Wenn sogar die Bauindustrie die sächsische Wohnungsbaupolitik kritisiert, dann muss in der Knauserpolitik des Freistaats schon gewaltig etwas schiefgelaufen sein. „Der nach wie vor bestehende Mangel wird Wohnen da, wo weiterhin unterhalb der Bedarfsschwelle gebaut wird, noch teurer werden lassen“, formulierte der Verband der Bauindustrie in Sachsen und Sachsen-Anhalt in Auswertung der Zahlen der 2017 fertiggestellten Wohnungen in Sachsen.
„Die Entwicklung des Wohnungsbaus verlief 2017 in den Kreisfreien Städten des Freistaates mit Ausnahme von Dresden durchaus dynamisch, aber unzureichend“, erklärte Dr. Robert Momberg, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Sachsen/Sachsen-Anhalt e. V. nach Bekanntgabe der Anzahl der Wohnungsfertigstellungen 2017 in Sachsen durch das Statistische Landesamt.
Man lobte zwar die etwas gestiegene Zahl der Wohnungsfertigstellungen in Leipzig (1.136) und Chemnitz (478). Aber im Ergebnis kommt die Landesregierung überhaupt nicht gut weg: „Das greift aber zu kurz, denn angesichts der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt gerade in den Städten des Landes mit dem bestehenden Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, welches sich aufgrund der in der Vergangenheit gemachten Versäumnisse gerade bei der Schaffung preisgünstigen Wohnraums in einem hohen Nachholbedarf manifestiert, hätten bedeutend mehr Wohnungen gebaut werden müssen.“
Aber gerade preisgünstiger Wohnraum ist ohne ausreichende Förderung durch das Land nicht möglich.
Zumindest Albrecht Pallas, Sprecher für Wohnungsbau und Stadtentwicklung der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, reagierte auf die deutliche Kritik.
„Der Freistaat wird angesichts der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt auch in Zukunft den Neubau oder die Sanierung von Wohnraum finanziell unterstützen müssen“, sagte Albrecht Pallas. „Alle existierenden Förderinstrumente sind dabei wichtig. Aber insbesondere der soziale Wohnungsbau schafft bezahlbaren Wohnraum. Auch wenn vor allem in Leipzig und Dresden die Fördermittel wegen der Anlaufschwierigkeiten nicht vollständig abgerufen wurden, muss der Freistaat seine Bemühungen aufrechterhalten und im nächsten Doppelhaushalt 2019/20 Gelder in mindestens der gleichen Höhe wie derzeit einstellen.“
Das mit dem „nicht vollständig abgerufen“ muss man einschränken: Innenminister Markus Ulbig hatte den bürokratischen Papierkram derart kompliziert gestaltet, dass die Städte erst 2017 wirklich die Bewerbungsverfahren für alle Interessenten eröffnen konnten, die bereit sind, sozialen Wohnraum zu schaffen. Und die Nachrichten aus der Leipziger Verwaltung deuten darauf hin, dass die Nachfrage größer ist als das verfügbare Budget.
Die Staatsregierung hat sich – weil sie in Wirklichkeit genauso tickt wie die Bundesregierung – die Förderbedarfe gerade in Leipzig und Dresden wieder künstlich kleingerechnet.
„Und die Gelder müssen langfristig gesichert werden“, so Pallas weiter. „Da ist der Bund, konkret der zuständige Bundesminister gefragt, den Koalitionsvertrag umzusetzen. Hier gibt es in Sachsen, aber auch bundesweit viel zu tun. Wenn Bauminister Seehofer mit derselben Energie wie an anderen Themen daran arbeiten würde, wären wir schon ein Stück weiter.
Bei dieser Hausaufgabe hätte Herr Seehofer dann auch von unserer Seite die volle Unterstützung. Die SPD-Fraktion, die das Thema soziale Wohnraumförderung in Sachsen überhaupt erst wieder auf die politische Agenda im Freistaat gesetzt hat, wird sich bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen für diesen Bereich stark machen.“
Im Doppelhaushalt 2017/18 stehen für die Wohnraumförderung Mittel von 143 Millionen Euro zur Verfügung, davon freilich für den sozialen Wohnungsbau jährlich nur 50 Millionen.
Nur 50 Millionen, also etwas über 20 Millionen Euro für Leipzig. Was aber nicht ansatzweise reicht, um den Bau von 1.500 Sozialwohnungen im Jahr zu realisieren, die Leipzig eigentlich braucht. Die Größenordnung, die Leipzigs Baudezernat sieht, liegt irgendwo zwischen 300 bis 600 geförderter Wohnungen im Jahr. Das ganze Förderprogramm ist also von Anfang an um mindestens 100 Millionen Euro unterfinanziert.
So lässt man die Großstädte sehenden Auges in eine Wohnungsknappheit gerade bei den Wohnungssuchenden laufen, die sich die Wohnungen auf dem freien Markt nicht mehr leisten können.
„Um Druck aus den angespannten Wohnungsmärkten der Großstädte zu nehmen, ist einerseits ein angemessener Wohnungsneubau und andererseits eine soziale Abfederung notwendig. Nur so kann es gelingen, dass auch Haushalte mit kleinem Geldbeutel angemessenen und bezahlbaren Wohnraum finden und nicht an die Ränder der Städte gedrängt werden“, meint Pallas noch.
Aber genau das passiert längst.
Da klang Robert Momberg wesentlich deutlicher: „Die Entwicklung des Wohnungsbaus verläuft in Sachsen mit Ausnahme der Landeshauptstadt nicht einmal ansatzweise bedarfskonform.“
Und die Gesamtbilanz des Verbandes der Bauindustrie klang für den Innenminister, der in Sachsen für den Wohnungsbau zuständig ist, noch vernichtender: „Die Entwicklung des Wohnungsbaus verläuft in Sachsen insgesamt noch unbefriedigend. Nur die zügige Schaffung und Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum, gerade in Städten mit hoher Anziehungskraft, kann dem Preisauftrieb entgegenwirken und dem gegenwärtigen und künftigen Bedarf an Wohnungen gerecht werden.“
„Unbefriedigend“ gibt es zwar auf der Schulnotenskala nicht, nur ein „befriedigend“. Aber das ist, wie alle Schüler wissen, nur die Note 3. Ein „unbefriedigend“ ist demnach bestenfalls die Note 4.
Und das gilt für den alten Innenminister Markus Ulbig genauso wie für seinen Nachfolger Roland Wöller. Wahrscheinlich auch für die beiden Finanzminister, die diesen Notstand in der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus erst haben entstehen lassen. Und 50 Millionen Euro bei einem derart aufgelaufenen Bedarf sind einfach nur ein Witz, lösen keine Probleme und lassen die Wohnungsnot erst richtig wachsen.
Denn sie bedeuten für Leipzig, dass pro Jahr um die 900 preisgünstige Wohnungen zu wenig gebaut werden. Oder wurden. Die Effekte sieht man ja schon: Das Leipziger Bevölkerungswachstum ist gestoppt. Normalverdiener können sich die neuen Wohnungen nicht mehr leisten.
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