Am Dienstag, 15. Mai, erlebten gleich zwei Fraktionen im Sächsischen Landtag, wie es ist, wenn der Posten des Umweltministers nicht besetzt ist und die beiden Regierungsfraktionen auch gar nicht daran denken, den Posten zu besetzen. Sie reagierten mit einem gemeinsamen „Das geht uns nichts an“ auf die Anträge von Grünen- und Linksfraktion zum Insektensterben in Sachsen.

Im Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft wurde am Dienstag, 15. Mai, der Antrag der Grünen-Fraktion „Ursachen des Insektensterbens erforschen und bekämpfen“ und der Antrag der Linksfraktion „Ursachen des Insektensterbens in Sachsen untersuchen und Gegenmaßnahmen in die Wege leiten“ von den Koalitionsabgeordneten der CDU und SPD abgelehnt.

Trotz der einhelligen Meinung der Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung des Antrages im Umweltausschuss am Freitag, 2. März, dass sofort wirksame Maßnahmen einzuleiten sind, die dem Insektensterben entgegenwirken, bestreitet die Koalition einen über bereits bestehende Naturschutzprogramme hinausgehenden Handlungsbedarf.

„Wir haben gemeinsam mit den Grünen erreicht, dass die Umstände und Auswirkungen des dramatischen Insektensterbens endlich im Landtag thematisiert werden. Durch die Blockadehaltung der Regierungskoalition bleibt das leider bisher folgenlos – CDU und SPD setzen sich auch über den Rat der Experten hinweg und ignorieren den Handlungsbedarf“, kommentiert Dr. Jana Pinka, Sprecherin der Linksfraktion für Umweltschutz und Ressourcenwirtschaft die Blockadehaltung im Ausschuss. „Die Sachverständigen hatten unterstrichen, dass sogar ordnungsgemäß eingesetzte Pflanzenschutzmittel sowie regelkonformes Handeln in Landwirtschaft und Landschaftspflege den Insekten schaden.“

Sachsen würde also ein Programm zum besseren Insektenschutz dringend brauchen. Aber über mehr als das bisherige Laufenlassen will die Regierungskoalition augenscheinlich nicht hinausgehen. Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) hatte ja schon vorher mehrfach formuliert, dass er in Sachsen keinen Handlungsbedarf sehe und die Verantwortung für ein Erfassen des Insektenschwunds ganz allein beim Bund läge.

„Das breit angelegte mehrjährige Monitoring, auf das sich die Umwelt- und Agrarminister der Länder geeinigt haben, dürfte erst kurz vor dem Jahr 2030 greifbare Ergebnisse bringen“, stellt Pinka dazu fest. „Das ist zu spät. Der nicht wegzudiskutierende Rückgang der Populationsstärken vieler Arten und das Aussterben einiger Arten ist ein schleichender Prozess, der wohl bereits in den 1950er Jahren eingesetzt hat und sich seit den 1990er Jahren verstärkt. Die Forderungen für mehr Biodiversität sind seit 20 Jahren unverändert: Vielfalt in der Landschaft und Landschaftsnutzung bedeutet Vielfalt bei den Tierarten. Wir bleiben am Thema dran!“

Und auch Wolfram Günther, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, stöhnt über so viel Ignoranz auf der Regierungsbank.

„Wie dramatisch müssen die Auswirkungen erst werden, bevor CDU und SPD das Problem anerkennen und handeln?“, fragt er sich. „Die Entwicklungen der Insektenpopulationen zeigen deutlich, dass die vorhandenen Kleinstmaßnahmen nicht ausreichen. Wir brauchen eine grundlegende Trendwende in der Flächennutzung.“

Die Sachverständigen warnten in der Anhörung am 2. März eindringlich davor, die erforderlichen Maßnahmen weiter auf die lange Bank zu schieben, es sei bereits „5 nach 12“. Auch im Bundesumweltministerium wird man zunehmend aktiv und versucht dem Insektenschwund um drei Viertel der Biomasse in den letzten Jahren mit den aktuellen Handlungen entgegenzuwirken.

„Wir sind dabei, die ersten Arten für immer zu verlieren“, warnt Wolfram Günther. „Die Roten Listen warnen lange schon im Vorfeld vor der Gefahr des Aussterbens mancher Arten. Wir müssen sofort und grundlegend handeln. Sachsen darf hier nicht schlafen.“

Und dass Sachsen nichts tun kann, ist ja nur eine Ausrede. Andere Bundesländer machen vor, was auch in Sachsen auf der Agenda stehen sollte: Mecklenburg-Vorpommern bereitet die Auflage einer Insektenschutz-Strategie mit dem Titel „Mehr Respekt vor dem Insekt!“ vor. In Baden-Württemberg will die Landesregierung in den kommenden beiden Jahren rund 30 Millionen Euro in den Erhalt der Artenvielfalt investieren und in Nordrhein-Westfalen macht die CDU Insektenschutzprogramme.

„Ich finde die Reaktion von CDU und SPD hier in Sachsen unverantwortlich“, kritisiert Günther. „Insekten sind als Nahrungsgrundlage für Tiere und als Bestäuber für Pflanzen das Fundament unseres Lebens. Wenn dieses Fundament gerade zerbröckelt, sollte der an der Spitze der Nahrungspyramide stehende Mensch berechtigt unruhig werden.“

In der Anhörung zum Insekten-Antrag bestätigten die Sachverständigen mehrheitlich die große Relevanz der Insekten und die große Gefahr, in der sie sich befinden. Sie unterstrichen die Dringlichkeit und zeigten Sofortmaßnahmen auf, wie beispielsweise die Reduktion des Pestizideinsatzes, vor allem in Schutzgebieten aber auch auf landwirtschaftlichen Flächen, die Sicherung und Wiederherstellung eines Mosaiks an Lebensräumen in der Landschaft, Hilfsprogramme für vom Aussterben bedrohte Arten, verloren gegangene Lebensräume wieder einzurichten und die Lichtverschmutzung zu reduzieren.

„Mit der Ablehnung der beiden Anträge wurde die Chance in Sachsen verpasst, die Trendwende einzuleiten“, so der Grünen-Abgeordnete sichtlich enttäuscht.

Sachsens Umweltforscher fordern den Umweltminister ganz freundlich auf, endlich zu handeln

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Es gibt 2 Kommentare

Naja, das bei der CDU Hopfen und Malz verloren ist, überrascht sicher niemand mehr. Aber das sich die SPD wieder als willfähriger Erfüllungsgehilfe zeigt, nur damit man die weichen Ministersessel nicht verliert, sollte allen deutlich machen, wer uns, wenn’s hart auf hart kommt, im Sich läßt.

“Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) hatte ja schon vorher mehrfach formuliert, dass er in Sachsen keinen Handlungsbedarf sehe…”
Was soll man zu dem Mann noch sagen (was einem nicht mindestens eine Klage wegen Beleidigung einbringen würde).

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