TV-Moderator Jan Böhmermann richtete nach der illegalen Verbreitung eines Haftbefehls durch die rechtsextreme Rathaus-Partei „Pro Chemnitz“ via Twitter fünf Fragen an die Staatsregierung. Das Innenministerium war um Antworten verlegen, selbst um solche, die bereits öffentlich bekannt sind. Linken-Abgeordnete Sarah Buddeberg machte sich die Fragen kurzerhand zu eigen und reichte eine Kleine Anfrage im sächsischen Landtag ein.

Das Innenministerium hätte gewarnt sein müssen. ZDF-Moderator Jan Böhmermann ist für sein Gespür bekannt, im richtigen Augenblick die richtigen Fragen medienwirksam an die richtigen Behörden zu stellen. Am Donnerstag beschäftigte sich der Satiriker praktisch zeitgleich mit dem “Hutbürger”, dem er ein Lied widmete (Video am Ende) und mit der strafbaren Veröffentlichung des Haftbefehls gegen einen der Männer, die am Samstag am Rande des Chemnitzer Stadtfests einen 35-Jährigen erstochen haben sollen. Die Tat war Auslöser der rechtsextremen Krawalle an den Folgetagen.

Zuerst erschien der Haftbefehl am Dienstag auf den Social-Media-Kanälen von „Pro Chemnitz“. Die Rathaus-Partei hatte die Neonazi-Demo am Montag angemeldet, zu der nach Polizeiangaben rund 6.000 Teilnehmer angereist waren. Unter ihnen zahlreiche Rechtsextremisten und Hooligans. Wieder einmal stellt sich in Sachsen die Frage, wer interne Informationen an die Rechten durchgesteckt hat? Dresdner Staatsanwälte sind seit Mittwoch mit den Ermittlungen betraut. Für Böhmermann Grund genug, einmal nach dem Stand der Dinge zu fragen.

Der Moderator formulierte fünf Fragen, die er auf Twitter an den Ministerpräsidenten, das Innenministerium und die Polizei adressierte:

1. In Bremen hat die Polizei gestern eine Hausdurchsuchung bei einem Extremisten durchgeführt, der den von “Pro Chemnitz” bei Facebook veröffentlichten Haftbefehl geteilt hatte. Gab es ähnliche Maßnahmen in Sachsen?
2. Ist Ihnen bekannt, wer hinter der Gruppe “Pro Chemnitz” steckt?
3. Hat die Gruppe “Pro Chemnitz” bereits in der Vergangenheit behördeninterne Dokumente veröffentlicht? Wie gelangt diese Gruppe an nicht öffentliche, behördeninterne Dokumente?
4. Während des Mordprozesses gegen den “Reichsbürger” Adrian U. sind polizeiinterne Videoaufnahmen des kompletten SEK-Einsatzes bei Youtube aufgetaucht. Gibt es eventuell Verbindungen zwischen “Pro Chemnitz” und dem Mordprozess gegen Adrian U.? Wenn ja, welche?
5. Bezug nehmend auf diesen Tweet des @SMIsachsen von gestern: Hält es das Staatsministerium für wahrscheinlich, dass die behördeninternen Dokumente aus dem Umfeld der mutmaßlichen Täter oder des Opfers veröffentlicht wurden? Wenn nein, gegen welche Behörden wird ermittelt?

Man könnte erwarten, dass das Ministerium zumindest das Offensichtliche mitteilt, so gut es denn geht. Aber Pustekuchen. Irgendein Ministeriumssprecher postete ein paar Allgemeinplätze. „Dieses Verfahren wird in einem anderen Bundesland geführt“. Böhmermann möge dort nachfragen. Zu laufenden Ermittlungen äußere man sich ohnehin nicht. Und deshalb habe man auch keine Kenntnisse, wer hinter „Pro Chemnitz“ stecke. Kleiner Tipp: Die Rathaus-Partei sitzt im Chemnitzer Stadtrat. Der Fraktionsvorsitzende heißt Martin Kohlmann, ist 41 Jahre alt, von Beruf Rechtsanwalt und fiel im Gruppe-Freital-Prozess durch rechtsradikale Äußerungen auf.

Könnte man alles sogar öffentlich im Netz stehend nachlesen und Herrn Böhmermann mitteilen.

https://twitter.com/janboehm/status/1035055144185016320

Während Böhmermann die spärlichen Auskünfte gewiss noch auf irgendeine Art und Weise verarbeiten wird, möchte Sarah Buddeberg Klarheit. „Jan Böhmermann trifft mit seinen Fragen zum Umgang mit geleakten Behördendokumenten mal wieder wunde Punkte sächsischer Regierungspolitik“, findet die Linken-Abgeordnete.

„Deshalb möchte ich, dass sie offiziell verbindlich in Form einer Landtags-Drucksache beantwortet werden müssen. Denn die Twitter-Kommunikation aus den Reihen der sächsischen Staatsregierung hat nicht den Grad an Seriosität, die hier vonnöten ist.“ Die Kleine Anfrage hat Buddeberg schon eingereicht.

Die Staatsregierung hat ab jetzt vier Wochen Zeit, um Böhmermanns Fragen zu beantworten.

Bis dahin gibt es ja zumindest das neue Lied von Jan Böhmermann im Netz anzuschauen

Leipzig nimmt Platz: Auch wir waren in Chemnitz

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