Der Umbau des sächsischen Waldes geht viel zu langsam. Wälder sind auf das, was Menschen tun, nicht eingerichtet. Schon gar nicht auf das rasante Tempo des Klimawandels, unter dem in Sachsen besonders die in den vergangenen Jahrhunderten angepflanzten Monokulturen leiden. Sie sind vor allem betroffen, wenn Stürme wie „Kyrill“, „Herwart“ und „Friederike“ übers Land toben und dabei komplette Anbauflächen flachlegen.
Und betroffen sind dabei vor allem die schnell wachsenden industriell genutzten Nadelwälder. Und das brachte im März sogar Sachsens Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) zum Grübeln. Denn sein Ministerium meldete: Offenbar nimmt die Anzahl von extremen Witterungsereignissen, wie Stürmen oder Trockenheit, zu.
„Deswegen ist es umso dringlicher, den Waldumbau zu stabilen, arten- und strukturreichen, leistungsfähigen Mischwäldern zu forcieren. Wir müssen die ungewollte Chance nutzen, die uns die Folgen der Stürme bieten“, sagte Thomas Schmidt. Und kam dann gleich mal auf die Jagd und den Wildverbiss zu sprechen. So richtig vertiefen wollte er das Thema nicht. Denn die sächsischen Waldbesitzer hatten auch im März noch alle Hände voll zu tun, die 2 Millionen Festmeter Bruchholz aus den Wäldern zu holen, die die Winterstürme hinterlassen hatten.
Denn die nächste Gefahr lauerte ja schon.
Schmidt: „Schätzungsweise zwei Millionen Kubikmeter Schadholz in Staats-, Privat- und Körperschaftswald wurden in kurzer Zeit quasi unkontrolliert zu Boden gebracht. Das ist die in Sachsen sonst planmäßig in einem Jahr genutzte Holzmenge.“
Aber eine Warnung hatte er schon: „Dank der guten Zusammenarbeit mit den Forstunternehmen werden die Sturmschäden in den von ‚Herwart‘ betroffenen fichtendominierten Mittelgebirgslagen mehrheitlich vor dem Flug der Borkenkäfer im Frühjahr beseitigt sein.“ In den von „Friederike“ heimgesuchten Hügel- und Tieflagen werde die Aufarbeitung das ganze Jahr andauern.
Denn was da gebrochen herumliegt, frisst einer besonders gern: der Borkenkäfer. Und wenn es monatelang heiß und trocken bleibt, fühlt er sich käferwohl.
Danach fragte nun aus gutem Grund der Landtagsabgeordnete der Grünen, Wolfram Günther.
Und die Antworten aus dem Umweltministerium geben guten Grund zur Sorge: „Die bisherige Witterung wirkte außerordentlich förderlich auf die Entwicklung des Buchdruckers. In Verbindung mit dem sturmbedingten Brutraumangebot kann es gerade in Gebieten mit hohem Wurf- und Bruchholzanfall und hohem Vorjahresbefall zu sehr hoher Befallsgefährdung kommen. Beim Monitoring der Borkenkäfer mittels Pheromonfallen bewegen sich die Käferdichten weiter auf einem hohen Niveau (nachzuvollziehen auch auf folgendem Link https://www.forsten.sachsen.de/wald/191.htm).
Zum Teil wurde die kritische Anzahl von mehr als 3.000 Käfern pro Dreifallenstern und Woche mehrfach erreicht beziehungsweise deutlich überschritten. Schwerpunkte bilden die Borkenkäfer-Regionen ,Elbsandsteingebiet‘, ,Mittelsachsen‘ und ,Vogtland‘. Die kumulierten Fangzahlen sind mittlerweile so hoch, dass im Vergleich zum Vorjahr von einer wesentlich höheren Käferdichte auszugehen ist. Die bisher zu diesem Zeitpunkt gemessenen Maxima wurden vielerorts überschritten. Auch der Schwellenwert für Stehendbefall von 30.000 Käfern pro Jahr wurde auf fünf Monitoring-Standorten erreicht.“
Und entsprechend Druck besteht, auch noch das restliche Bruchholz aus den Wäldern zu holen und dabei die Borkenkäferbruten zu dezimieren.
„Zur Zeit des Schwärmbeginns war bereits etwa die Hälfte der Nadelbäume aufgearbeitet“, stellt das Umweltministerium fest. „Gleichzeitig mit der Entwicklung der Folge- und Geschwister-Generationen der Käfer schreitet die Aufarbeitung weiter voran. Schon aufgearbeitetes, aber noch im Wald lagerndes Wurf- und Bruchholz ist ein idealer Brutraum, sodass sich der Befall liegender Bäume hierauf konzentriert (,Fangholz-Effekt’). Die Forstbezirke sind aufgefordert, die aktuelle Kapazität bei der Aufarbeitung diesbezüglich möglichst effektiv zu nutzen.“
Nur als „ultima ratio“ sollen Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden.
„Neben der möglichst effektiven weiteren Aufarbeitung von Sturmholz sind gleichzeitig die Kontrollen auf stehenden Befall zu intensivieren“, so das Ministerium. „Schwerpunkte sind dabei die Befalls-Bereiche aus dem Vorjahr und Randbereiche der aufgearbeiteten Schadflächen. Diese Bereiche erweitern sich aufgrund der vorherrschenden warmen Witterungsbedingungen auch auf das Bestandesinnere. Ist der erhebliche zusätzliche Kontrollaufwand nicht mit eigenem Personal zu decken, sind gegebenenfalls forstliche Unternehmer einzusetzen.“
Da taucht nämlich ein kleines Problem auf: Auch bei Sachsenforst hat man in den letzten Jahren emsig Personal gekürzt. Seit dem Orkan „Kyrill“ im Jahr 2007 schmolz die Zahl der bei Sachsenforst beschäftigten Waldarbeiter von 634 auf 421. Immer mehr Aufgaben müssen also an „forstliche Unternehmer“ ausgelagert werden.
Die Stürme haben im Grunde nur die Schwächen der alten monokulturellen Nutzwälder gezeigt. Solche Wälder haben bei veränderten Witterungsbedingungen überhaupt keine Chance.
Und so sieht das Umweltministerium diese flächenweise Entholzung auch als Chance, ein bisschen mehr Waldumbau zu schaffen als geplant: „Vor dem Hintergrund der Sturmschäden wird auch der Waldumbau bedeutender. Im Staatsforst werden jährlich 1.300 Hektar in stabile und artenreiche Mischwälder umgewandelt. Die Wiederaufforstung, die Folgearbeiten der Schadholzaufbereitung, die Pflege der in Mitleidenschaft gezogenen Bestände, wie die Wiederherstellung der Waldwege, werden erhebliche finanzielle als auch personelle Anstrengungen erfordern.“
40 Lehrlinge wolle man deshalb auch weiterhin ausbilden, meldete das Ministerium im Juni.
Aber wie sieht das dann mit der Zahl der Waldarbeiter aus?
„Um die angestrebte Zahl von 380 Waldarbeitern im Sachsenforst dauerhaft zu halten, müssen ab dem Jahr 2020 jährlich mindestens 20 ausgebildete Kräfte eingestellt werden. Da nur ein Teil der ausgebildeten Lehrlinge dem Sachsenforst für eine Festanstellung zur Verfügung stehen, soll die Lehrlingszahl auch zukünftig bei 40 im Jahr belassen werden.“
Man will also den Klimawandel mit noch weniger Personal bewältigen. Weniger Arbeit wird es ja auf keinen Fall.
Wolfram Günthers Anfrage zum Borkenkäferbefall in Sachsens Wäldern.Drs. 13886
Es gibt 4 Kommentare
Das ist das Problem, hier haben die Bäume gefälligst erst ein dutzend Genehmigungen zu beantragen, bevor sie irgendwo wurzeln dürfen.^^
Ach. Ich bin sogar felsenfest davon überzeugt, Wald würde sich auch wieder von allein ausbreiten, wenn wir mal einige Flächen einfach sich selbst überlassen. Habe selber mehrere Wäldchen schon aus dem Nichts wachsen sehen. Leider kam irgendwann immer jemand mit einer Motorsäge und hat diese Flächen gefällt, wenn Bäume sich erdreistet haben, von allein zu wachsen. Gibt so ein Buch dazu, wo jemand das alles durchspielt, wie schnell die Natur sich die Welt zurückerobert. Wenn die Menschheit aussterben würde, soll es wohl ca. 20 Jahre dauern, dann wären die Städte in Wäldern verschwunden. Der Mann heißt Alan Weisman, der für sein Buch Kenntnisse und Forschungen zahlreicher Wissenschaftler verwendet hat. Und wenn man bedenkt, dass der Regenwald (Ja! Der in Südamerika!) wohl bis ins 15. Jahrhundert dicht besiedelt war und davon schon kurze Zeit nach Zusammenbruch dieser Kulturen nichts mehr zu sehen war… könnte Herr Weisman sogar Recht haben.
Naja, der Wald könnte schon ohne Menschen auskommen und durch natürliche Vorgänge Lichtungen bilden und wandern. Wenn er denn Platz dazu hätte. Den haben wir ihm aber zubetoniert oder für die Agrarindustrie totgespritzt. Also muss der Mensch zwingend unterstützend eingreifen, da widersprechen sich Forderungen nach mehr Natur UND mehr Personal keineswegs. Solang es uns Menschen noch gibt (was ja bei unserer Zerstörungswut nicht mehr ewig dauern wird^^), wird der Wald auch leider unsere Hilfe brauchen.
“Man will also den Klimawandel mit noch weniger Personal bewältigen. Weniger Arbeit wird es ja auf keinen Fall.”
Ich bin jetzt mal frech und behaupte, man braucht eigentlich gar kein Personal, um den Klimawandel zu bewältigen. Warum?
Erstens kann man den Klimawandel wahrscheinlich gar nicht nach menschlichen Maßstäben bewältigen, und wenn, dann könnte man ihn eher minimieren bspw. durch weniger Autofahren oder Minimieren von Emissionen etc. Aber nicht durch forstliche Maßnahmen, bei denen eher noch Emissionen durch Harvester, Motorsägen und Fahrzeuge entstehen.
Zweitens: vielleicht braucht die Natur uns Menschen auch gar nicht, um den Klimawandel zu bewältigen. Vielleicht schaffen die Pflanzen und Tiere das auch allein, wenn man sie ließe? Baumarten sind schon zu Eiszeiten von allein nach Süden gewandert und nach den Eiszeiten zurück, mehr als wahrscheinlich, dass sie diesmal schlicht nach Norden wandern, wenn es zu warm ist (und andere Bäume kommen dann von Süden hierher). Und ja: natürlich können sich Pflanzen bewegen, es ist nur eine Zeitfrage, sie sind eben nicht so schnell wie wir (Stichwort Samen). Sie haben kurze und krasse Wetterumschwünge durch Meteoriten und Vulkanausbrüche überstanden… sicher ist der Klimawandel eine Herausforderung für sie, aber wenn es einer schafft, dann die Natur. Nur bei uns Menschen bin ich mir da nicht so sicher.
Nun kommt der Borkenkäfer und hilft dem Waldumbau auf natürliche Wege auf die Sprünge, er schafft Biotope und ebnet natürlicher Sukzession den Weg, damit die standorttypische Flora von allein wachsen könnte – und nun ist es auch wieder nicht recht. Warum nicht? Liebe L-IZ, in einem Artikel hier wird mal mehr Natur und Totholz gefordert, und hier wird nun mehr Personal gefordert, um “den Klimawandel zu bewältigen” – das widerspricht sich. Natur kommt auch ohne Mensch zurecht, den einzigen, den der Borkenkäfer wirklich stört, ist der Waldbesitzer, der gut verkäufliches Holz in hohen Mengen produzieren will.
Kann ich einem Waldbesitzer prinzipiell nicht mal verübeln, er hat den Wald ja auch nicht, weil er ein Naturfreund ist, sondern er will in der Regel dort auch (möglichst viel, wie es in unserer Welt eben so ist) Geld herausbekommen. Das dies natürlich nicht immer konform mit der Natur geht, ist logisch. Muss aber auch kein Widerspruch sein, theoretisch könnte man auch mit etwas Verzicht beides unter einem Hut bekommen (wenn Mensch nicht so furchtbar gierig wäre).
Ein komplett von Insekten zerfressener Baum (oder sogar mehrere Bäume) ist ein Fest für Vögel, Fledermäuse, Pilze, Flechten, irgendwann fallen die Bäume um und eine Lichtung entsteht, wo dann eben das wächst, was dort die besten Standortansprüche vorfindet. Was immer das dann sein wird, gibt die Natur vor und nicht der Mensch.
Was Mensch dort vorgibt als Baumarten, werden aber immer die sein, die man auch möglichst gut verkaufen kann in ein paar Jahrzehnten oder Jahrhunderten… und der Kreislauf beginnt von vorn.