Was bringt eigentlich der nun zum dritten Mal vorgelegte Sachsen-Monitor? Macht er uns klรผger in Bezug auf die menschenfeindlichen Einstellungen der Sachsen? Erschreckt er nur? Oder enthรคlt er tatsรคchlich Lรถsungsansรคtze fรผr das zerrissene Sachsen? Drei Parteien mit vรถllig unterschiedlichen Sichten auf diese Befragung des landlรคufigen Sachsen.

Eigentlich, so findet Kerstin Kรถditz, Sprecherin fรผr antifaschistische Politik der Fraktion Die Linke im Sรคchsischen Landtag, mรผsste doch jetzt endlich mal gehandelt werden.

โ€žDer Sachsen-Monitor ist ein wichtiges Instrument, um Aufschluss zu erhalten รผber die politische Kultur im Freistaat. Dass sie lรคngst ins Wanken gekommen und offenen Angriffen von rechtsauรŸen ausgesetzt ist, liegt auf der Hand. Es kommt jetzt darauf an, endlich zu kontern. Im Koalitionsvertrag heiรŸt es, der Sachsen-Monitor solle โ€šGrundlage einer viel genaueren Demokratiearbeit werdenโ€˜. Genau das ist aber bisher รผberhaupt nicht zu erkennen!โ€œ, stellt Kรถditz nun zum jรผngsten Monitor fest.

Die Einfรผhrung des Sachsen-Monitors hatte die Fraktion Die Linke schon 2011 gefordert, das wurde damals unter anderem durch den CDU-Innenminister abgelehnt.

โ€žAuch unser Abschlussbericht zum ersten NSU-Untersuchungsausschuss forderte eine entsprechende Untersuchung. Ich begrรผรŸe daher ausdrรผcklich, dass es diese Studien inzwischen gibt, und dass sie offenbar verstetigt werdenโ€œ, so Kerstin Kรถditz.

โ€žAllerdings ist beim Sachsen-Monitor noch sehr viel Luft nach oben. Vergleichbare Erhebungen wie der Thรผringen-Monitor, die Mitte-Studien oder die erst vor wenigen Tagen vorgestellte Leipziger Autoritarismus-Studie sind deutlich aussagekrรคftiger. Der Vergleich mit dem Sachsen-Monitor zeigt: So ein Instrument passt zu einer akademischen Einrichtung โ€“ es gehรถrt aber nicht in die Hรคnde der Staatskanzlei und eines kommerziellen Instituts.โ€œ

Muss sich Sachsens Regierungspolitik รคndern?

Auf die Inhalte der 2018er Befragung geht Katja Meier, demokratiepolitische Sprecherin der Fraktion Bรผndnis 90/Die Grรผnen im Sรคchsischen Landtag, ein. Denn sie sieht Parallelen zwischen den Befragungsergebnissen und dem Agieren der Regierung.

โ€žErschreckend ist die geringe Wertschรคtzung von Verfassung, Grundrechten und Gerichtsentscheidungen (Folie 16, Frage 4 in der Prรคsentations-รœbersicht). Der anhaltend weitverbreitete Rassismus, der sich in der Ablehnung gegenรผber Muslimen (49 Prozent) oder Sinti und Roma (57 Prozent (+8)) zeigt, ist ebenso besorgniserregend, wie der Antisemitismus (21 Prozent (+5))โ€œ, sagt Meier. โ€žEin Abbau der Ressentiments wird nur erfolgen, wenn Ministerprรคsident Michael Kretschmer und die gesamte Staatsregierung selbst Respekt fรผr Grundrechte und gerichtliche Verfahren aufbringen.โ€œ

Und da wird es schwammig.

Meier kann da direkt aus jรผngsten ร„uรŸerungen der Regierung zitieren: โ€žMit Aussagen wie in seiner Regierungserklรคrung am 5. September 2018: โ€šWir mรผssen den Rechtsstaat starkmachen, und deswegen ist es notwendig, dass die Politik auf Entwicklungen reagiert, Gesetze anpasst und dafรผr sorgt, dass sich das, was Volkes Meinung ist, auch am Ende bei Rechtsentscheidungen durchsetzt, nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis, meine Damen und Herrenโ€˜, stellt der Ministerprรคsident die Unabhรคngigkeit der Justiz infrage und leitet Wasser auf die Mรผhlen derjenigen, die unsere demokratische Ordnung relativieren.โ€œ

GeรคuรŸert hat es Kretschmer in seiner Regierungserklรคrung am 5. September 2018. (6. Wahlperiode, 77. Sitzung, Plenarprotokoll S. 7207)

Meier plรคdiert fรผr eine Vervollstรคndigung des Fragenkatalogs des Sachsen-Monitors: โ€žIm Thรผringen-Monitor wird seit dem Jahr 2013 auch nach Einschรคtzungen und Einstellungen zu Natur und Umwelt gefragt. Vor dem Hintergrund von Klimawandel und Konflikten um Energie- und Agrarpolitik fordern wir, dass entsprechende Fragestellungen kรผnftig auch beim Sachsen-Monitor abgefragt werden. Die gerade vorgestellte Bรผrgerumfrage in Dresden beweist, dass diese Fragen auch fรผr viele Menschen in Sachsen sehr wichtig sind.โ€œ

Wenn das so ist, bedient die Regierung freilich nur Ressentiments, geht aber die Grundprobleme nicht an. Die haben nicht nur mit fehlender Demokratiebildung zu tun.

Das Thema Gerechtigkeit bleibt das zentrale

โ€žDie vordringlichen Probleme der Sachsen sind Armut, Billiglรถhne, Arbeitslosigkeit und soziale Gerechtigkeit. Auch wenn die Bรผrgerinnen und Bรผrger mehrheitlich optimistisch in die Zukunft blicken, bestimmen diese Probleme die Debatten in der Familie, im Kollegenkreis oder in รถffentlichen Diskussionen โ€“ und spiegeln sich logischerweise im jรผngsten Sachsen-Monitor widerโ€œ, erklรคrt Henning Homann, Sprecher fรผr demokratische Kultur der SPD-Fraktion. โ€žSoziale Probleme brauchen soziale Antworten.โ€œ

Dass rechtsextreme Ansichten so dominieren, hat nun einmal auch damit zu tun, dass auch die Regierung immer wieder die rechte Agenda mit den Themen Ordnung, รœberwachung, Sicherheit und โ€žFlรผchtlingeโ€œ bedient hat. Das sind aber nicht wirklich die Sorgen der Sachsen.

โ€žBildung wird mittlerweile als das wichtigste Thema in unserem Land benannt. Fragen nach Asyl und dem Erstarken des Rechtsextremismus gibt es, sie werden in den Augen der Menschen aber offenkundig unwichtiger. Hingegen liegt den Sachsen mehr daran, dass Schulen, Kitas oder die ร„rzteversorgung gut funktionieren und genรผgend Polizistinnen und Polizisten fรผr Sicherheit sorgen. Sie erwarten, dass an diesen Stellen der Staat seine Arbeit tut und fรผr vernรผnftige Bedingungen sorgtโ€œ, benennt Homann genau das, was in den vergangenen zehn Jahren in der sรคchsischen Sparpolitik vรถllig unter die Rรคder geriet.

Man spart ein Land nicht auf Grundeis ohne gravierende Folgen fรผr das Sicherheitsgefรผhl der Betroffenen. Wo aber eine Stimmung um sich greift, dass Sicherheiten schwinden und die Lebensbedingungen sich verschlechtern, da haben Rechtsradikale natรผrlich Freiraum zur Agitation.

โ€žDer Sachsen-Monitor bestรคtigt den Kurs der SPD-Fraktion. Wir sorgen seit unserer Regierungsbeteiligung 2014 wieder fรผr mehr Zukunftsinvestitionen. Wir haben die Kรผrzungspolitik der Vorgรคngerregierung beendet und umgesteuert. Der Staat steht jetzt wieder im Dienst der Menschen, nicht im Dienste eines Finanzministersโ€œ, benennt Homann den Grund fรผr die fatale Austeritรคtspolitik, die gerade in Sachsen ihre Folgen zeigt.

โ€žMehr Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Polizistinnen und Polizisten sind die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite mรผssen Menschen mit auskรถmmlichen Lรถhnen nach Hause gehen und fรผr das Alter vorsorgen kรถnnen.โ€œ

Und Homann sieht auch die jahrelang politisch forcierte Niedriglohnpolitik als Ursache der zunehmenden Verdrossenheit. Die Befragten รคuรŸern sich ja im Sachsen-Monitor nur allzu deutlich: Niedrige Lรถhne empfinden sie als ungerecht.

โ€žDeshalb unterstรผtzen wir die Forderung, den Mindestlohn in absehbarer Zeit auf 12 Euro anzuheben. Besser noch wรคre es, wenn Tarif- statt Mindestlรถhne endlich die Regel sind und Unternehmen genau an dieser Stelle ihrer sozialen Verantwortung nachkommen. Und deshalb plรคdieren wir fรผr die รœberwindung von Hartz IV, deshalb drรคngen wir auf eine echte Solidarrente. Das sind soziale Antworten auf soziale Problemeโ€œ, so Homann.

โ€žDer Kampf gegen Rassismus und Islamfeindlichkeit steht weiter auf unserer Agenda. Menschenverachtende Haltungen akzeptieren wir nicht. Fรผr uns steht die Integration der Menschen im Mittelpunkt, die dauerhaft bei uns bleiben kรถnnen. Es steht auรŸer Frage, dass der Rechtsstaat greifen muss, wenn Geflรผchtete Straftaten begehen. Wer Menschen wegen ihrer Herkunft oder Religion diskriminiert, verspielt den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land, den sich sehr viele Menschen wรผnschen.โ€œ

Gerechtigkeit ist eine wirtschaftliche Frage und Heimat eine von sozialem Rรผckhalt

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โ€žErschreckend ist die geringe Wertschรคtzung von Verfassung, Grundrechten und Gerichtsentscheidungenโ€
Wie, meinen die tatsรคchlich das Volk? Der Prozentsatz unter den Regierenden, auf den das zutrifft, dรผrfte weit hรถher sein. Womit wir ein grundsรคtzliches, aktuelles Problem formuliert hรคtten.

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