Sachsen ist ein seltsames Land. Ein altes Land, das auch sehr alt denkt. Das wurde selbst an der Korrektur zur Bildungsfinanzierung sichtbar, die im Rahmen des Doppelhaushalts in der vergangenen Woche beschlossen wurde. Denn was sich Kultusminister Piwarz als Rettung ausmalt, wenn er tausende Lehrer verbeamtet, wird mal wieder sehr teuer – löst aber die Probleme im Schulwesen nicht. Selbst der Landeselternrat schüttelt den Kopf.

Der Landeselternrat zeigte sich nach der Beschlussfassung im Sächsischen Landtag zwar hocherfreut, dass das Land Sachsen endlich bereit ist, Geld für die Bildung unserer Kinder in die Hand zu nehmen. Aber es ist aus seiner Sicht wieder sehr viel Geld – an der falschen Stelle.

„Was hätte man mit dem Geld alles machen können?“, fragte am 13. Dezember Michael Gehrhardt, der Landeselternratsvorsitzende. „Was an schulischer Ausstattung, Lehr- und Bildungsunterstützung für Lehrer und Schüler bereitstellen können?“

Den Beschluss des Sächsischen Landtags, das 1,7 Milliarden Euro-Bildungspaket vorrangig für die Lehrerverbeamtung (bis 42 Jahre) auszugeben, werde aber von den Eltern kritisch gesehen. „Die Erfahrungen haben gezeigt, dass Geld allein als Motivation zum ‚Lehrer werden in Sachsen‘ nicht reicht“, stellte Gehrhardt fest. „Eine nicht unerheblich hohe Zahl von Lehramtsstudenten kehrt nach dem erfolgreichen Studium in Sachsen selbigen den Rücken zu.“

Es stelle sich weiterhin die Frage, ob tatsächlich mehr Lehrer nach Sachsen kommen oder in Wahrheit unsere Lehrer nur die Schulart innerhalb Sachsens wechseln werden, so Gehrhardt. „Die genauen Zahlen sollten auch uns Eltern vorgelegt werden.“

Dabei hat die CDU/SPD-Koalition tatsächlich sehr viel Geld eingeplant für die Bildung.

Juliane Pfeil Zabel, familienpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, nannte die Zahlen.

„2,3 von 4,1 Milliarden Euro sind im Kultusetat durch Personalausgaben für Lehrkräfte gebunden. Eine stolze Summe, hinter der sich 30.400 Stellen für Lehrerinnen und Lehrer verbergen. Und eine Zahl, die wir im Laufe der Legislatur um 2.900 gesteigert haben. Wer in Qualität der Bildung investieren will, wer unseren Kindern und Lehrern Zeit geben möchte, der muss eben auch mehr Personal anstellen.“

Mit dem letzten Satz hat sie auf jeden Fall recht. Nur darf man nicht vergessen, dass Sachsens Regierung trotzdem zu wenige Lehrer/-innen eingestellt hat. In der Zeit vor der CDU/SPD-Koalition massiv und leider auch noch danach.

Denn das war ja der Grund für den Rücktritt von Kultusministerin Brunhild Kurth: Alle ihre Notfallpakete konnten nicht kaschieren, dass es ihr nicht mehr gelang, auch nur die ausgeschriebenen Stellen zu besetzen – und das, obwohl Sachsen schon so massiv wie kein anders Bundesland auf Seiteneinsteiger zurückgegriffen hat. Und das sogar noch zu einer Zeit, als man immer noch hunderte Bewerbungen ausgebildeter Pädagogen ablehnte, weil deren Profil nicht zu den Wünschen des Kultusministeriums passte.

Und nach wie vor verlassen hunderte in Sachsen ausgebildete junge Pädagogen das Land. Nicht unbedingt der Bezahlung wegen, auch wenn die in vielen Ländern besser ist. Aber die Arbeitsbedingungen im seit Jahren auf Überlast fahrenden Schulwesen sind mittlerweile so deprimierend, dass junge Leute auch mit Geld nicht gelockt werden können, die Folgen einer eisigen Schulpolitik auszubaden.

Und die geniale Idee der Staatsregierung war ja dann: Dann verbeamten wir eben die jüngeren Lehrer. Das wird sie doch nach Sachsen locken.

Der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Lothar Bienst, schwärmte am 11. Dezember ja wieder von dieser neuen Idee, wie man die selbst verbockte Misere lösen werde: „Mit Blick auf die aktuelle Situation auf dem deutschen Lehrermarkt haben wir heute richtig entschieden, die Verbeamtung in Sachsen einzuführen. Jetzt haben wir die Chance, unsere Bildungslandschaft noch attraktiver zu gestalten. Wir geben jungen Lehrern zusätzliche Anreize, hier in Sachsen zu bleiben. Denn endlich können wir dieselben finanziellen Rahmenbedingungen bieten, wie andere Bundesländer auch.“

Dass aber Geld und Lebensstellung vielleicht doch nicht so tolle Magneten sind, das scheint ihn denn doch zu beschäftigen.

„Wichtig ist für uns auch die vom Kabinett beschlossene Evaluation dieser Maßnahme im Jahr 2021. Es wäre fatal und unverantwortlich, wenn sich der neue Sächsische Landtag in der nächsten Legislatur nicht erneut mit diesem Thema befassen würde“, so Bienst. „Alle jungen Menschen, die den wichtigen Lehrerberuf ergreifen wollen, erwarten zu Recht von der Politik ein klares Signal und damit zu ihren Perspektiven – vor Ablauf der jetzt geltenden Befristung bis zum Jahresende 2023.“

Eine aber glaubt nicht die Bohne daran, dass man mit der Lehrerverbeamtung die jungen Pädagogen in Sachsen halten kann oder gar dazu verlockt, hierher zu kommen.

„Mit diesem Haushalt ist keine Weiterentwicklung der Schule möglich“, stellt die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Cornelia Falken, fest. „CDU und SPD packen viel Geld in den Generationenfonds, um eines Tages die horrenden Folgekosten der Verbeamtung abfangen zu können. Gleichzeitig werden ältere Lehrkräfte mit einer mageren Zulage abgespeist, die den Einkommensabstand zu ihren verbeamteten Kolleginnen und Kollegen kaum verringert. Die Folge sind Ungerechtigkeit und Demotivation. Wir haben beantragt, stattdessen eine angemessene Ausgleichszahlung zu leisten.“

Lehrerinnen und Lehrer sollen ja selbst Motivationskünstler sein. Aber sie müssen in Sachsen in einem dysfunktionalen System mit seit Jahren viel zu wenigen Kolleg/-innen arbeiten, eingespannt in einen starren Lehrplan, der keine Freiräume zur Vertiefung des Stoffes bietet …

Und wer meinte, dass auch die SPD einfach triumphiert, der sah sich in der Landtagsrede von Sabine Friedel, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, am 11. Dezember eines anderen belehrt. Sie benutze für die Beamtenregelung schlicht das Wort Notwehr.

Der wesentliche Ausschnitt aus ihrer Rede:

„Das aus meiner Sicht wichtigste und wertvollste Signal dieses Handlungsprogramms ist: Sachsen wird von nun an alle Lehrkräfte in allen Schularten gleich bezahlen. Vorbei sind die Zeiten, in denen Grundschullehrer als Lehrer zweiter Klasse galten, die ja nur singen und basteln. Und vorbei ist die Zeit, wo man per Lohnzettel (und Bildungsempfehlung) signalisierte, dass das Gymnasium die einzig glückselig machende Schulform ist. Wir müssen uns über den besonderen Mangel an Grund- und Oberschullehrern, den wir heute haben, nicht wundern, denn jahrzehntelang haben wir mit der unterschiedlichen Vergütung den jungen Menschen signalisiert: Macht Gymnasiallehramt, das ist uns am meisten wert. Das wird sich ändern.

Dass wir diesen Schritt erst heute machen und nicht schon eher gemacht haben, ärgert mich im Nachhinein. Ich ärgere mich, dass ich 2016 bei den Verhandlungen zum Lehrermaßnahmepaket den Belehrungen und Beteuerungen der Ministerien, wir könnten die Grundschullehrer aus rechtlichen Gründen nicht in die E13 holen, auf den Leim gegangen bin. Weil ich mich damals im Beamten- und Tarifrecht noch nicht gut genug auskannte, um dagegenzuhalten. Das war ein Fehler. Aber immerhin ist dabei wenigstens das verringerte Pflichtstundenmaß für die Grundschullehrer herausgekommen. Trotzdem: Der Fehler passiert mir nicht noch mal. Ich habe schon oft an diesem Pult gestanden und gesagt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und E13 für alle Lehrkräfte ist der beste Beweis dafür, dass das stimmt.

Ab 2019 signalisiert Sachsen: Alle Lehrkräfte sind uns wichtig. Der Anfangsunterricht für Siebenjährige und die Vorbereitung von Sechzehn- oder Achtzehnjährigen auf ihren Realschul- oder Gymnasialabschluss sind natürlich inhaltlich enorm unterschiedlich. Aber die pädagogische Arbeit, die hier geleistet wird, ist in beiden Fällen herausfordernd und vor allem: Sie ist gleichwertig. Das macht Sachsen von nun an deutlich und nimmt damit bundesweit eine Vorreiterrolle ein, auf die wir sehr stolz sind.

Das Gegenteil von Vorreiter, von vorausgehen ist Nachzügler, hinterherlaufen. Das wird Sachsen mit diesem Artikelgesetz in einem anderen Punkt tun: Wir laufen den anderen Bundesländern hinterher und werden ab dem nächsten Jahr ebenfalls unsere Lehrkräfte im Beamtenverhältnis beschäftigen. Ich kann diese Entscheidung nachvollziehen. Wir verbeamten quasi aus Notwehr, weil alle anderen es auch tun. Aber glücklich bin ich mit dieser Entscheidung nicht.

Nicht, weil ich Lehrkräfte nicht leiden kann und ihnen die Privilegien eines Beamtenverhältnisses nicht gönne. Sondern weil das Beamtenverhältnis für unseren Staat so teuer ist und unsere Gesellschaft auseinandertreibt. Beamte zahlen weder in die gesetzliche Krankenversicherung noch in die Rentenkasse ein. Fast eine Million Lehrkräfte sind das bundesweit. Das schwächt unser solidarisches Sozialsystem enorm. Dieses gleiche Ungerechtigkeitsempfinden, das wir jetzt wahrnehmen von den nicht-verbeamtungsfähigen Lehrkräften, das besteht doch im Rest der Gesellschaft auch!

Es hat seinen guten Grund, dass der Bund mit seinem Beamtengesetz ganz eng festgelegt hat: Verbeamtet werden soll nur, wessen Arbeit aufgrund ihrer besonderen Funktion im Staat eben nicht im Angestelltenverhältnis ausgeführt werden kann – also Polizisten, Richter oder Justizvollzugsbedienstete. Und Sachsens Lehrer haben 28 Jahre lang bewiesen, dass sie im Angestelltenverhältnis eine hervorragende Arbeit leisten können. Mit Spitzenplätzen in Bildungsvergleichen.

Der Beamtenstatus schwächt nicht nur unsere Sozialsysteme, sondern auch unseren sächsischen Haushalt. Weil der Freistaat Sachsen vernünftigerweise eine Pensionslastenvorsorge betreibt, sind verbeamtete Lehrkräfte auch im laufenden Haushalt teuer. Die Beschäftigung eines verbeamteten Lehrers kostet Sachsen pro Jahr 17.000 Euro mehr als die eines angestellten Lehrers. Nun kann man sich hinstellen und sagen, das muss uns Bildung wert sein. Das sind schöne Worte. Aber man kann auch mal nachdenken und sagen: Moment mal: 17.000 Euro mehr pro Jahr. Das heißt, ich kann vom gleichen Geld entweder fünf Beamte oder sechs Angestellte bezahlen! Und das ist doch die Richtung, in die wir künftig gehen müssen.

Wir wissen, dass Unterricht besser funktioniert, wenn in einer Klasse zwei Lehrkräfte sind und die Schüler so individuell gefördert werden. Wir wissen, dass unsere Klassenlehrer eine extra Stunde brauchen, um all die organisatorischen Aufgaben zu bewältigen, die ihr Amt mit sich bringt. Wir wissen, dass es mit einem Pflichtstundenmaß von 26 Wochenstunden unmöglich ist, jede einzelne Stunde so vorzubereiten, dass sie allen Schülern Spaß macht und die Lernfreude anregt.

Und dass Lehrkräfte deshalb mehr Vor- und Nachbereitungszeit brauchen. Und wir wissen, dass die Ausdünnung des Schulnetzes im ländlichen Raum vor zehn Jahren ein großer Fehler war – nicht nur mit Blick auf die Schülerinnen und Schüler, sondern auch mit Blick auf die Entwicklung unserer Dörfer und Landkreise. Und dass wir deshalb mehr Lehrkräfte brauchen, um wieder neue Schulen auf dem Land eröffnen zu können.

Aus all diesen Gründen muss es uns in den kommenden Jahren gelingen, mehr und mehr Lehrkräfte einzustellen und die auch zu finanzieren. Und da ist es natürlich vernünftiger, wenn ich vom gleichen Geld sechs statt fünf Lehrkräfte einstellen kann. Und für die Lehrkräfte selbst sogar noch attraktiver, weil sich mit einer Klassenleiterstunde, mit weniger Pflichtstunden, mit einer zweiten Kraft im Unterricht und mit kurzen Wegen zur Schule ihre Arbeitsbedingungen in einer Art und Weise verbessern, die mit Geld gar nicht aufzuwiegen ist!“

Womit sie das ganze Dilemma recht anschaulich auf den Punkt gebracht hat. Die miserablen Lösungen anderer Bundesländer abzukupfern kann nicht die Lösung sein. Im Gegenteil, sagt Friedel.

„Aus diesem Grund muss es uns in den nächsten Jahren gelingen, eine bundesweit neue Antwort auf das Problem des Lehrermangels zu finden. Die Kultusminister der Länder diskutieren gerade über einen Bildungsstaatsvertrag. Ich sage: Eine der wichtigsten Vereinbarungen, die wir bundesweit treffen müssen, ist, den Verbeamtungswettbewerb der Länder zu stoppen und stattdessen die inhaltliche Qualität der Schule weiterzuentwickeln. Nur so werden wir es schaffen, die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte und die Unterrichtsbedingungen für unsere Schüler dauerhaft zu verbessern. Mit der Befristung der Verbeamtung haben Sie, Herr Piwarz, fünf Jahre Zeit für dieses Projekt – und all unsere Unterstützung.“

Falls „Herr Piwarz“ nach der Landtagswahl 2019 noch im Amt bleibt und Sachsen nicht endgültig die Wahl-Zeche zahlt für ein regierungsamtliches Versagen auf zentralen Handlungsfeldern.

Interview von Eva-Maria Stange zu Sachsens Hochschulen wirkt wie die Satire auf die tatsächliche Hochschulpolitik

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