sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. Sie stammen aus einer Parallelwelt, in der es weder Klimaschutzabkommen noch eine fortgeschrittene Diskussion um den nationalen Kohleausstieg gibtโ, erklรคrt Dr. Gerd Lippold, energie- und klimapolitischer Sprecher der Fraktion Bรผndnis 90/Die Grรผnen im Sรคchsischen Landtag, zur Unterzeichnung von โVorsorgevereinbarungenโ zwischen dem Freistaat Sachsen und den Braunkohleunternehmen LEAG und MIBRAG.
โDiese รbereinkunft setzt voraus, dass der in der Kohlekommission diskutierte Kohleausstieg scheitert und der nationale Klimaschutz auch bis zum Jahr 2030 nicht in Gang kommt. Der Freistaat und die Braunkohleunternehmen tun so, als ob die Kohleunternehmen ihre eigenen Abbauplรคne vollumfรคnglich umsetzen kรถnnten. Einschlieรlich aller kรผnftigen Betriebsplangenehmigungen, Genehmigungen fรผr neue Abbaufelder und Abbaggerung weiterer Dรถrfer, die รผberhaupt nicht vorliegen und aller Voraussicht nach auch nie vorliegen werden.โ
โWenn vernรผnftige Leute einen Vertrag miteinander schlieรen, dann gehen sie davon aus, dass dieser Vertrag eingehalten werden soll und kann. Und dass sich beide Seiten daran halten werdenโ, betont Lippold. โBeim Wirtschaftsminister Martin Dulig unterstehendem sรคchsischen Oberbergamt ist das offenbar anders. Dort schlieรt man nun Vertrรคge, die รผberhaupt nur dann Sinn machen, wenn Deutschland Vรถlkerrecht missachtet und wenn nationaler Klimaschutz krachend scheitert. Welches Spiel spielt der Wirtschaftsminister?โ
Zuweilen hat man ja das Gefรผhl, der Wirtschaftsminister hat mit der Kohle in Sachsen gar nichts zu tun. Die entscheidenden Verlautbarungen stammen alle vom CDU-Ministerprรคsidenten, der mit seinen Amtskollegen in Magdeburg und Potsdam vehement dagegen kรคmpft, dass vor 2040 auch nur ein einziger Kohlemeiler vom Netz geht.
Was nicht nur wirtschaftlich nicht begrรผndbar ist. Der immer grรถรere Teil dieses Kohlestroms wird in Deutschland gar nicht mehr gebraucht, weil er lรคngst durch Wind- und Solarstrom kompensiert ist.
Und was die Leipziger Stadtwerke jetzt mit ihrem Kohleausstieg bis 2023 vormachen, ist auch ein gangbarer Weg fรผr alle anderen Kommunen. Der Umstieg auf weniger klimaschรคdliche Technologien ist schon jetzt problemlos machbar. Gerade das Industrieland Deutschland ist in der Lage, den Ausstieg zeitnah und technisch belastbar zu vollziehen โ und damit auch endlich die Belastung der Erdatmosphรคre mit Millionen Tonnen CO2 zumindest zu mindern. Noch ist auch Deutschland lange nicht bei Null-Emissionen.
Aber gegen alle Notwendigkeiten, gegen jede Vernunft und jede Verantwortung gegen kรผnftige Generationen beharrt auch das Oberbergamt unter Bernard Cramer auf einer Kohlepolitik, die aus dem 20. Jahrhundert stammt und heute weltweit ihre fatalen Folgen zeigt. Und mit diesen โVorsorgevereinbarungenโ sorgt auch das Oberbergamt nicht wirklich vor. Denn diese โVorsorgenโ sollen ja belastbar erst ab 2021 beginnen und erst 2042 ihren vollen Umfang erreichen.
Man bindet die Vorsorgen also regelrecht an eine Laufzeitgarantie bis 2042, egal, wie schlimm diese Verbrennung von Millionen Tonnen Kohle fรผr die Erdatmosphรคre ist. Wer aber bezahlt das, wenn die Bundesregierung aus gutem Grund ein Abschalten aller Kohlekraftwerke vor 2030 beschlieรt?
โEs geht hier nicht um Peanuts, sondern um Milliarden, die nach geltendem Recht die Unternehmen fรผr die Beseitigung der Tagebaufolgen zu zahlen habenโ, betont Lippold. Denn um diese Vorsorgesicherung fรผr die kรผnftige Wiederherstellung der zerstรถrten Landschaften zu sichern, braucht es keine Extra-Vertrรคge. Dazu sind die Bergbaukonzerne schon durch die Tagebaugenehmigung verpflichtet. Aber Sachsens Regierung tut gerade so, als kรถnnte man den tschechischen Mutterkonzern EPH einfach aus dieser gesetzlichen Verantwortung entlassen.
Lippold: โDie Vereinbarungen sind eine energie- und klimapolitische Erpressung zur Fortsetzung bisheriger Geschรคftsmodelle von LEAG und MIBRAG, weil sie einen politischen Rahmen voraussetzen, der mit zukunftsfรคhiger Energie- und Klimapolitik unvereinbar ist. Sachsens Bergbehรถrde dokumentiert hier in einem amtlichen Dokument erneut ihre vollstรคndige Realitรคtsverweigerung.โ

Wo bleiben diese Renaturierungskosten also hรคngen, wenn die Tagebaue schon weit vor 2042 stillgelegt werden mรผssen?
Da bleibt ja dann nur noch der Steuerzahler, der dann wieder bezahlen muss, was die Bergbauunternehmen an zerstรถrter Landschaft hinterlassen haben.
Nach den jetzt vom Oberbergamt vorgelegten Plรคnen: 1,5 Milliarden Euro. Nach Preisen von 2018.
โAuch gegen die Einschรคtzung und die Diskussion der daraus resultierenden Risiken durch Parlament und รffentlichkeit wรคhlt Duligs Behรถrde bewรคhrte Mittel: die Geheimhaltung aller relevanten Daten und Richtlinien zur Ansammlung und Anlage des Vorsorgevermรถgensโ, kritisiert Lippold.
Wie will Martin Dulig als SPD-Vorsitzender eigentlich รผberhaupt noch Profil gewinnen bis zur nรคchsten Wahl, wenn er selbst bei so einem Thema die geheime Kabinettspolitik wรคhlt und mit privaten Konzernen hinter verschlossenen Tรผren Deals aushandeln lรคsst, die so offensichtlich gegen das Interesse der Gesellschaft verstoรen?
โBereits im letzten Jahr war ein Sonderbericht des Sรคchsischen Rechnungshofs, der sich mit den Risiken aus Bergbaufolgekosten befasste, in Gรคnze als โGeheimโ eingestuft wordenโ, kritisiert Lippold. โHier nun schlieรt der Freistaat einen รถffentlich-rechtlichen Vertrag, in dem explizit bestimmt wird, dass alle wichtigen Daten die รffentlichkeit und damit auch das Parlament nichts angehen. Das ist ein wirklicher Skandal, den Kohlefreund Martin Dulig zu verantworten hat.โ
Das ist ganz offensichtlich die alte Kabinettspolitik, intransparent, gegen das berechtigte Interesse der รffentlichkeit gerichtet, die vom Wรคhler schon lange nicht mehr honoriert wird.
Pinka: Die Vorsorgevereinbarungen fรผr Sachsens Tagebaue sind rechtlich fragwรผrdig
Pinka: Die Vorsorgevereinbarungen fรผr Sachsens Tagebaue sind rechtlich fragwรผrdig
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Es gibt 2 Kommentare
Oder hat jemand eine bessere Erklรคrung? Denn das diese Vertrรคge nie erfรผllt werden kรถnnen und deshalb fรผr uns alle richtig teuer werden, weiร sogar jeder SPD-Politiker schon heute.
Da wartet doch sicher schon ein super dotierter Beratervertrag bei einer EPH-Tochter auf Martin D. nach der nรคchsten Wahl, wenn die SPD dann unter 5% ist.