Ein Geist geht um in der SPD Sachsen. Es ist der Geist der Jugend. Im Windschatten der vielen fröhlichen Neueintritte im Jahr 2017 und der berechtigten Freude der sächsischen Sozialdemokraten darüber, ist eine sehr starke Juso-Gruppierung entstanden. 1.700 Parteimitglieder stellen sie bei knapp über 5.000 Mitgliedern der Sachsen-SPD überhaupt. Und nun machen sie Druck, wie auf dem am Sonntag zu Ende gegangenen Landesparteitag. Es geht ihnen um nichts weniger als eine Abkehr von Hartz IV und deutliche Veränderungen bei der kommenden Polizeigesetznovelle in Sachsen.
Natürlich ist eine Sozialgesetzgebung nicht auf Landesebene zu ändern. Aber das Signal vom 28. Oktober 2018 macht deutlich: für die jungen Parteimitglieder der SPD geht es, Hessenwahlabsturz hin oder her, eh nicht weiter in ihrer Partei. Mehrheitlich beschlossen wurde noch vor Bekanntgabe der Wahlergebnisse in Hessen der Juso-Antrag für eine neue „Arbeitsversicherung“. „Mit breiter Mehrheit“, betonen die Jusos.
In diesem enthalten ist nichts weniger als eine klare Abkehr von Hartz IV, eine deutliche Erhöhung der Regelsätze, die Abschaffung der Sanktionspraxis und eine Stärkung der beruflichen Qualifizierung. Damit stehen zumindest nun die sächsischen SPDler Seit an Seit mit jahrelangen Grundforderungen der Linkspartei. Und Martin Dulig, Wirtschaftsminister Sachsens, Landesvorsitzender und „Ostbeauftragter“ seiner Partei ist nunmehr wohl in der Pflicht, wenn seine Worte vom 27. Oktober am ersten Tag des Parteitages nicht als heiße Luft im Raum hängen sollen.
So hatte er neben der Forderung für ein sozialeres Sachsen mit weniger Schulabbrechern und Besserstellungen der Pflegeberufe noch formuliert: „Die Ungerechtigkeiten der Nachwendezeit brechen auf. Und in Berlin und in Westdeutschland fragt man: Was ist bei Euch los? Und so müssen wir erklären. Das reicht uns aber nicht. Wir erwarten, dass wir nicht nur darüber reden, sondern dass es sich die gesamte SPD zur Aufgabe macht, für die Menschen im Osten Lösungen und Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Diese Sache lasse ich nicht auf mich als Ostbeauftragten delegieren.“
Nun ist es also an ihm, sich für eine Aufhebung der Sanktionspraxis starkzumachen und gleichzeitig ernstzunehmende Vorschläge zu erarbeiten, um ein Signal für eine wirkliche Hinwendung zu mehr Fördern und weniger Gängeln, Enteignen und strukturellem Abhängigmachen von staatlichen Transferleistungen zu setzen.
Ein Signal, was wohl viele in den Ostverbänden und Teilen der West-SPD schon 2017 vom damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz erwartet hatten. Doch eben dieser Satz, diese Abkehr geschah nicht, der Bruch mit dem eigenen Erbe aus der Schröderzeit wurde nicht gewagt.
Dazu erklärt Stefan Engel, Landesvorsitzender der Jusos Sachsen: „Die Jusos haben sich in der sächsischen SPD an zentralen Punkten durchgesetzt und sind gut für das kommende Wahljahr gerüstet. Mit der Abkehr von Hartz IV und einem Fokus auf Qualifizierung leistet die sächsische SPD einen wichtigen Beitrag zur Erneuerung der Partei. Wer in Zukunft wieder glaubwürdig sein will, muss sich für die Fehler der Vergangenheit entschuldigen.“
Beim Polizeigesetz wird es ebenfalls konkret
Die SPD ist in Sachsen Regierungspartei, so als Erinnerung. Nun hat sich der SPD-Jugendverband ebenfalls mit deutlichen Nachbesserungen in die weiteren Verhandlungen zur Polizeigesetznovelle in Sachsen durchsetzen können. In der offiziellen Mitteilung der Jusos heißt es: „Die SPD-Landtagsfraktion wird aufgefordert, sich zum Beispiel für eine Kennzeichnungspflicht, eine Überprüfung des sehr weitgehenden Gefahrenbegriffes und gegen die vorgesehene massive Ausweitung der Videoüberwachung einzusetzen.“
Auch dazu das frisch gebackene Landesvorstandsmitglied Stefan Engel: „Der Verzicht auf Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ im Entwurf der Staatsregierung ist richtig. Das Fehlen einer Kennzeichnungspflicht für die Polizei und die Ausweitung der Videoüberwachung sind aber nur einige Punkte, die auch in der sächsischen SPD sehr kritisch gesehen werden.“
Hier dürfte es also demnächst entweder robuster in den Verhandlungen mit dem noch großen Koalitionspartner CDU in Sachsen werden oder die SPD kann sich im Vorfeld der Landtagswahl am 1. September 2019 mal wieder als Umfaller titulieren lassen.
Nach der Hessenwahl wollen die Jusos nun auch einen Sonderparteitag zur Großen Koalition in Berlin erreichen. Die Ergebnisse der Hessen-Wahl würden zeigen, dass diese Koalition keine Zukunft mehr habe. Eine Niederlage haben die jungen Sozialisten hingegen aus ihrer Sicht kassiert: Noch immer werden die Landeswahllisten der SPD nicht gleichberechtigt zwischen Mann und Frau aufgestellt. „Hier werden wir weiter Druck machen, damit Frauen und Männer auf den Listen der SPD in gleichem Maße berücksichtigt werden“, so Engel abschließend.
Am vergangenen Wochenende haben sich die Jusos zudem stärker im SPD-Landesvorstand verankern können. Zukünftig gehören der Juso-Landesvorsitzende Stefan Engel (26) aus Dresden, die Vorsitzende der sächsischen SPD-Frauen, Laura Stellbrink (28) aus Chemnitz und der aus dem Vogtland stammende Gewerkschaftssekretär Benjamin Zabel (31) dem Führungsgremium der sächsischen SPD an.
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