Was feiern wir eigentlich? Jüngst preschten ja wieder allerlei Leute vor, die meinten, man müsse den Bürgern wieder ins Gehirn hämmern, dass ihre Feiertage alle christlich sind und sie das bitteschön auch zu beherzigen haben. Was jedem, der nicht christlich gebunden ist, natürlich schwerfällt. Sollten wir nicht andere Dinge, die für uns zentral sind, feiern? Kinder und Familie zum Beispiel? Ein Thema, das die Linke mit Freuden ergriff.

Schon am 17. April sprang sie auf das Thema auf, als der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nichts Eiligeres zu tun hatte, als die Bestrebungen der Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen zu kritisieren, einen neuen Feiertag am Reformationsfest einzuführen.

Eigentlich doch – so ganz protestantisch betrachtet – ein lutherischer Vorschlag.

„So schön neue Feiertage für den einzelnen Arbeitnehmer kurzfristig auch sind, gesetzliche Feiertage verteuern die Arbeit in Deutschland“, sagte Kretschmer der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Und dann machte er deutlich, dass hinter der ganzen christlichen Sicht auf die Dinge schon lange kein christlicher Sinn mehr steckt, sondern reine Nützlichkeitserwägungen: Es grenze an Übermut, den heimischen Unternehmen angesichts der internationalen Konkurrenz noch mehr Belastungen aufzuladen.

„Kretschmers Angst, ein Feiertag mehr könnte die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb zu sehr belasten, ist völlig aus der Zeit gefallen. Tatsächlich haben die genannten Bundesländer neun Feiertage, das wirtschaftlich besonders starke Bayern dagegen 13. Sachsen liegt mit elf Feiertagen im Mittelfeld der Bundesländer, aber nur durch den bei uns arbeitsfreien Buß- und Bettag, der allerdings ausschließlich von den Beschäftigten selbst finanziert wird“, erklärte Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, auf Kretschmers seltsame Kritik.

„Es stünde Sachsen gut zu Gesicht, sich der Initiative aus den Reihen der Thüringer Regierungskoalition anzuschließen, einen Feiertag für die Familie einzuführen, der sich am Kindertag orientiert. Mehr Zeit für Familie ist ein Grundbedürfnis unserer Zeit. Mehr Zeit, um mit den Kindern zu spielen, brauchen nicht nur der Ministerpräsident und ich, sondern viele Menschen.“

Denn Feiertage sind ja nicht dazu da, die Wirtschaft zu belasten, sondern Menschen wieder an das Wichtigste im Leben zu erinnern. So wie der 1. Mai, der alle daran erinnert, dass alles ohne Arbeit nichts ist.

Ein Tag für Familie und Kinder, der könnte in unserem so vom Profit besoffenen Zeitalter durchaus Sinn stiften. Findet zumindest Gebhardt: „Ein solcher Feiertag wäre ein starkes Signal an die Familien in Sachsen. Und er passt als nichtkonfessioneller Feiertag zu einer Gesellschaft, die zu drei Vierteln nicht religiös, aber an humanistischen Werten des Zusammenlebens interessiert ist. In einer Zeit ständiger Arbeitsverdichtung und wachsenden Berufsstresses geht es nicht um weniger, sondern mehr Feiertage – Bayern macht Sachsen vor, dass das auch wirtschaftlich guttut.“

Und man ließ es nicht beim Reden. Per 27. April hat die Linksfraktion ihren Entwurf für ein „Gesetz zur Einführung eines Kinder- und Familienfreitages als gesetzlicher Feiertag“ (Parlaments-Drucksache 6/13238) in den Geschäftsgang des Landtags eingebracht. Damit wird Gebhardts Ankündigung gleich mal umgesetzt. Nach den Vorstellungen der Linken soll künftig der erste Freitag im Monat Juni in Sachsen ein gesetzlicher Feiertag sein. Also schön dicht am 1. Juni, dem Internationalen Kindertag.

Und natürlich reagiert man recht konsterniert auf die seltsame Reaktion des Pressesprechers der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen, Matthias Oelke, der gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea am 20. April geäußert hatte, die Kirche sehe die Debatte kritisch.

Es käme nicht Parteien zu, „mit immer neuen Ideen das bestehende Gefüge, das generationenübergreifend entstanden ist, infrage zu stellen. (…) Grundsätzlich sollen Festlegungen auf Feiertage keine Verschiebemasse der Tagespolitik sein. Es kann nicht sein, dass ideologische Profilierungssucht die Spaltung der Gesellschaft vorantreibt.“ Die Kirche habe „ein besonderes Interesse und Anliegen, dass christliche Feiertage erhalten bleiben, um sie angemessen feiern zu können und den Sinngehalt in die Gesellschaft zu tragen.“

Was für Rico Gebhardt dann nur zu deutlich nach dem Versuch einer Bevormundung klang: „Die Polemik des Pressesprechers der evangelischen Kirche ist anmaßend und entspringt dem Geist einer Zeit, die in Sachsen seit Jahrhunderten vorbei ist. Es gibt nicht nur Gott und Geistlichkeit, sondern auch das Geistesleben einer demokratischen Gesellschaft, an deren Meinungs- und Willensbildung verfassungsgemäß die Parteien, entsprechend ihrem Wählerauftrag, mitwirken.

Niemand stellt christliche Feiertage infrage – außer der Kirche selbst, die den Buß- und Bettag geopfert hatte, der nur noch in Sachsen gesetzlicher Feiertag ist, weil es ein Parteipolitiker, nämlich Kurt Biedenkopf, so wollte. Zur in Generationen gewachsenen Tradition gehört bei uns allerdings auch, dass die große Mehrheit der Bevölkerung konfessionslos ist und das Recht auf eigene Sinnstiftung hat, ohne dabei von den Kirchen bevormundet zu werden. Bisher dachte ich, dass Familie ein Wert ist, der Gläubige und Nichtgläubige eint.“

Augenscheinlich kämpft Sachsens Kirche da um die Deutungshoheit über das, was im Leben der Menschen wichtig ist und was nicht.

„Wir orientieren uns am Vorstoß der Linkspartei in Thüringen und haben dabei eine sächsische Form gefunden – dass es prinzipiell ein Freitag sein sollte. Familien brauchen gerade in dieser hektischen Epoche mehr freie Zeit miteinander“, sagt Gebhardt, dem die Sorgen arbeitender Sachsen sichtlich näher sind als die von Kirchenhierarchien.

„Damit zeigen wir, dass nicht Marx tot ist, wie gestern ein CDU Abgeordneter im Landtag behauptet hat. Es geht auch heute um die Zeit, die abhängig Beschäftigte zur Verfügung stellen und selber haben. Die Ungleichheit in der Gesellschaft wird größer, dem müssen wir entgegenwirken, nicht mit Revolution, aber mit kleinen ‚revolutionären Schritten‘, zumindest nach Maßstab des Sprechers der evangelischen Kirche.“

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