Jeder vernünftige Betrieb hat eine ordentliche Personalplanung. Der Chef weiß, wie viele Leute er mit welcher Qualifikation für welche Aufgaben braucht. Nur in der sächsischen Landespolitik scheint das nicht zu funktionieren. Immer noch sind die Stellenplanungen mit den „kw“-Vermerken aus der Kürzungsorgie von 2009 bis 2014 gespickt. Zum Entsetzen von Valentin Lippmann.

Er hat sich den Entwurf des Haushaltsplans der Staatsregierung für die Jahre 2019/2020 daraufhin genauer angeschaut. Und dort taucht bei den Vorbemerkungen der jeweiligen Einzelpläne zum künftigen Stellenabbau, den sogenannten „kw-Vermerken“, stets dieselbe Formulierung auf: „Über den weiteren Verbleib bzw. deren Konkretisierung ist im Lichte der Ergebnisse der Expertenkommission zur Ermittlung des künftigen, aufgabenorientierten Personalbedarfs zu befinden.“ Dabei geht es darum, wie mit den in den vergangenen Jahren beschlossenen Stellenstreichungen künftig umgegangen wird.

Es ist sozusagen ein Zwischenzustand: Der kleine Koalitionspartner SPD hat zwar durchgesetzt, dass das wilde Stellenstreichen mit dem Rasenmäher endlich aufhört. Aber gerade die CDU hat ihr Ziel, den Apparat der Landesbediensteten ab 2020 doch weiter abzubauen, nie aufgegeben. Sie betrachtet Sachsens Landesbehörden immer noch nach der primitiven betriebswirtschaftlichen Methode von 2009: Wenn die Bevölkerung schrumpft, muss auch die Zahl der Landesbediensteten schrumpfen.

Ob die Aufgaben dann noch adäquat zu erfüllen sind, interessiert die Kürzungsmeister scheinbar nicht.

Wie fatal die Folgen sind, können alle Sachsen längst sehen – bei fehlenden Polizisten genauso wie bei fehlenden Lehrern. Die Funktionsfähigkeit des Staates ist längst an vielen Stellen infrage gestellt.

Um das zu ändern, sollte eigentlich eine Kommission gebildet werden, die den tatsächlichen Personalbedarf der nächsten Jahre ermittelt.

Aber davon ist weit und breit nichts zu sehen, stellt Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, fest, nachdem er eine entsprechende Kleine Anfrage gestellt hatte. Das Ergebnis ist auch für ihn überraschend.

„Es gibt keine Expertenkommission. Es ist noch nicht einmal entschieden, ob überhaupt eine Kommission eingerichtet wird. Das ist eine Bankrotterklärung für die Personalpolitik der Staatsregierung im Allgemeinen und der seit Anfang 2017 bestehenden Stabsstelle ‚Landesweite Organisationsplanung, Personalstrategie und Verwaltungsmodernisierung‘ im Besonderen“, kann Lippmann nun feststellen.

„Der Generationenwechsel im Personal der Landesverwaltung wurde erst ignoriert und dann verschlafen. Seit Jahren werden wir Grünen von CDU und SPD vertröstet, wenn wir ein Personalkonzept zur Bewältigung der hohen Altersabgänge in der Landesverwaltung und entsprechende Nachbesserungen in den jeweiligen Haushaltsverhandlungen fordern. Zunächst wollte man eine Expertenkommission einsetzen.

Als deren Ergebnis 2016 vorlag, das mit konkreten Zahlen den Handlungsbedarf deutlich machte, dass bis 2030 mehr als die Hälfte der Landesverwaltung in den Ruhestand geht, wurde nur angekündigt, dass man sich mit dem Ergebnis auseinandersetzen wolle. Passiert ist seither wenig bis gar nichts, der Freistaat steuert weiter auf ein Fiasko in der Personalplanung zu und selbst die in dem aktuellen Haushaltsentwurf bezeichnete Kommission gibt es noch nicht einmal.“

In den letzten Jahren wurde unter schwarz-rot und schwarz-gelb ein umfassender Stellenabbau in der Staatsverwaltung beschlossen. Dazu wurden sogenannte kw-Vermerke für die einzelnen Ressorts ausgebracht und somit Stellen als „künftig wegfallend“ gekennzeichnet. Diese Stellenstreichungen sind auch unter der jetzigen Koalition nicht aufgegeben worden, stellt Lippmann fest, sondern bis Ende 2018 vollzogen und darüber hinaus nur in die Zukunft verschoben worden.

Dazu heißt es beispielsweise im Entwurf des Einzelplans 03 (Staatsministerium des Innern): „Auf den Geschäftsbereich des SMI entfielen insgesamt 539 kw-Vermerke. Im Zusammenhang mit der Rückführung der IT-Fachverfahren der Bereiche Umwelt und Landwirtschaft vom Staatsbetrieb Sächsische Informatik Dienste (SID) in den Geschäftsbereich des SMUL gingen 4 kw-Vermerke auf den Epl. 09 über, sodass noch 535 kw-Vermerke im Geschäftsbereich des SMI verbleiben.

Über den weiteren Verbleib bzw. deren Konkretisierung ist im Lichte der Ergebnisse der Expertenkommission zur Ermittlung des künftigen, aufgabenorientierten Personalbedarfs zu befinden.”

Über 500 unsichere Stellen? Das kann auch das SMI nur durch Abbau bei der Polizei ermöglichen. Was geradezu schizophren wirkt in einer Zeit, in der es an allen Ecken an Polizisten fehlt.

Und in den anderen Ministerien sieht es nicht besser aus.

Eine ähnliche Formulierung findet sich auch in den anderen Einzelplänen, z.B. im Entwurf des Einzelplans 06 (Staatsministerium der Justiz): „Auf den Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz entfallen insgesamt 468 kw-Vermerke. Über den weiteren Verbleib bzw. deren Konkretisierung ist im Lichte der Ergebnisse der Expertenkommission zur Ermittlung des künftigen, aufgabenorientierten Personalbedarfs zu befinden.“

Was bedeuten dann aber die „Konkretisierungs“-Vermerke in der Haushaltsplanung?

Alles nur Placebo, so Lippmann.

„Worüber ich mich besonders ärgere, ist der suggestive Vermerk im Entwurf des Haushaltsplans. Man wollte dem Gesetzgeber weismachen, dass eine solche Kommission ihre Arbeit schon aufgenommen hat. Die Staatsregierung will offenbar den Gesetzgeber hinters Licht führen – das ist eine Frechheit“, sagt der Landtagsabgeordnete der Grünen.

„Ich fordere den sächsischen Ministerpräsidenten und den für die ‚Personalstrategie‘ zuständigen Chef der Staatskanzlei, Oliver Schenk, auf, sich umgehend an die Erarbeitung eines Personalkonzepts zu setzen und den Freistaat Sachsen zukunftsfit für die Bewältigung seiner Aufgaben zu machen. Uns droht sonst in allen anderen Bereichen der Staatsverwaltung ein ähnliches Debakel wie bei den Lehrerinnen und Lehrern. Das ist nicht akzeptabel.“

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