Fรผr FreikรคuferFรผr eingeweihte Kenner der Problemmaterie sozialvertrรคgliches Miet-Wohnen und beginnende Bauaktivitรคten in Leipzig war am 3. Mai 2018 sicherlich viel bereits Bekanntes zu hรถren. Mit dem Landtagsabgeordneten Wolfram Gรผnther hatte die Grรผnen-Landtagsfraktion ins Pรถgehaus in den Leipziger Osten geladen, um eine Art Bestandsaufnahme รผber Einflussfaktoren im sozialen Wohnungsbau und neue Mittel und Wege zu erรถrtern. Dass dabei vor allem mit Geschรคftsfรผhrerin Iris Wolke-Haupt die LWB im Zentrum des Besucherinteresses stand, war zu erwarten. Ein Abend, welcher zu einem Erklรคrstรผck รผber derzeit erreichbare Miethรถhen bei Sanierungen, die Einordnung der aktuellen Mรถglichkeiten der LWB und dem Wirken von Stadtrat und Landesregierung geriet.
Die anwesenden Profis in Sachen Baurecht, Fรถrdermittel und alternative Konzepte sahen sich am Ende der Veranstaltung โgenau so klug, als wie zuvorโ. Vor allem beim Thema Erbbaurecht und Konzeptvergaben bei grรถรeren Stadtimmobilien und Projekten war schnell Schluss an der Stelle, wo Grรผnen-Stadtrat Tim Elschner darauf hinweisen musste, dass hierzu noch ein paar Kraftakte in der Ratsversammlung nรถtig sein wรผrden, um die rechtlichen Rahmen fรผr das Liegenschaftsamt der Stadt zu schaffen.
So sei die Verwaltungsvorlage zum neuen โErbbaurecht noch nicht im Stadtrat angekommenโ und weiterhin stehe die Forderung im Raum, noch vorhandene Hรคuser der Stadt oder die vor allem fehlenden Baugelรคnde vor allem an die LWB weiterzureichen, als sie meistbietend an Dritte zu verkaufen.
Was durchaus den Weg wies, den auch LWB-Geschรคftsfรผhrerin Wolke-Haupt immer wieder einmal nahm, indem sie auf die maรgebliche Rolle des Stadtrates und der Stadt selbst bei der geschรคftlichen Entwicklung der stadteigenen Baugesellschaft verwies. Die meiste Zeit spielte sie so auf โHoldโ angesichts der Herausforderung, die ihr bereits mit dem Beschluss im April 2017, bis 2026 immerhin 5.000 neue Wohnungen mรถglichst in vielen verschiedenen Vierteln Leipzigs zu schaffen. Und dabei dennoch als Unternehmen nicht in die negativen Zahlen zu rutschen.
Der Hinweis von Tim Elschner zur Innenkalkulation der LWB: โHรถheren Mieten sind hier und da notwendig, um niedrige Mieten zu ermรถglichen.โ Es ist โ sofern der Stadtrat nicht dauerhafte kommunale Zuschรผsse fรผr mehr Sozialwohnungen beschlieรt โ eine Querfinanzierung.
Was schnell zu aktuellen und kommenden Mietpreisen und der Aussage der LWB-Chefin fรผhrte, selbst mit den bisherigen Landesfรถrderungen bei 6,50 Euro Nettokaltmiete zu landen. Und damit weit รผber der aktuellen Durchschnittsmiete von etwa 5,20 Euro pro Quadratmeter (eine Angabe aus dem Jahr 2016 allerdings). Ein Indiz also, dass dann der Rest รผber eine Aufstockung des Wohngeldes passieren dรผrfte, wenn Geringverdiener und Arbeitslose zukรผnftig in Leipzig eine neue Bleibe suchen.
Auch der sich nach den Vorgaben der โKosten der Unterkunftโ (KdU) bei Sozialwohnungen ergebende Raumzuschnitt und die Wohnungsaufteilung sei im Neubau ein Problem. Durchaus nachvollziehbar โ die Bundesregelung der Raumgrรถรen ist letztlich Unsinn: die jeweiligen Grenzen fรผr weitere Personen sind so gestaffelt, dass jeweils ein weiterer Raum praktisch 10 Quadratmeter haben mรผsste. Attraktive Raumzuschnitte sehen anders aus.
Kritik gab es aber vor allem an der Fรถrdergeldpolitik des Freistaates Sachsen: Von 142 Millionen, welche vom Bund an den Freistaat Sachsen gehen, wรผrden derzeit in Wirklichkeit nur 40 Millionen in den sozialen Wohnungsbau der Kommunen weitergeleitet โ 20 Millionen fรผr Leipzig und 20 Millionen fรผr Dresden. Hinzu komme, so Wolke-Haupt, dass die LWB garantieren mรผsse, โdass wir keinen Leerstand haben โฆ sonst mรผssen wir Rรผckzahlungen leisten.โ
Eine Regelung, mit der die Politik versucht, den sozialen Wohnungsbau so einzugrenzen, dass er die Renditen der privaten Bauwirtschaft nicht stรถrt. Obwohl die LWB also mit angezogener Handbremse fรคhrt, stellte Wolke-Haupt gegenรผber L-IZ.de noch einmal fest, dass das Hauptproblem in der Verfรผgbarkeit von Baugrundstรผcken lรคge. Mehr Geld brauche die LWB erst einmal nicht, nun wolle man erst einmal รผberhaupt beginnen zu bauen.
Drei Nachbetrachtungen zum Abend
1. Die Themen Mitwirkung der Mieter und neue Konzepte fรผr preiswertere Sanierungen tauchten zwar vor allem in der Publikumsdebatte immer wieder auf, doch der von Besuchern nur halb gefรผllte Raum zeigte, dass die Probleme am Wohnungsmarkt Leipzigs gerade erst langsam bemerkt werden. Sozusagen bei jedem individuellen Umzugsversuch bei mittlerweile unter drei Prozent Wohnungsleerstand. Noch scheint es vielen in Leipzig mรถglich, vor allem die aktuelle Wohnung zu halten und die steigenden Kosten zu tragen.
2. Solang der Bund mit Statistiken aus dem Jahr 2016 agiert, entsteht praktisch รผber die Zeitverzรถgerung ein Nachteil fรผr fรถrderungsfรคhige Neubauten, aber auch Unrecht fรผr jene Menschen, die darauf angewiesen sind, dass die Sozialsรคtze fรผr ihre Sozialwohnungen aktuell stimmig sind.
3. Kommunale Wohnungsbaugesellschaften kรถnnen zukรผnftig wieder weit stรคrker ein รถrtliches Regulativ sein, das Recht auf eine Wohnung unter Verzicht auf Rendite sicherzustellen. Hinzu kommt, dass hier politischer Wille einflieรen kann, der, neben privaten Modellen, hier vor allem die Einbeziehung der Mieter bei der Prioritรคtensetzung bei Modernisierungsfragen ermรถglichen kรถnnte. Die Frage lautet dabei: Wie viel Modernisierung braucht man in einer Mietwohnung wirklich und was ist man bereit und in der Lage zu zahlen?
Doch gerade in Sachsen, wo man bis vor wenigen Jahren nur Rรผckbau bis hin zur Auflรถsung und Verkauf der Dresdner Wohnungsbaugesellschaft kannte, fรคllt das Umdenken auch auf Landesebene offenbar noch sehr schwer.
Es diskutieren mit dem Publikum und miteinander (von links nach rechts)
Tim Elschner, stadtentwicklungspolitischer Sprecher GRรNE Stadtratsfraktion Leipzig, Iris Wolke-Haupt, Geschรคftsfรผhrerin Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft LWB, Moderation: Wolfram Gรผnther, baupolitischer Sprecher der GRรNEN Landtagsfraktion, Jan Kuhnert, Vorstandsmitglied der Wohnraumversorgung Berlin (WVB)
Die Podiumsdebatte am 3. Mai 2018. Video: Luca Kunze, L-IZ.de
Die Diskussion mit dem Publikum. Video: Luca Kunze, L-IZ.de
Nach Astoria-Sanierung: Neues an der Gerberstraรe + Video
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