Andrea Nahles, Bundesvorsitzende der SPD, hat ein Problem. Eigentlich hat sie viele Probleme. Aber ein besonderes Problem hat sie mit den Grünen. Die werden ihr zu aufmüpfig. Also nutzte sie ein „Spiegel“-Interview, um mal das zu machen, was in der heutigen Talkshow-Politik augenscheinlich üblich ist: Sie grätschte und wählte dann eine Begründung, die bei ihren Genossen in Sachsen ganz schlecht ankam. Das war quasi ein Foul an den eigenen Leuten.

Die sind zwar nicht so laut und deutlich wie die Grünen. So ist die sächsische SPD nun einmal nicht. Man arbeitet lieber beharrlich und in aller Stille daran, gerade den unbeweglichen Klops CDU endlich zu bewegen, die richtigen Dinge richtig zu tun.

Auch bei der Braunkohle.

Man redet zwar nicht öffentlich vom Abschalten, aber die Genossen, die sich mit der Braunkohleverstromung beschäftigen, wissen, dass der letzte Meiler wohl noch vor 2040 vom Netz geht, einige auch schon bis 2030. Und das muss man vorbereiten. Da sind sie ganz bei den Grünen.

Aber sie wissen auch, wie stark die Bremser sind in Sachsen und wie eng verbandelt die regierende CDU mit den jeweiligen Kohlekonzernen. So verbandelt, dass sich der Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) auch nur gegen die Zumutung wehrte, überhaupt über den Strukturwandel in der Lausitz nachzudenken. Sein Verweigern in der Kohlepolitik war einer der Gründe für seinen Rückzug vom Amt.

Mit seinem Nachfolger Michael Kretschmer (CDU) wird wenigstens endlich offen über den anstehenden Strukturwandel geredet.

Und da kommt die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles und erklärt, weil sie irgendwie eine Rechnung mit den Grünen offen hat: „Aber für eine Blutgrätsche gegen die Braunkohle steht die SPD nicht zur Verfügung. Wir können diese Technologie nicht einfach abknipsen. An der Kohle hängen Lebensläufe und ganze Regionen.“

Das kam vor allem im Landesarbeitskreis „Klimaschutz und Energiewende“ der sächsischen SPD ganz schlecht an. Denn das hat man hierzulande seit neun Jahren viel zu oft gehört. Das Argument kam ursprünglich direkt aus den PR-Abteilungen der Kohlekonzerne. Und dann war es unter Tillich immer wieder das Totschlagargument, dass über den Strukturwandel überhaupt nicht geredet werden durfte.

Nun gibt es endlich die Bundes-Kohleausstiegskommission, auch wenn die Zweifel groß sind, dass die tatsächlich so mutig sein wird, den Ausstieg aus der Kohle wirklich vorzubereiten. Es gibt endlich öffentliche Diskussionen über den Strukturwandel in der Lausitz und im mitteldeutschen Revier.

Und da kommt die Bundesvorsitzende wieder mit einem Bremserargument um die Ecke, das Uwe Hitschfeld, Sprecher des Arbeitskreises „Klimaschutz und Energiewende“, nur noch aufstöhnen lässt, weil es mal wieder zeigt, dass in Berlin völlig an den betroffenen Regionen vorbeigeredet wird.

„Politik, die sich nur an den Interessen der heutigen Generation ausrichtet, greift zu kurz. Verantwortungsvolle Politik muss auch die Interessen der Kinder- und Enkelgeneration im Blick haben und Antworten auf die wesentlichen Herausforderungen der Zukunft formulieren. Dazu gehört zweifelsfrei der Klimaschutz! Der Arbeitskreis ‚Klimaschutz und Energiewende‘ der sächsischen SPD fordert darum eine Klarstellung der im aktuellen ‚Spiegel‘ formulierten Ankündigung der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles, ‚…in der Umweltpolitik künftig vor allem die Folgen für die Beschäftigten in den Abbaugebieten in den Fokus rücken zu wollen‘“, sagt Hitschfeld.

„Dass die Belange der Menschen in den betroffenen Regionen berücksichtig werden müssen ist – gerade für die SPD – eine Selbstverständlichkeit und sollte auch bisher schon Bestandteil der SPD-Politik gewesen sein. Die Frage ist aber eben nicht nur, wie man den ‚Strukturwandel für die Menschen in den betroffenen Regionen erfolgreich gestaltet‘ (so Nahles). Die Frage ist auch, ob und wie unsere Kinder und Enkel auf diesem Planeten noch gut leben können. Klimaschutz ist nicht Selbstzweck oder ein taktisches Wahlkampfmanöver – es ist eine Überlebensfrage!“, reibt er der Bundesvorsitzenden die schlichte Tatsache unter die Nase, dass gerade die deutschen Braunkohlekraftwerke einen wesentlichen Anteil daran haben, dass die Bundesrepublik ihre Klimaziele nicht erreicht.

„Deshalb ist es gegenüber den Menschen in den betroffenen Regionen verantwortungslos, die notwendigen Veränderungen so weit wie möglich aufzuschieben, statt sie zum Aufbruch zu befähigen“, sagt Hitschfeld. „Es ist aber auch gegenüber den nachfolgenden Generationen verantwortungslos, sich nicht sofort und mit ganzer Kraft dem Klimaschutz und einer verantwortlichen Energiepolitik zuzuwenden. Klimaschutz ist deshalb nach Ansicht des Arbeitskreises kein Politikfeld wie andere auch. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, der wir uns mit aller Kraft stellen müssen. Deshalb muss Klimaschutz ein zentrales Handlungsfeld für die künftige SPD-Politik werden.“

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Es gibt 4 Kommentare

Liebe Mitglieder der Orts-, Stadt und Landesgruppen der SPD, macht es doch einfach so: Stellt ein Ultimatum, entweder die Partei verläßt die Regierung oder ihr verlaßt die Partei. Alles andere ist unglaubwürdig. Macht das nicht mehr mit, spart euch die Pressemitteilungen, in denen ihr erklärt…

Frau Nahles macht wahr, was sie am Abend der Bundestagswahl so fröhlich verkündete: von jetzt an kriegen sie auf die Fresse!
Nämlich all die Orts-, Stadt und Landesgruppen der SPD, die eine gute Basisarbeit machen. Die der Bundes-SPD überhaupt erst ermöglicht haben überhaupt noch im Bundestag vertreten zu sein.
Und mit diesen Gedanken im Hinterkopf peilt Frau Nahles für die Bundes-SPD weiterhin zielsicher die 5%-Hürde an. Si hat schon vieles geschafft, sie wird auch das schaffen.

Die Nahles begreift leider gar nichts. Siehe weitere Groko, genau deshalb ist die SPD da wo sie jetzt ist, inclusive panischer Angst vor der AfD obwohl die noch weniger zu bieten hat.

Ach, hat mal wieder jemand von der SPD in einer Pressemitteilung erklärt, wie schlecht die Politik ist, die die SPD mit aller Kraft macht?
Danke, daß wissen wir schon. Genauso, wie wir wissen, daß sie, wenn’s wieder mal drauf ankommt, zuverlässig die Hand an der – für Frau Nahles – richtigen Stelle heben.
Oder wie kommt es, daß so viele in dieser Partei wissen, was richtig wäre, die Partei aber genau das Gegenteil tut. Naja, sie sind ja nicht an der Regierung, oder?

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