Sachsen ist ein seltsames Land. Ein Bundesland, in dem provinzielles Denken dominiert. Nicht ganz zufällig. Denn dass es in Sachsen so viele eigene Zweckgesellschaften, Verkehrsverbünde, Planungsverbände und Kommunale Foren gibt, hat mit der lange Zeit geübten Teile-und-Herrsche-Politik zu tun. Das hat die Landräte stark gemacht und konservative Politik lange gestärkt. Aber wenn es um zukunftsfähige Lösungen geht, wird es zum Bremsklotz. Und verärgert die Bürger zu Recht.
Das aktuellste Beispiel, in dem es Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) einmal drauf ankommen ließ, ist die von ihm geplante Nahverkehrsgesellschaft, die wenigstens einen Teil dessen umsetzen soll, was SPD und CDU 2014 in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben hatten. Doch es kommt nicht zur Umsetzung, weil auch und gerade der Nah- und Regionalverkehr in Sachsen zu einem der letzten Entscheidungsspielräume der Landräte geworden sind.
Man muss den Fokus immer weiten und muss immer sehen, wie eng die Staatsregierung Landkreise und Großstädte an der finanziellen Kandare führt. Und auch bei der Verkehrsförderung immer geführt hat. Die Bevormundung auf der einen Seite bedingt die Selbstbehauptung auf der anderen. Das gehört zusammen.
Dass Sachsen ein Bundesland ist, in dem die Probleme der ländlichen Regionen besonders krass zum Ausdruck kommen, ist direkte Folge dieser Austeritätspolitik, die Schuldenmachen immer verdammt hat und alle Kommunen auch dann noch zum Schuldenabbau verdonnert hat, als eigentlich Spielräume für wichtige Investitionen längst da waren. Auch und gerade in den Regional- und Nahverkehr.
Als Martin Dulig mit der Idee für eine Landesverkehrsgesellschaft vorpreschte, um wenigstens solche Dinge wie das lang versprochene Bildungsticket endlich umzusetzen, erntete er öffentlichen Gegenwind – nicht nur von den Landräten, die er dabei sehr harsch kritisierte, sondern auch von Wirtschaftsverbänden und CDU.
Zuletzt verteidigte er sein Vorgehen noch einmal mit einer öffentlichen Stellungnahme, was innerhalb der sächsischen Regierungspolitik ein Novum war. Zeichen dafür, wie schwer es der SPD in der Regierung fällt, ihre Projekte überhaupt noch öffentlich zu thematisieren.
SPD-Generalsekretär Henning Homann springt Dulig nun zur Seite und fordert die CDU-Sachsen, die sich gegen ein ganzheitliches Verkehrskonzept für den Freistaat sträubt, zum Umdenken auf: „Sachsen braucht eine Landesverkehrsgesellschaft, die die Kleinstaaterei der Verkehrszweckverbände in Sachsen überwindet und die Umsetzung des Sachsentarifs mit einheitlichen und modernen Vertriebsstrukturen ermöglicht.
Die Verbändegrenzen wirken nicht selten wie gläserne Mauern zwischen den Regionen. Für die Entwicklung des Freistaats Sachsen ist es dagegen von zentraler Bedeutung, dass wir unsere wachsenden Metropolen, die Speckgürtel und den ländlichen Raum bestmöglich vernetzen. So können möglichst viele Menschen von deren wirtschaftlicher Dynamik profitieren. Die Gründung einer Landesverkehrsgesellschaft ist ein zentraler Baustein einer ganzheitlichen Landesentwicklung, von der die Menschen in ganz Sachsen profitieren, deshalb sollte die CDU sich dem Vorschlag von Verkehrsminister Martin Dulig nicht länger verschließen“, so Homann am Montag in Dresden.
Mit Blick auf den Streit um das Bildungsticket betont Homann: „Ein Bildungsticket für Schüler und Azubis ist eines der zentralen SPD-Projekte in dieser Legislatur. Dass die Landräte es blockieren, ist nicht akzeptabel. Das Bus- und Bahnsystem in Sachsen braucht einen großen Schritt mit einem Sachsentarif, Plus-Bussen, modernen Vertriebsstrukturen und einem Bildungsticket für Schüler und Azubis.
Die Rosinenpickerei der Landräte führt zu ungenügenden Verbesserungen und entspricht nicht den Vereinbarungen in der ÖPNV-Strategiekommission,“ erklärt Homann. Dass die Landräte keine verlässlichen Kosten aufrufen könnten, zeige außerdem den grundsätzlichen Reformbedarf des Systems. „Es darf kein System von Zweckverbänden geben, das rund eine halbe Milliarde Euro Steuergelder erhält und dann mit uneinheitlichen Kostenberechnungen arbeitet.“
Homann begrüßt außerdem die Bereitschaft von Verkehrsminister Martin Dulig, trotz des Konflikts weiter über die Umsetzung der von der ÖPNV-Strategiekommission erarbeiteten und beschlossenen Verbesserungen zu verhandeln.
Hohmann: „Das Thema Mobilität ist von zentraler Bedeutung für die Zukunft unseres Freistaats. Martin Dulig hat seine Hand ausgestreckt. Die CDU und die Landräte mit CDU-Parteibuch sollten im Interesse des Freistaats auf ein parteipolitisches Ping-Pong-Spiel verzichten.“
Aber ist es nur das? Oder begegnet Dulig hier nicht gerade der Effekt eines Systems, das den Nahverkehr immer nur kleinteilig gedacht hat und auch nicht die Ressourcen hat, es landes- und länderübergreifend zu denken? Was ja selbst im Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) auffiel, der sich mit dem Argument gegen Duligs Pläne wehrte, man arbeite ja selbst längst länderübergreifend?
Das Tragische an diesem Hickhack ist die Tatsache, dass gewählte Präsentanten, die eigentlich gewählt wurden, Probleme zu lösen, sich öffentlich streiten, aber nicht fähig sind, sich an einen Tisch zu setzen und die Sache auszudiskutieren.
Wären das nicht alles erwachsene Männer (und zwar ausschließlich Männer), man würde dazu eigentlich „Kindergarten“ sagen können. Wenn Kinder im Kindergarten nicht viel fähiger wären, Konflikte zu lösen.
Aber vielleicht beschreibt genau das das Sachsen von Heute am besten: Lauter erwachsene Männer, die sich wie Kleinkinder benehmen und erwarten, dass ihnen die Menge auch noch Beifall klatscht dafür. Wofür eigentlich?
Eigentlich darf man von allen Beteiligten nur noch fordern: Setzt euch zusammen und findet eine gemeinsame Lösung. Vorher gibt’s keine Weihnachtsgeschenke. Und wenn ihr keine lösungsorientierte Gesprächsrunde hinbekommt, dann ladet gefälligst eine Frau dazu. Darf auch eine bewährte Erzieherin aus dem Kindergarten sein. Die weiß, wie sowas geht.
Auch OBM und Landräte der Region Leipzig sträuben sich gegen den Vorstoß des Verkehrsministers
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“Lauter erwachsene Männer, die sich wie Kleinkinder benehmen und erwarten, dass ihnen die Menge auch noch Beifall klatscht dafür. Wofür eigentlich?”
Genau diese Aussage ist das leidige Problem aller Optimisten, welche hoffen: ‘wartet bis zur nächsten Wahl, dann klärt sich so etwas’. Schon öfter gedacht, gelesen, gehört.
Es wäre so schön, geschähe dies!
Aber ob Bund, Land, Kreis oder Kommune – es klärt sich leider nichts zum Guten, maximal zur Eskalation.
So bleiben sinnvolle Nachjustierungen, Korrekturen, Anpassungen bestehender Regeln oder Gesetze meist nur in den Köpfen sich Gedanken machender Visionäre stecken.
Amtierende Entscheidungsträger, und damit richtungsweisend handelnde Personen, werden – ungeachtet stetiger “Kleinkindmentalitäten” – vom Großteil der Bevölkerung immer wieder bestätigt. Leider.
Und traurig!