Das klang richtig gut, als Sachsens Finanzminister Dr. Matthias Haß am Freitag, 2. März, verkündete: „Mit einem Volumen von 3,4 Milliarden Euro erreicht der kommunale Finanzausgleich einen neuen Rekordwert.“ Damit zahle das Land noch einmal 147 Millionen Euro mehr an die Kommunen als im Jahr 2017. Das klang nach richtig viel Geld. Aber die Landtagsabgeordneten, die sich intensiv mit den Kommunalfinanzen beschäftigen, halten solche Töne für völlig fehl am Platz.
Auch wenn es erst einmal gut klingt, wenn das Finanzministerium meldet: „Insgesamt erreichen die Zuweisungen an die Kommunen somit das höchste Niveau seit Einführung des kommunalen Finanzausgleichs (FAG) vor 26 Jahren. Von den 3,4 Milliarden Euro des Finanzausgleichs stehen den Kommunen 2.886 Millionen Euro als frei verwendbare Mittel und 489 Millionen Euro als investive Mittel zur Verfügung. Von diesen investiven Mitteln können die Kommunen 438 Millionen Euro frei, ohne gesondertes Antragsverfahren, für Investitionen verwenden.“
Es geht nicht um die Frage, ob die sächsischen Kommunen mehr Geld bekommen, sondern darum, wie groß das Finanzierungsloch eigentlich seit Jahren ist.
Und was die 147 Millionen Euro eigentlich für ein Kleckerbetrag sind.
„Ich finde es zynisch, wenn Finanzminister Dr. Matthias Haß davon spricht, man stärke den Handlungsspielraum der Kommunen“, reagiert Franziska Schubert, finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, auf die Pressemitteilung des Finanzministeriums. „Die Rückmeldungen sind ganz andere! Die Handlungsfähigkeit vieler Kommunen ist seit Jahren eingeschränkt. Es stellt sich die Frage, inwiefern die Kommunen überhaupt noch angemessen finanziell ausgestattet sind und ob ihre kommunale Selbstverwaltung durch den jetzigen Finanzausgleich noch gewährleistet ist. So haben zwei Drittel der sächsischen Kommunen keine beschlossenen Haushalte, unter anderem weil sie den Haushaltsausgleich nicht schaffen.“
Da bleibt dann kein Geld, um irgendwelche Fördergelder zu beantragen. Da nutzt aller Jubel über Investitionsgelder nichts.
„Ich sage erneut deutlich: es gibt keinen Grund, sich dafür zu feiern, dass die investiven Zuweisungen so hoch sind. Die Kommunen brauchen mehr allgemeine Schlüsselzuweisungen, über die sie frei entscheiden können. Investive Mittel führen dazu, dass Abschreibungen (also Refinanzierungskosten) in die Haushalte gebucht werden müssen – der Haushaltsausgleich fällt vielen Kommunen dadurch immer schwerer“, erläutert Franziska Schubert. „Eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs wäre angebracht. Ich habe schon mehrfach Vorschläge vorgelegt. Es wäre möglich, in das jetzige System Ansätze zu integrieren; das kann das sächsische Finanzausgleichsgesetz (FAG) vertragen, da es bis jetzt nur einen Sonderansatz gibt, nämlich den Schüleransatz. Der ist ohne Frage wichtig, aber weitere Ansätze könnten sein: ein Soziallastenansatz für Landkreise, ein Infrastrukturansatz für wachsende Städte, ein Flächenansatz für schrumpfende Regionen mit viel leitungsgebundener Infrastruktur.“
Ohne Geldspielräume: handlungsunfähig
Der sächsische kommunale Finanzausgleich ist schon lange in die Jahre gekommen. In den frühen 1990er Jahren hat er die Finanzbeziehungen im Freistaat noch relativ gut abgebildet. Aber zwischenzeitlich hat sich die Staatsregierung immer mehr zum Vormund und Kontrolleur der Kommunen aufgeschwungen und im Rahmen seiner rigiden Sparprogramme die finanziellen Freiräume der Kommunen immer mehr beschnitten.
Bürgermeister und Landräte, die über keine freien Budgets mehr verfügen, sind im Grunde handlungsunfähig. Und die betroffenen Bürger in der Region erleben diese Zustände als Stillstand und Frustration.
„Die Zeiten haben sich verändert und im Freistaat muss mit Schrumpfung und Wachstum umgegangen werden“, sagt Schubert. „Beides kostet Geld – die Bedarfe sind nur jeweils andere. Zum Beispiel haben die wachsenden Städte Bedarf im Bereich Infrastrukturausbau und die schrumpfenden Regionen haben hohe Sozialausgaben und zu erhaltende Infrastruktur bei sinkender Bevölkerungszahl. Das jetzige System des kommunalen Finanzausgleichs wird den Realitäten im Land nicht mehr gerecht. Es verschärft das Gegeneinander zwischen Städten und kreisangehörigem Raum und trägt nicht zur gesellschaftlichen Befriedung bei, die Sachsen dringend braucht.“
Schleswig-Holstein als Vorbild
Deswegen empfiehlt sie eine Orientierung an Hessen, welches nach Auffassung der Wissenschaft das modernste Finanzausgleichsgesetz der Bundesrepublik besitzt.
„Aber auch in Rheinland-Pfalz finden sich interessante Elemente: so hat man dort zum Beispiel einen Stabilisierungsfonds eingeführt, der allen Kommunen eine finanzielle Grundausstattung garantiert und Ungleichgewichte glättet. Rheinland-Pfalz hat sich gesagt: eigentlich haben wir als Land keinen direkten Einfluss auf die Steuereinnahmen der Kommunen. Wir können aber deren schwankende Gesamteinnahmen über einen anderen Geldstrom verstetigen, der an die Kommunen fließt: über Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich“, nennt sie ein Beispiel aus dem Westen.
Ähnliches sieht man im Norden. „Schleswig-Holstein hat im Jahr 2014 einen neuen Finanzausgleich verabschiedet. Was ist hier für Sachsen interessant? Der deutlich stärkere Aufgabenbezug; es ist ein Bedarfsmodell. Grundlage sind die gemeindlichen Aufgaben, die Aufgaben der Kreise und Kreisfreien Städte und die übergemeindlichen Aufgaben. In besonderer Weise berücksichtigt der kommunale Finanzausgleich die sozialen Lasten bei den Kreisen und Kreisfreien Städten. Sie werden entsprechend ihres Umfangs zu einem zentralen Verteilungskriterium. Leistungen zentraler Orte für ihr Umland werden stärker honoriert. Gemeinden mit rückläufiger Einwohnerzahl werden entlastet. Ferner wird jährlich ein Betrag für Infrastrukturlasten bereitgestellt, was für Großstädte durchaus relevant ist. Das Schleswig-Holsteinische System ist also aufgabenbezogen, transparent und gerecht.“
Für Sachsen will sie das System Schleswig-Holsteins als mögliche Lösung vorschlagen.
„Der Blick über den Tellerrand schadet nicht – und Sachsens Staatsregierung hat schon lange nicht mehr über den Tellerrand geschaut“, kritisiert sie die offensichtliche Introvertiertheit der Staatsregierung. „Wie der Freistaat seine Kommunen im Moment finanziell unterstützt, passt nicht mehr zur Situation und den Entwicklungen in Sachsen. Die jetzige Form der Finanzierung wird weder den Städten noch den ländlichen Räumen gerecht. Andere Bundesländer haben das bereits erkennen müssen – teils erst nach Klagen von Kommunen gegen bestehende Systeme. Da wurde das Finanzausgleichsystem zwischen Land und Kommunen angepasst. Für Sachsen ist das überfällig.“
Und genau so sieht es auch Verena Meiwald, haushalts- und finanzpolitische Sprecherin der Linksfraktion.
Finanzausgleich ist reif für eine richtige Reform
Schon seit langem mache Die Linke auf die prekäre Lage der Kommunen aufmerksam.
„Die kommunalen Spitzenverbände wurden in den zurückliegenden Haushaltsverhandlungen mit ein paar Zugeständnissen ruhiggestellt, haben aber immer darauf verwiesen, dass die Probleme an der Wurzel angepackt werden müssen“, geht Meiwald auf den Kenntnisstand ein, den seit den heftigen Protesten im Herbst eigentlich auch Ministerpräsident Michael Kretschmer und Finanzminister Matthias Haß haben müssten.
Wer die Finanzbeziehungen zu den Kommunen nicht repariert, kann das sächsische Dilemma nicht lösen.
„Das Finanzausgleichsgesetz (FAG) in Sachsen ist von gestern und muss dringend reformiert werden“, stimmt auch Meiwald bei. „Unser Treffen mit den ‚aufständischen‘ Bürgermeister*innen in Annaberg hat gezeigt, dass wir mit unseren Vorschlägen auf dem richtigen Weg sind. Der Förderdschungel muss endlich gelichtet werden, und die Kommunen brauchen mehr finanzielle Freiheit durch höhere allgemeine Schlüsselweisungen. Wir bleiben dabei: Der Finanzausgleich ist so zu ändern, dass die Städte und Gemeinden pro Kopf und Jahr 100 Euro mehr erhalten sowie die Kreise und Kreisfreien Städte je zehn Millionen. Was nützen die schönsten Förderprogramme und investive Zweckzuweisungen, wenn es schon an der Grundfinanzierung fehlt? Die Staatsregierung kümmert sich hier um die Kür, ohne der Pflicht nachzukommen. Womöglich hofft der Finanzminister heimlich darauf, dass die Kommunen aufgrund der angespannten Haushaltssituation nicht in der Lage sein werden, alle Gelder, die nun angeblich ausgeschüttet werden, abzurufen. Nachhaltige kommunale Finanzpolitik sieht anders aus.“
Und nur als Richtmarke: Die Linken gehen von einem zusätzlichen Bedarf der Kommunen nicht in Höhe von 147 Millionen Euro aus, sondern von 500 Millionen – dem Vierfachen. Geld, das im sächsischen Haushalt vorhanden ist. Aber noch immer gilt die Unlandsche Hamster-Regel: Der Großteil fließt in milliardenschwere Rücklagen und Fonds. Für die Gegenwart fehlt das Geld.
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“Nachhaltige kommunale Finanzpolitik sieht anders aus.“
Nicht “nachhaltig ” ist die “Inwertsetzung” von Natur. Wenn der letzte Feldweg asphaltiert, die Gewässer schiffbar und die Wälder verwirtschaftet sind.
Solange Kommunen Geld haben, beispielsweise eine Elster-Saake-Kanal für 130 Mio. Euro zu bauen (wahrscheinlich mehr), der, um überhaupt einen Sinn zu haben weitere 400… 500 Mio. Euro bräuchte, um die anschließenden städtischen Gewässer nutzbar zu machen, hofft man auf jeden verweigerten Euro, der diesen Schwachsinn finanzieren würde.