Nicht nur die möglichen Kosten für den Strukturwandel sind für die drei mitteldeutschen Kohleländer ein Problem. Insbesondere Sachsen hat ein ganz fatales Problem, denn es hat sich gegenüber den beiden sächsischen Kohlekonzernen in eine brisante Abhängigkeit begeben. Die jahrelange Behauptung, man setze auf eine Kohlesverstromung weit übers Jahr 2040 hinaus, wird jetzt zum Bumerang.

Denn sie hat die Regierung blind gemacht für die zeitnahen Folgen, die sich zum Beispiel durch die deutschen Verpflichtungen aus den Pariser Verträgen ergeben. Hätte man eigentlich wissen können. Schon seit Jahren ist klar, dass Deutschland seinen CO2-Austoß massiv senken muss, um selbst nur die Minimalziele für das Jahr 2020 zu erreichen.

Als der schwedische Energiekonzern Vattenfall seine ostdeutsche Kohlesparte verkaufte, war längst klar, dass die Kapazitäten in der Lausitz reduziert werden müssten. Deutschland produziert seit Jahren mehr Strom, als es verbrauchen kann. Der wird bislang billig exportiert.
Der Spielraum, erste Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen, ist also längst gegeben.

Doch statt sich vertraglich vom neuen Besitzer der Lausitzer Kohlesparte, dem tschechischen Konzern EPH, die Gelder zur bergbaurechtlichen Wiedergutmachung zu sichern, hat man genau das versäumt. Und steckt jetzt im Dilemma, das der Grünen-Landtagsabgeordnete Dr. Gerd Lippold so beschreibt: „Im Forderungspapier ‚Rahmenbedingungen der ostdeutschen Braunkohleländer für die Strukturentwicklung im Lausitzer und Mitteldeutschen Revier‘ der ostdeutschen Ministerpräsidenten vom 18.10.2018 wird die Forderung erhoben:

‚In dem rechtssicheren Gesamtpaket muss auch sichergestellt werden, dass die Länder nicht für die Kosten der bergrechtlichen Wiedernutzbarmachung einzustehen haben und sie damit keine Haftung für die Wiedernutzbarmachung und Folgeschäden eines bundespolitisch auferlegten Braunkohleausstiegs übernehmen.‘ Laut Bundesberggesetz haben für die Kosten der bergrechtlichen Wiedernutzbarmachung in voller Höhe die bergbautreibenden Unternehmen aufzukommen, die die Kosten durch vergangene und aktive Bergbautätigkeit bereits verursacht haben bzw. derzeit verursachen. Das gilt zu jedem Zeitpunkt und völlig unabhängig davon, ob eine Garantie für die Genehmigung von künftigen Folgebetriebsplänen besteht oder nicht.“

Aber genau das hat sich zum Beispiel Sachsen nicht gesichert, wie ja nun mehrere Anfragen von Gerd Lippold und Dr. Jana Pinka aus der Linksfraktion ergeben haben. Irgendwie hat sich Sachsens Regierung mit der Behauptung, die Kohlekraftwerke gingen erst nach 2040 vom Netz, selbst in den Schlummer gewiegt.

Ergebnis: Auf einmal merken selbst die Ministerpräsidenten, dass die Strukturkommission eben doch eine Kohleausstiegskommission ist und dass die ersten Kraftwerke wohl doch viel früher als 2040 vom Netz gehen. Und auf einmal stehen ihre eigenen Bergbaugenehmigungen infrage. Und das  könnte sehr teuer werden.

Was Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange stellvertretend für die Staatsregierung so formuliert: „Die Genehmigungen und Zulassungen für Bergbauvorhaben werden weit überwiegend durch die Behörden der jeweiligen Bundesländer erteilt. Würden diese Genehmigungen und Zulassungen durch Aktivitäten des Bundes ‚inhaltslos‘ werden, könnten sich Schadenersatzforderungen der Unternehmen zuerst an die die Genehmigungen und Zulassungen erteilenden Behörden der Bundesländer richten. Gegen diese Schadenersatzforderungen müssen sich die Bundesländer gegenüber dem Bund absichern.“

Was ja die ganze Zeit die Kritik der Umweltverbände war: Warum werden immer neue Genehmigungen zum Kohleabbau ausgereicht, wenn die Kohle gar nicht gebraucht wird? Warum gibt die Staatsregierung ausgerechnet Bergbauunternehmen eine jahrzehntelange Bestandsgarantie, wenn in Deutschland seit 20 Jahren über ein Ende des Kohlezeitalters und den klügsten Weg dahin diskutiert wird?

Man ahnt schon, dass gerade diese Erwartung in der Strukturkommission für eine Menge Ärger sorgen wird. Auf einmal soll der Steuerzahler geradestehen für diese Scheuklappenpolitik.

Und logischerweise fragte Gerd Lippold, der bei den Grünen energiepolitischer Sprecher ist, auch noch: „Hat die Staatsregierung die Absicht, die in ihrer eigenen Verfügungsgewalt liegende Möglichkeit zur sofortigen und wirksamen Sicherung der Position des Freistaates im Sinne der oben genannten Forderung gemäß §56 Abs. 2 Bundesberggesetz zu nutzen und die Nebenbestimmungen der kürzlich erteilten Betriebsplanzulassungen sächsischer Tagebaue entsprechend anzupassen?“

Betriebsplanzulassungen, die ja nun eindeutig in Verantwortung der sächsischen Staatsregierung liegen, für deren Folgen also zwangsläufig der Freistaat zuständig ist. Aber so richtig nach Einsicht klingt das nicht, was Eva-Maria Stange stellvertretend antwortet: „Die Staatsregierung beabsichtigt nicht, die kürzlich erteilten Betriebsplanzulassungen sächsischer Tagebaue zu verändern.“

Man hält also am alten Lied „Kohle bis 2040“ fest und will den Bund zum Zahlemann machen, wenn der es mit dem Kohleausstieg jetzt doch ernst meinen sollte. Wogegen sich Sachsens Regierung ja immer mit Händen und Füßen gewehrt hat.

Die 60 Milliarden Euro für den Strukturwandel sind nur eine sehr grobe Schätzung

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