Ein bisschen Lob von der Linkspartei, aber Widerspruch von der Bundeskanzlerin und dem Journalisten-Verband: Die Regierungserklärung des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer zu den Ausschreitungen in Chemnitz hat teilweise ungewöhnliche Reaktionen hervorgerufen. Der CDU-Politiker hatte unter anderem Rechtsextremismus als „größte Gefahr für unsere Demokratie“ bezeichnet, die Hetzjagden durch Neonazis geleugnet und die Medienberichterstattung über die Ereignisse kritisiert.

Die Ereignisse der vergangenen Tage in Chemnitz dominierten am Mittwoch, den 5. September, die Plenarsitzung des sächsischen Landtages. Diese begann mit einer Schweigeminute für das Todesopfer der Messerattacke in der Nacht zum 26. August. Anschließend folgte die halbstündige Regierungserklärung des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) unter dem Titel „Für eine demokratische Gesellschaft und einen starken Staat“.

Kretschmer nahm darin unter anderem Stellung zu den Ausschreitungen, zum Polizeieinsatz, zur Medienberichterstattung und zum Umgang des Freistaates mit Neonazis und anderen Rechtsradikalen.

„Ich bin der festen Überzeugung, dass Rechtsextremismus die größte Gefahr für unsere Demokratie ist“, sagte Kretschmer. Um diese zu bekämpfen, seien sowohl Justiz und Politik als auch die Zivilgesellschaft gefragt. „Der Kampf gegen Rechtsextremismus muss aus der Mitte der Gesellschaft heraus geführt werden.“ Die vor 20 Jahren geäußerte Ansicht des ehemaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf, dass die Sachsen „immun“ gegen Rechtsextremismus seien, teile er nicht.

Kretschmer bestreitet Hetzjagden

Zugleich verurteilte Kretschmer die Angriffe auf Journalisten und Migranten. Zum umstrittenen Polizeieinsatz am 27. August sagte er: „Die Mobilisierung durch Propaganda im Internet und die rechte Hooliganszene war höher als erwartet. Es wäre besser gewesen, wenn am Montagabend 100 oder 200 Polizisten mehr da gewesen wären. Aber die, die da waren, haben die Sicherheit in Chemnitz gewährleistet.“

In diesem Zusammenhang sagte Kretschmer, dass es keine Hetzjagden gegeben habe. Dieser Auffassung widersprachen später sowohl lokale Journalisten als auch Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Widerspruch von außen erhielt Kretschmer auch für seine Medienkritik. Demnach sei die Berichterstattung vor allem dann undifferenziert ausgefallen, wenn die jeweiligen Journalisten weit entfernt vom Geschehen gewesen seien. Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verbandes, kommentierte im Zusammenhang mit dieser Behauptung und der Leugnung von Hetzjagden: „Wer so redet, nimmt Medien- und Verfassungsfeinde in Schutz. Herr Kretschmer, wir hätten heute mehr von Ihnen erwartet.“

Linke widersprechen

Im weiteren Verlauf seiner Regierungserklärung thematisierte der Ministerpräsident zudem Straftaten von Asylbewerbern und eine Ausweitung der „sicheren Herkunftsländer“. Zudem solle besser gegen Falschmeldungen im Internet vorgegangen werden. In Richtung der AfD sagte er: „Sie sind für die Spaltung in unserem Land zu großen Teilen verantwortlich.“

In der anschließenden Diskussion widersprach Rico Gebhardt (Linke) einigen Einschätzungen. So sei es kein erfolgreicher Polizeieinsatz in Chemnitz gewesen. Dem Ministerpräsidenten warf er vor: „Sie sind nur aktiv gegen Rassismus, wenn Sie damit beim jeweiligen Publikum punkten können.“ Positiv sei jedoch, dass er überhaupt Präsenz bei entsprechenden Veranstaltungen zeige. Für viele in der sächsischen CDU stehe der Feind links, nicht rechts. Die CDU müsse nun „über ihren Schatten springen“.

Die AfD hetzt

Christian Hartmann (CDU) forderte hingegen ein „klares Bekenntnis zur Mitte“ und eine Auseinandersetzung mit Extremismus im Allgemeinen. Die „Pauschalkritik“ an der sächsischen Polizei sei „nicht hinnehmbar“. Hanka Kliese vom Koalitionspartner SPD kritisierte, dass zivilgesellschaftliche Initiativen „nicht immer die Unterstützung der Landesregierung“ gehabt hätten. Nun müsse überprüft werden, ob die Strategien und Instrumente im Kampf gegen Rechtsextremismus noch zeitgemäß sind.

Jörg Urban aus der AfD-Fraktion nutzte seine Redezeit, um gegen Parteien und Politiker im Allgemeinen zu hetzen und die „illegale Grenzöffnung“ durch Angela Merkel zu thematisieren. Die „Staatskrise“ sei längst da, unter anderem weil Abschiebungen nicht konsequent durchgeführt würden. Wolfram Günther (Grüne) bezeichnete diese Aussagen später als „finsteres Sprech der 1930er Jahre“.

Im späteren Verlauf der Debatte waren auch die Gegenkundgebungen und das Gratiskonzert am vergangenen Montag ein Thema. Politiker verschiedener Parteien diskutierten darüber, ob diese ein ausreichendes Angebot für die „Mitte der Gesellschaft“ darstellten.

Die aufgezeichnete Debatte vom MDR-Livestream via Facebook

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