Noch in dieser Woche sollen in Chemnitz die ersten Gerichtsverhandlungen zu den rechtsradikalen Demonstrationen stattfinden. Zwei Personen sind angeklagt, weil sie den „Hitlergruß“ gezeigt haben sollen. Unterdessen zitierte am gestrigen 11. September „Frontal 21“ aus einem internen Polizeipapier. Dieses bekräftigt die Sichtweise, dass es in Chemnitz zu rechtsextremen Hetzjagden gekommen ist. Auch in Köthen und Halle kam es in den vergangenen Tagen zu Zwischenfällen mit Neonazis.
Die Geschehnisse rund um die Demonstrationen und Ausschreitungen in Chemnitz werden möglicherweise noch in dieser Woche juristische Konsequenzen haben. Bereits für Donnerstag, den 13. September, ist laut Nachrichtenagentur DPA ein Termin am Amtsgericht Chemnitz angesetzt. Der Angeklagte soll bei einer Kundgebung am 1. September den „Hitlergruß“ gezeigt haben. Am Freitag steht ein weiterer Beschuldigter vor Gericht: Er soll den „Hitlergruß“ am 27. August gezeigt haben.
Unterdessen hat das Politmagazin „Frontal 21“ am Dienstagabend neue Erkenntnisse zum Ablauf der Hetzjagden am 27. August präsentiert. Bei einem der Angreifer auf vermeintliche oder tatsächliche Ausländer handelt es sich demnach um einen ehemaligen Mitarbeiter einer Securityfirma. Diese hat die betreffende Person nach eigenen Angaben bereits im August entlassen.
Polizeibericht: Vermummte suchen Ausländer
Für mehr Diskussionsstoff dürfte jedoch ein anderer Aspekt sorgen. „Frontal 21“ zitiert aus einem internen Polizeibericht, in dem unter anderem vermerkt sein soll: „100 vermummte Personen (rechts) suchen Ausländer.“ Später soll es in dem Bericht heißen, dass 20 bis 30 vermummte und bewaffnete Personen auf dem Weg zu dem jüdischen Restaurant seien, das später tatsächlich angegriffen wurde.
Diese offenbar direkt aus dem Einsatzgeschehen Einschätzungen der am 26. August und 27. Augst in Chemnitz handelnden Beamten sind relevant, da unter anderem Bundesverfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen und Teile der sächsischen CDU, darunter Ministerpräsident Michael Kretschmer, leugnen, dass es Hetzjagden gegeben hat. Die Berichte zahlreicher Journalisten und Zeugen sprechen jedoch eine andere Sprache.
Verfassungsschutzpräsident rudert
Die „Welt“ berichtete zudem am Dienstag, dass sich der Verfassungsschutz noch nicht mit der Authentizität eines Videos aus Chemnitz befasst habe, als Maaßen der „Bild“ sagte: „Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist.“ Am Mittwoch soll Maaßen in einer Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages aussagen. In einer vorab verbreiteten Stellungnahme ruderte Maaßen bereits zurück, nunmehr sei nur noch die Überschrift des auf Twitter verbreiteten Videos des Users “Antifa Zeckenbiss” irreführend, da dabei von einer “Menschenjagd in Chemnitz” zu lesen stand.Dieser hat bereits mit einer Mitteilung auf die neue Entwicklung reagiert (siehe Foto des Posts & hier auf Twitter).
Die Tagesschau berichtet mittlerweile zu Maaßens weiteren im Papier enthaltenen Argumenten: Da der verbreitende User dem Verfassungsschutz unbekannt sei, könne es sich zudem auch um eine Aktion aus der rechten Szene handeln, um die Stimmung weiter anzuheizen. Mit seinem Statement gegenüber der BILD, in welchem Maaßen die Authenzität des Videos angezweifelt hatte, habe er Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in dessen Einschätzung, es habe keine “Hetzjagden, keinen Mob oder Pogrome” in Chemnitz gegeben, unterstützen wollen. Die sächsische CDU hatte diese Aussage aus der parlamentarischen Debatte sogar separiert und als Video auf Facebook gestellt und massiv beworben.
In der von Kretschmer und Maaßen infrage gestellten Videoszene ist ein junger Mann zu sehen, wie er von mehreren Angreifer attackiert wird, er hatte im Anschluss an die Jagdszenen Strafanzeige gegen die Angreifer erstattet. Längst steht die Frage im Raum, ob die frühzeitig geäußerten Vermutungen für den Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen das Karriereende bedeuten könnten. Da sich auch Bundesinnenminister Horst Seehofer hinter die Aussagen des ihm unterstellten Verfassungsschutzpräsidenten gestellt hatte, wird längst eine Kampagne gegen Kanzlerin Angela Merkel vermutet. Diese hatte die Hetzjagden in einer Sellungnahme ausdrücklich verurteilt.
Vorfälle in anderen Städten
Probleme mit Rechtsradikalen gab es in den vergangenen Tagen nicht nur in Chemnitz, sondern auch in Köthen und Halle. In Köthen war nach einer körperlichen Auseinandersetzung, an der Ausländer beteiligt waren, ein Mann ums Leben gekommen. Noch am selben Abend folgte eine Kundgebung, auf der Thügida-Chef David Köckert gegen Politiker und Journalisten gehetzt und rassistische Äußerungen getätigt hat. In Leipzig war das ehemalige NPD-Mitglied unter anderem im April 2016 bei einer „Unterstützerdemo“ für Legida in Erscheinung getreten.
Neben Köckert war auch Alexander Kurth in Köthen vor Ort. Der Leipziger ist nach seiner Mitglidschaft in der NPD und der rechtsextremen Splitterpartei “III.Weg” mittlerweile im sächsischen Landesvorstand der Partei „Die Republikaner“ aktiv. Auch in Halle kam es zu Zwischenfällen. Bei einer rechten „Montagsdemonstration“ soll es laut Polizei mehrere „Hitlergrüße“ und „Sieg Heil“-Rufe gegeben haben. Zudem seien Beamte bespuckt worden. Insgesamt seien 14 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
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