Immer mehr wertvolle Ackerflächen verschwinden in Sachsen unter Beton und Asphalt. Mal sind es neue Gewerbegebiete, mal Wohnbau, die Jahr für Jahr hektarweise wertvolles Land verschlingen, oft auch Straßenprojekte. Und das in einem Land mit eher stagnierender Bevölkerung. Mit einem Antrag wollen die Grünen jetzt ereichen, dass diese Zerstörung unersetzlicher Fläche in Sachsen bis 2020 aufhört.
Am heutigen Donnerstag, 6. September, wird der Grünen-Antrag dazu in der Plenarsitzung des Landtages vorgestellt.
„Ziel des Gesetzes ist es, den Flächenverbrauch in Sachsen zu stoppen. Denn in Sachsen wurden im vergangenen Jahr jeden Tag 4,3 Hektar Natur-, Kulturlandschaft- und Landwirtschaftsflächen für Siedlungs- und Verkehrsbau neu in Anspruch genommen. Das entspricht der Fläche von sechs Fußballfeldern“, erklärt Wolfram Günther, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag. „Sachsen liegt damit über dem Flächenverbrauch anderer Bundesländer und weit über dem in Sachsen beschlossenen Flächensparziel von unter 2 Hektar pro Tag.“
Die Angaben zum Flächenverbrauch von 4,3 Hektar pro Tag im Jahr 2017 stammen aus dem Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung in Dresden. Die aktuellsten Zahlen auf den Seiten des sächsischen Umweltministeriums geben für das Jahr 2015 noch eine tägliche Flächeninanspruchnahme von über 9 Hektar an. Aktuellere Zahlen sind auf den Portalen der Staatsregierung nicht zu finden.
Die Bundesregierung hat bereits vor 16 Jahren in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (2002) ein flächenpolitisches Ziel formuliert, das bis zum Jahr 2020 erreicht werden soll: Die Reduktion der derzeitigen täglichen Inanspruchnahme von Boden für neue Siedlungs- und Verkehrsflächen (SuV) in Deutschland auf 30 Hektar pro Tag.
„Dieses Ziel war vor 16 Jahren noch ambitioniert, angesichts der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und Sachsen ist aus Perspektive der Antragstellerin aber deutlich mehr möglich. Auch wenn selbst das Ziel von 2002 aktuell noch verfehlt wird“, stellen die Grünen fest.
In Sachsen existiert ein eigenes, mit dem Ziel des Bundes korrespondierendes „Flächensparziel“. Die Landesregierung hat bereits im Jahr 2009 beschlossen, die Flächenneuinanspruchnahme im Freistaat Sachsen auf unter 2,0 ha/Tag (Bund 30 ha/Tag) bis zum Jahr 2020 zu reduzieren. Im Landesentwicklungsbericht 2015 auf Seite 70 wird als Ziel benannt: „Ziel ist es, die Flächenneuinanspruchnahme für SuV bis zum Jahr 2020 auf 30 ha pro Tag (Bund) bzw. auf unter 2 ha pro Tag (Freistaat Sachsen) zu reduzieren.“
Aktivitäten des Freistaates Sachsen mit Bezug zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme sind zwar vorhanden. Da es allerdings an einer restriktiven Mengensteuerung fehlt und Straßenneubauvorhaben und Gewerbe- und Wohnprojekte weiterhin ungebremst auf der „Grünen Wiese“ entwickelt werden, bleibt der Erfolg dieser Bemühungen aus. Aktuell liegt die tatsächliche Flächeninanspruchnahme in Sachsen deshalb weiterhin deutlich oberhalb des durch die Staatsregierung benannten Zieles.
„Der ausufernde und ungezügelte Flächenfraß beeinträchtigt zunehmend unsere Natur, unsere gewachsenen Kulturlandschaften und unsere Landwirtschaft. Der anhaltende Neubau von Straßen, Gewerbeflächen oder Eigenheimen im ländlichen Raum oder im Umfeld der großen Städte verdrängt Wiesen, Wälder und landwirtschaftliche Nutzfläche und steht in keinem Verhältnis zur Bevölkerungsentwicklung in Sachsen“, erklärt Wolfram Günther.
Die Grünen-Fraktion will das Gesetz über die Raumordnung und Landesplanung des Freistaates Sachsen so ergänzen, dass der Flächenverbrauch bis zum Jahr 2020 auf null Hektar zu begrenzen ist. Zudem soll das Staatsministerium des Innern ermächtigt werden, ein Handelssystem für Flächenzertifikate zu etablieren, das eine Flächenneuinanspruchnahme ermöglicht, auch wenn innerhalb der Kommune kein Ausgleich durch Entsiegelung geschaffen werden kann. Dies wird allerdings keine Auswirkungen auf Baulücken oder bereits bestehendes Baurecht haben.
„Im Jahr 2015 erreichte die in der Landesstatistik geführte Siedlungs- und Verkehrsfläche ca. 245.000 Hektar. Dies entspricht mehr als 13 Prozent der Landesfläche“, erläutert der Landtagsabgeordnete. „Allein im Zeitraum von 2005 bis 2015 ist die erfasste Siedlungs- und Verkehrsfläche um ca. 30.000 Hektar angewachsen. Dies entsprach etwa 8 Hektar pro Tag neu erfasste Siedlungs- und Verkehrsfläche.
Die Flächeninanspruchnahme hat sich in Sachsen deutlich von der demografischen Entwicklung entkoppelt bzw. verläuft gegenläufig. Zwischen 2005 und 2015 ist die Einwohnerzahl in Sachsen um etwa 220.000 Menschen (-5,4 Prozent) gesunken. Auch die Landwirtschaft leidet unter dem Flächenfraß. So verringerte sich die landwirtschaftliche Fläche in Sachsen in den letzten 15 Jahren um etwa drei Prozent.“
Und dazu kommt: Während an der einen Stelle großflächig gebaut wird und wertvoller Boden verloren geht, veröden andernorts ganze Landstriche. Da fehlt jegliche Steuerung.
„Wenn wir Sachsen weiter zubetonieren, wirft das gravierende ökonomische und soziale Probleme auf. Die Verödung von Ortskernen durch Verlagerung von Gewerbegebieten auf die ‚Grüne Wiese‘, die damit einhergehende städtebauliche Entwertung, mehr Autoverkehr und weniger Lebensqualität stellen negative Begleiterscheinungen dar“, zählt Günther auf.
„Der Flächenverbrauch verursacht zudem hohe Kosten, beispielsweise für Betrieb, Unterhalt und Instandsetzung der Infrastruktur bei der Errichtung neuer Baugebiete. Die Ausweisung neuer Flächen für Kommunen kann damit zu einer Fehlinvestition zulasten von Einwohnerinnen und Einwohnern und zukünftigen Generationen führen. Wenn diese Kosten nicht gesenkt werden, wird ihr Absolutbetrag pro Einwohner stark ansteigen.“
Und dann ist da noch das Klima, das sich längst für alle spürbar verändert.
„Zukünftig werden in Sachsen große Niederschlagsmengen durch Extremwetterereignisse in kurzer Zeit infolge des Klimawandels immer häufiger vorkommen“, ist sich Günther sicher. „Durch die zunehmende Versiegelung kann das Regenwasser nicht mehr versickern und Hochwasserereignisse werden so verstärkt. Zusätzlich wird die Funktion des Bodens als Puffer im Wasserhaushalt und Speicher von Grund- und Oberflächenwasser gestört.“
Mit der in diesem Gesetz vorgenommenen Ergänzung des Gesetzes über die Raumordnung und Landesplanung des Freistaates Sachsen wird über die politische Zielvorgabe der Bundesregierung – das wären für Sachsen umgerechnet immer noch 1,5 Hektar Flächenneuinanspruchnahme täglich – hinausgegangen.
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