Eines jedenfalls wird deutlich: Eine Partei hat die Zeit seit der letzten Bundestagswahl im Herbst 2017 ganz und gar nicht genutzt, um sich wirklich neu zu justieren. Das ist die CDU, jedenfalls die in Sachsen. Obwohl sie mit dem Abgang von Stanislaw Tillich als Ministerpräsident ja tatsächlich das größtmögliche Zeichen bekommen hat, dass die bisherige Art des Politikmachens nicht funktionierte. Auch nicht die Rolle als harter Hund. Roland Wöller jedenfalls versucht’s weiter im alten Stiefel.

Kurz nachdem Bundesinnen-und-Heimat-Minister Horst Seehofer (CSU) seine Idee zur Einrichtung von Anker-Zentren in allen Bundesländern in die Welt geblasen hat, hatte Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) nichts Eiligeres zu tun, als die Bereitschaft der sächsischen Staatsregierung zu verkünden, auch schnell ein Anker-Zentrum einrichten zu wollen, wo man alle Menschen einsammeln wolle, deren Aufenthaltsstatus nicht geklärt ist.

Dafür hat er nicht mal die Zustimmung des Koalitionspartners SPD.

„Es besteht Einigkeit darin, dass wir schnelle und rechtstaatliche Asylverfahren brauchen. Das liegt in der Verantwortung des Bundesinnenministers. An deren Ende wird entschieden, ob ein Schutzsuchender in Deutschland bleiben kann oder Deutschland verlassen muss. Hier wurden in der Vergangenheit Fehler gemacht. In der aktuellen Debatte geht es allerdings anscheinend nicht um Lösungen, sondern um politischen Aktionismus aus wahltaktischen Gründen“, sagt die Generalsekretärin der SPD Sachsen, Daniela Kolbe, dazu.

Nicht nur in Bayern stehen ja wieder Landtagswahlen an. Auch in Sachsen wird 2019 ein neuer Landtag gewählt. Und seit der herben Klatsche, die die sächsische CDU zur Bundestagswahl einfuhr, scheint die ganze Partei nur noch in Panik zu sein, statt darüber nachzudenken, ob ein Kurs wirklich sinnvoll ist, bei dem man die Argumente der Rechtspopulisten auch noch verstärkt.

Daniela Kolbe: „Dass die geplanten Rückführungszentren ein enormes menschliches Konfliktpotenzial haben, zeigen uns die Vorkommnisse im baden-württembergischen Ellwangen in der vergangenen Woche mehr als deutlich. Klar ist: Unsere Gesetze gelten für alle Menschen in diesem Land. Die Verschärfung der Debatte durch Vertreterinnen und Vertreter der CSU/CDU aber macht deutlich mit welchem Geschäftsmodell hier versucht wird Politik und Stimmung auf Kosten des Rechtsstaats und der Betroffenen zu machen. Angesichts der bevorstehenden Landtagswahl in Bayern verwundert es mich nicht, dass insbesondere die CSU versucht den harten Hund zu mimen.“

Und Petra Zais, asylpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag: „Es ist absolut unverantwortlich, dass Wöller bei einer derart unausgereiften Idee die Hand für Sachsen hebt. Ich verstehe nicht, was dieser Unfug soll! Noch ist völlig unklar, wie die sogenannten Anker-Zentren funktionieren sollen, ob der Bund oder die Länder dafür zuständig sein werden und vor allem, was der konkrete Sinn dahinter ist. Auch weiß bis jetzt niemand, ob dafür nicht sogar Bundesrecht geändert werden muss. Masseneinrichtungen, in denen geflüchtete Menschen ohne jeglichen Kontakt nach außen für eine lange Zeit festgehalten werden, brauchen wir im Freistaat definitiv nicht.“

Und dann erinnert sie an das Tohuwabohu im Jahr 2015, als die desolate Kommunikation der Landesregierung auch mit dafür gesorgt hat, dass die Bürger von den meisten Entscheidungen zur Einrichtung von größeren Sammelunterkünften kalt und sprachlos erwischt wurden.

„Es hat viel zu lange gedauert, bis die Staatsregierung zur Einrichtung von drei dezentralen Erstaufnahmeeinrichtungen bereit war. Den Weg, große Zentren für Geflüchtete zu schaffen, lehne ich grundsätzlich ab. Wenn Menschen, die noch im Asylverfahren stehen, mit Ausreisepflichtigen in so großer Zahl wie geplant monatelang zusammenleben müssen, ist das für alle Beteiligten eine unzumutbare Situation“, betont Petra Zais eigentlich etwas menschlich ganz Vernünftiges. Wäre es nicht an der Zeit, wieder zu einer sachlichen und vernünftigen Politik zurückzukehren und diese auch zu kommunizieren?

„In den letzten Jahren wurde in Sachsen mühevoll ein System von Erstaufnahmeeinrichtungen an verschiedenen Standorten aufgebaut. Regionale, zivilgesellschaftliche Unterstützungsstrukturen haben sich etabliert. Auch die anschließende Unterbringung der geflüchteten Menschen in den Kommunen wird von diversen Netzwerken, Flüchtlingssozialarbeit und Hilfsorganisationen begleitet“, benennt Zais das, was Seehofers Schnapsidee wieder mit aller Gewalt zerstören würde. Statt Integration und Kommunikation wieder große, bewachte Sammellager.

Ist die Schule in Bayern wirklich so schlecht, dass man dort nur noch auf solche Brachialideen kommt?

„Anstatt Unruhe zu stiften, muss der Minister sich dafür einsetzen, dass bewährte Systeme fortgeführt und nötigenfalls verbessert werden“, appelliert Zais an Wöller. „Zum Beispiel findet in den Erstaufnahmeeinrichtungen noch immer keine unabhängige Asylverfahrensberatung statt. Wo bleibt Ihr Einsatz dafür, Herr Minister?

Auch könnte sich Wöller bei seinem Bundeskollegen Seehofer dafür stark machen, dass die Qualität der Entscheidungen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verbessert wird. Davon würden nicht nur die asylsuchenden Menschen profitieren. Auch sein Parteikollege Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) hätte sicherlich nichts gegen eine Entlastung der Verwaltungsgerichte, die damit einherginge.“

Augenscheinlich versucht Sachsens Innenminister nun die eigenen Versäumnisse wieder durch einen unangebrachten Beifall für eine bayerische Wahlkampf-Idee zu übertönen.

Und nicht einmal die Gewerkschaft der Polizei (GdP) findet in Seehofers Idee einen sinnvollen Ansatz.

Worauf sich Daniela Kolbe bezieht, wenn sie sagt: „Aufgabe einer verantwortungsvollen Flüchtlings- und rechtsstaatlichen Asylpolitik muss es sein, den gesellschaftlichen Frieden zu wahren und die Bevölkerung nicht noch weiter gegeneinander aufzubringen. Auch die GdP lehnt die Isolation von Menschen für die Dauer eines Verwaltungsverfahrens ab. Es ist das falsche Signal des Rechtsstaates, wenn Kasernierung der Integration vorgezogen wird und christsoziale Placebo-Politik auf dem Rücken der Bundespolizei und der Kommunen ausgetragen wird.

Die CSU hat sich in diesem Punkt in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt, das heißt aber nicht, dass man jeden Murks, der sich in Berlin ausgedacht wird, übernehmen muss. Mir ist vollkommen unerklärlich, weshalb der sächsische Innenminister sogar freiwillig eine solch problematische Rieseneinrichtung nach Sachsen holen will.

Wir sind doch eigentlich alle froh, dass Großeinrichtungen wie in Heidenau und anderswo endlich der Vergangenheit angehören. Was wir brauchen, sind integrative Lösungen unter Wahrung des in der Verfassung garantierten Rechtsstaatsprinzips und eine argumentative Abrüstung bei der Wortwahl der Debatte. Ein zweites Ellwangen kann nicht im Interesse der Politik in Sachsen sein.“

Das alte verächtliche Denken der Kolonialherren steckt noch immer in den Köpfen unserer Politiker

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