Am 27. November veröffentlichte die sächsische Staatsregierung ihre neue „Nachhaltigkeitsstrategie 2018“. Die plumpste irgendwie ins Wasser. Eigentlich interessierte sich kein Mensch dafür. Nur beim BUND Sachsen tat man sich das Papierchen an und fand – passend zum heißen Sommer 2018 – viel heiße Luft und keine konkreten Taten.

„In den konkreten Festlegungen erweist sich die – ohnehin nicht rechtsverbindliche – Strategie jedoch weiterhin als unzureichend“, fasst Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen, das Ergebnis zusammen.

Dabei hatte Sachsens Agrarminister Thomas Schmidt (CDU) bei der Vorstellung extra wieder den armen sächsischen Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz bemüht, der ja bekanntlich im Jahr 1713 in seinem Buch „Sylvicultura oeconomica“ als Erster für eine „nachhaltende“ Nutzung des Waldes plädierte und damit als Schöpfer des Nachhaltigkeitsbegriffes gilt.

„Carlowitz forderte bereits vor über 300 Jahren ein auf die Zukunft gerichtetes Handeln, die Übernahme von Verantwortung für künftige Generationen und ein florierendes Gemeinwesen. Das sind auch heute die zentralen Ziele, die wir mit der Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen“, sagte Schmidt.

Das Prinzip Carlowitz’ kurz auf den Punkt gebracht: Man holt nur aus den Wäldern heraus, was an Menge jedes Jahr wieder nachwachsen kann. Es ist ein – für Förster ziemlich einsichtiges – Verfahren, Wälder nicht zu übernutzen.

Das heißt: Wenn Sachsen Nachhaltigkeitsstrategien auflegen möchte, muss es Übernutzungen beenden.

Da wurde halt nicht nur Felix Ekardt nicht fündig. Im Gegenteil. Das, was Schmidt da vorgelegt hat, ist eher so eine windelweiche Absichtserklärung, die Übernutzung all unserer lebensnotwendigen Güter ein wenig weniger werden zu lassen. Carlowitz würde wahrscheinlich fluchen und dem Minister erklären, dass er den Sinn von Nachhaltigkeit nicht verstanden hat.

Aber Schmidt ist ja nicht allein. An dem Brei kochen mehrere Ministerien. Und kein einziger Minister ist bereit, seinen Untertanen zu sagen, dass der Verbrauch von Dingen, die wir nicht mehr ersetzen können, eigentlich aufhören muss. Jetzt.

Stichwort: Flächenverbrauch.

„Boden ist eine begrenzte und kostbare Ressource, die Bodenqualität beeinflusst die Grundwasserqualität und ist außerdem Existenzgrundlage vieler Landökosysteme. Lärm und eine unzureichende Luftqualität können die Gesundheit schädigen. Hinzu kommt der zunehmende Verlust an Lebensräumen und Arten. Um die Ökosysteme langfristig zu erhalten und wiederherzustellen, sind Maßnahmen für Schutz und Erhaltung der Arten in und außerhalb von Schutzgebieten erforderlich“, heißt es vollmundig zu den „Handlungsfeldern der Nachhaltigkeit“.

Ja, was denn nun? Da schreibt der Minister trotzig hin „Maßnahmen sind erforderlich“. Aber er listet keine auf. Wer soll denn eigentlich seine Arbeit machen?

So sieht die Nachhaltigkeitsstrategie einen Neu- und Ausbau von Straßen vor, was einen weiteren Flächenverbrauch und Lärmbelastung mit sich brächte und damit zuvor beschriebenen Zielen wie der Reduktion des Flächenverbrauchs oder der Reduzierung der Lärmbelastung diametral entgegenstünde, kritisiert der BUND Sachsen.

Auch die Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) will die Landesregierung laut Strategiepapier erfüllen. Dabei erreichen derzeit gerade einmal drei Prozent der sächsischen Gewässer den europarechtlich vorgeschriebenen ökologisch guten Zustand. Bis 2027 sollen es gemäß WRRL 100 Prozent sein. Das Papier benennt nicht, welche konkreten Maßnahmen innerhalb von acht Jahren dazu führen sollen, dass sich der Zustand der sächsischen Gewässer gravierend verbessert.

Das ganze Strategiepapier liest sich wie das, was man für gewöhnlich in Workshops am ersten Tag zusammenträgt. So eine Art Arbeitsziel für die nächsten sechs Tage: Was will man erreichen? Und dann arbeitet man akribisch heraus, wie man es erreichen will, was es kostet, wer es macht und wann Berichtspflicht ist. Aber Sachsens Regierung kommt über den ersten sonnigen Workshop-Tag nie hinaus. Da ist die ganze Zeit Ferienstimmung.

Der BUND beschreibt es noch etwas sanfter: „Insgesamt ist die Sächsische Nachhaltigkeitsstrategie gut gemeint, letztlich aber ein umweltpolitisches Feigenblatt. Sie benennt lediglich Probleme wie Pestizide, Düngemittelausbringung oder Flächenverbrauch. Jedoch bietet sie nur wenige konkrete Lösungsansätze oder Maßnahmen an, die bestehenden Herausforderungen zu meistern.“

„Dabei könnte die sächsische Landesregierung ihre Nachhaltigkeitsstrategie dazu nutzen, die bestehenden Probleme bei Natur und Umwelt beherzt anzugehen, um die SDGs (Sustainable Development Goals) der Vereinten Nationen umzusetzen – und nicht nur als grafische Dekoration ihres Strategiepapiers einzusetzen. Das ist fatal insbesondere gegenüber den kommenden Generationen, die die Folgen dieser eben nicht nachhaltigen Politik auszubaden haben“, findet Felix Ekardt.

Wo hat er nur dieses Wort her? „Beherzt angehen!“

Schmidt hat zwar eine „Ausrichtung auf einen Zielhorizont bis zum Jahr 2030“ ins Papier geschrieben. Ja, aber es gibt kein einziges Projekt, das bis dahin umgesetzt sein soll – auch keins zu den hochgradig belasteten Gewässern, in die er den Düngereintrag irgendwie senken will. Und die er auch wieder beleben möchte: „Verbesserung des Zustands der Gewässer insbesondere auch bezüglich des Wasserhaushaltes und der Entwicklung naturnäherer Gewässerstrukturen“. Ja und?

Das war’s.

In der Pressemeldung machte er noch deutlicher, wie Sachsens Regierung wirklich tickt: Man nimmt das eigene Regierungshandeln völlig aus der Schusslinie und kommt immer gleich großartig wie John F. Kennedy darauf zu sprechen, dass ja die Leute da draußen erst einmal alle daran denken könnten, was sie für ihr Land tun können. Bevor irgend so ein Minister sich genötigt fühlt, mal an die Arbeit zu gehen.

Das klingt dann so: „Unsere Gesellschaft trägt Verantwortung dafür, die natürlichen Lebensgrundlagen für die heutige und für künftige Generationen zu erhalten. Umweltgerechtes und ressourcenschonendes Wirtschaften ist hierfür die wesentliche Grundlage. Die Herausforderungen und drängenden Fragen in den Themenbereichen Klimawandel, Energieversorgung, Mobilität, Landwirtschaft und Kreislaufwirtschaft machen innovative und gesellschaftlich akzeptierte Lösungen erforderlich.“

Gibt doch genug Leute da draußen, die was tun können. Warum ausgerechnet die sächsische Regierung?

Na ja, könnte man meinen: Weil es vielleicht die Nachhaltigkeitsstrategie der Regierung ist und nicht die der Leute?

Sieht Schmidt natürlich anders: „Die Strategie richtet sich nicht nur an die Ministerien und die nachgeordnete Verwaltung. Um die Lebensqualität kommender Generationen in Sachsen zu sichern und Nachhaltigkeit im alltäglichen Handeln umzusetzen, brauchen wir eine breite Unterstützung und die Mitwirkung aller Akteure im Freistaat Sachsen. Der Einzelne in seinem persönlichen Umfeld, die Kommunen, aber auch Wirtschaft und Wissenschaft sind gleichermaßen gefordert, sich an Nachhaltigkeit zu orientieren.“

Schon diese Sätze lassen ahnen: Auch diese „Nachhaltigkeitsstrategie“ wird so folgenlos in den Papierbergen verschwinden wie die letzte von 2013, die auch noch frech hieß „Sachsen hat Zukunft“. Was der Wald dazu zu sagen hat, zeigt der nächste Sturm.

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