Am Montag, 8. Oktober, machte Sachsens Innenminister einmal mehr deutlich, wie die CDU bei der Erhöhung der Sicherheit in Sachsen tickt. Die Ulbigsche Politik, einfach mehr Geld in teure Technik zu stecken, wird nahtlos fortgesetzt. Videokameras in öffentlichen Räumen schrecken doch Kriminelle ab, meinte Innenminister Dr. Roland Wöller (CDU), berichtete das „Sächsische Tageblatt“. Und Kommunen, die mitmachen, bekommen auch noch Geld.

Aufhänger war die Installation von 35 Videokameras in der Chemnitzer Innenstadt. Chemnitz ist zwar nun mit mehreren Aufmärschen grölender Rechtsradikaler in die Schlagzeilen geraten. Zuvor gab es den nächtlichen Totschlag, der die Gemüter der Stadt zum Kochen brachte. Aber nicht nur Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, zweifelt daran, dass die immer willkürlichere Ausweitung von „gefährlichen Orten“ oder gar Waffenverbotszonen irgendetwas ändert an der Sicherheitslage in Sachsens Städten.

Denn wenn man das konsequent zu Ende denkt, verwandeln sich die Innenstädte komplett in Sonder- und Kontrollzonen und die Bürger werden auf Schritt und Tritt von Kameras überwacht. Big Brother lässt grüßen.

„Ich halte dieses Angebot an die Kommunen für grob fahrlässig. Es suggeriert, dass die Kommunen alle rechtlichen Möglichkeiten haben, die öffentlichen Straßen und Plätze und die Bürgerinnen und Bürger, die sich darauf bewegen, nach Belieben zu überwachen“, kritisiert Lippmann die Ankündigung des Innenministers, Kommunen beim Ausbau der Videoüberwachung finanziell zu unterstützen.

„Ob eine Videoüberwachung zulässig ist, bedarf aber immer einer Einzelfallentscheidung. Diese ist unabhängig von einer finanziellen Förderung in Abwägung mit dem Grundrecht auf Datenschutz zu treffen.“

Und gerade das Beispiel Chemnitz zeigt, das hier der Wunsch der Polizei, möglichst viele Plätze der Stadt mit Kameras zu überwachen, der Hauptgrund für den jetzt erfolgten massiven Einsatz der Kameras war. Ein wirklicher Schwerpunkt ist dabei nicht mehr zu erkennen.

„Die Chemnitzer Videoüberwachung halte ich beispielsweise für rechtswidrig“, sagt Valentin Lippmann. „Sie deckt einen unverhältnismäßig großen Raum ab und ist zur Gefahrenabwehr untauglich. Denn die Polizei schaut sich die Bilder überhaupt nicht live an. Diese Video-Überwachung gaukelt der Bevölkerung also eine Sicherheit vor, die sie überhaupt nicht gewährleisten kann.

Das rechtswidrige Modell Chemnitz nun auf alle sächsischen Kommunen ausweiten zu wollen und dies auch noch finanziell zu unterstützen, zeigt, dass Innenminister Prof. Roland Wöller, der im Übrigen auch für das Datenschutzrecht im Freistaat zuständig ist, keinerlei Gespür für die Grundrechte und ihren erforderlichen Schutz hat. Das ist der Ausverkauf der Bürgerrechte.“

Heißt im Klartext: Einen geringen Nutzen entfalten die Kameras nur, wenn schon eine schwere Straftat begangen wurde und die Aufzeichnungen der Kameras bei der Suche nach dem Täter helfen. Wer aber die Suchbilder der Polizei nach solchen Kameraaufzeichnungen kennt, weiß, wie schlecht die Aufnahmequalität nach wie vor ist.

Und auch der Leipziger Stadtrat und Freidemokrat René Hobusch kritisiert das Vorhaben des sächsischen Innenministers Roland Wöller (CDU), den sächsischen Kommunen einen finanziellen Anreiz für eine Ausweitung der Videoüberwachung auf öffentlichen Straßen und Plätzen zu zahlen.

Er geht auf das wesentliche Loch ein, das Sachsens Innenminister mit ihrem Glauben an die grandiose Unterstützung durch Technik nicht zu stopfen vermögen. Denn nicht nur in Chemnitz würden mehr echte Polizisten und Polizistinnen auf der Straße deutlich mehr bewirken als all die Kameras.

„Videokameras ersetzen keine Polizisten“, sagte Hobusch in einer ersten Reaktion am Montag. „Was nützt die Videoüberwachung? Kein Täter wird davon abgeschreckt, keine Straftat schneller aufgeklärt, wenn der nächste Polizeiposten eine halbe Autostunde entfernt ist. Statt teurer Technik braucht es gutes Geld für neue und gut ausgebildete Polizisten im Freistaat. Videokameras sind Placebos, führen aber dazu, dass sich die Menschen im öffentlichen Raum beobachtet und in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt fühlen.“

Zugleich erneuerte Hobusch seine Kritik an der geplanten Reform des Polizeirechts in Sachsen: „Hier wird den Menschen mehr Sicherheit vorgegaukelt. Symbolpolitik, die die Grenzen von Gefahrenabwehr und Strafrecht verwischt. Ob Autoraser, Antänzer, Terroristen, extremistische Gewalt, Reichsbürger oder Wohnungseinbrecher, keines dieser Probleme wird durch das neue Polizeirecht gelöst. Die Menschen bleiben verunsichert, müssen aber erhebliche Eingriffe in ihre persönliche Freiheit in Kauf nehmen.“

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Keine Kommentare bisher

Es scheint, der Innenminister hat immer noch die “Berater”, die auch schon seinen Vorgängern allerlei unpassendes “Zeug” empfahlen. Ich glaube er ist von seinen “Beratern” nicht gut beraten und sucht sich besser welche mit angemesseneren Ideen. Gute Ideen gibt es zum Beispiel von Abgeordneten des sächsischen Landtages, die könnten ihm vielleicht bei der Suche unterstützen.

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