Was passiert eigentlich, wenn gewählte Minister im Amt überhaupt nicht dran denken, Zielvorgaben ernst zu nehmen und die Dinge zu verändern? So wie die sächsischen Landwirtschaftsminister, die ja auch für die Gewässerqualität in Sachsens Flüssen zuständig sind? Nichts passiert. Die Flüsse bleiben giftbelastet. Und das schöne Versprechen bleibt eine Blase. Nicht nur in Leipzig sind die Flüsse ein schäumender Zutatencocktail.

Und es ist ja auch weit und breit keine einzige Maßnahme sichtbar, mit der irgendein Landwirtschaftsminister seit 2011 auch nur versucht hätte, den eminenten Einsatz von Dünger und Pestiziden zu drosseln, die Bodenerosion zu beenden und den Flüssen ihre natürliche Reinigungskraft zurückzugeben.

Deswegen sind auch die Leipziger Flüsse über weite Strecken nur kärglich mit Fischen und Wasserpflanzen besetzt, Krebse und Muscheln bleiben verschwunden. Und Parthe, Weiße Elster und Neue Luppe suppen weiter mit der Note 5 für ihren ökologischen Zustand durch die Aue, die von Deichen und Wehren verbaut ist.

„Sachsen kommt in puncto Wasserqualität nicht entscheidend voran“, kritisiert Wolfram Günther, Fraktionsvorsitzender und umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Sächsischen Landtag. „Im Jahr 2011 hatte die Staatsregierung verkündet, dass bis Ende 2015 73 der natürlichen Oberflächengewässer einen guten ökologischen Zustand erreichen sollen. Aktuell haben aber nur 20 diese Wasserqualität.“

Auf eine aktuelle Kleine Anfrage von Wolfram Günther antwortete Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU), dass von den 481 natürlichen Oberflächengewässern aktuell zirka 4 Prozent in einem guten ökologischen Zustand sind. Im Leipziger Raum kein einziges. Im Gegenteil: Die Weiße Elster und die Pleiße, die noch im Leipziger Vorfeld zumindest mittelmäßige Noten bekommen, nehmen auf den letzten Kilometern noch so viele Schadstoffe auf, dass sie am Ende bei Note 4 (Pleiße) bzw. einer fetten 5 (Weiße Elster) landen.

Etwa 15 Prozent der Flüsse sollen dieses Ziel bis 2021 erreichen, 81 Prozent bis 2027, stellt Günther fest. Das Ministerium hat auch Angaben gemacht, bis wann die gute Wasserqualität erreicht werden soll. Allerdings wurden die sächsischen Gewässer letztmalig im Jahr 2015 flächendeckend untersucht. Der ökologische Zustand von 33 Prozent der sächsischen Gewässer wurde danach mit der Note 5 als schlecht bewertet, weitere 26 Prozent erhalten mit der Note 4 das Prädikat unbefriedigend.

Es passiert ja auch nichts, das irgendwie dazu beitragen könnte, die Wasserqualität zu verbessern. Außer dass man mittlerweile auch im Ministerium langsam unruhig wird, was etwa den Zustand der Leipziger Nordwestaue betrifft. Wer hier daran denkt, die Wasserqualität wirklich bis 2027 zu verbessern, muss das ganze Wasserregime ändern und den Flüssen wieder eine natürliche Auenentwicklung zugestehen. Das Projekt „Lebendige Luppe“ erreicht davon nichts.

Ausschnitt aus der Tabelle zur Gewässergüte. Tabelle: Freistaat Sachsen, SMUL
Ausschnitt aus der Tabelle zur Gewässergüte. Tabelle: Freistaat Sachsen, SMUL

„Bereits seit 18 Jahren gibt es die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der EU. Sachsens wechselnde CDU-Umweltminister haben das Problem nicht ernst genommen. Umweltminister Schmidt muss nun endlich tätig werden“, fordert Wolfram Günther den alten Mann zum Handeln auf. Aber es gibt in Schmidts Ministerium kein Konzept, wie man überhaupt an die Revitalisierung der Flüsse gehen wollte. Stattdessen dominiert seit der Jahrhundertflut von 2002 die Eindeichung der Flüsse zu Kanälen.

„Wie er jetzt auf die Schnelle die versprochenen Verbesserungen erreichen will, ist mir völlig unklar. In Sachsen fehlen bisher an der WRRL ausgerichtete Gewässerentwicklungskonzepte. Die Gewässerbelastung ist vor allem auf den Pestizideinsatz in der Landwirtschaft, die Einleitung von Klärwasser und Industriechemikalien sowie erhebliche strukturelle Defizite der Fließgewässer durch Verbauung und Kanalisierung zurückzuführen“, erläutert Günther. „Die industrielle Landwirtschaft trägt mit der Düngung der Ackerflächen maßgeblich zum Chemiecocktail im Wasser bei.“

Aber die industrielle Landwirtschaft ist genau der Bereich, der Schmidt am Herzen liegt und dem er ganz unübersehbar ja nichts zumuten will. Zuletzt wieder offenkundig geworden beim Thema Insektenschwund, indem er gar keinen Grund sieht, nun steuernd zu handeln.

„Minister Schmidt trägt als Landwirtschafts- und Umweltminister bei der Umsetzung des EU-Wasserrechts doppelte Verantwortung“, sagt Günther. „Er muss den biologischen Landbau stärker fördern. Dieser führt in Sachsen ein Schattendasein. Steuert der Umweltminister nicht energisch um, wird Sachsen die Ziele bei den nächsten Stichtagen wieder verfehlen.“

Aber selbst die Antwort atmet die Gleichgültigkeit eines Amtsinhabers, dem eigentlich egal ist, ob die Flüsse mal wieder voller Fische und Krebse sind. Denn tatsächlich wurden nur die Daten von 2015 noch einmal kopiert, was ja auch Sinn macht, wenn es landesweit kein wahrnehmbares Projekt gibt, irgendein Gewässer wieder in einen gesunden Zustand zu versetzen: „Die Daten zum ökologischen Zustand sind daher identisch mit denen der Beantwortung der Kleinen Anfrage Drs.- Nr.: 6/2749 vom Oktober 2015.“

Worauf warten Sachsens Minister eigentlich? Auf ein Wunder?

Die Gewässerdynamik in der kompletten Nordwestaue muss geändert werden

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