Am Ende war es ein Kräftemessen zwischen der CDU, die seit 28 Jahren die Finanzpolitik im Freistaat Sachsen verwaltet, und der Linksfraktion im Landtag, die sich seit geraumer Zeit zum Sachwalter der Kommunen gemacht hat. Die einen verteidigten den Finanzausgleich zwischen Land und Kommunen. Und die anderen hatten die Debatte beantragt, weil den Kommunen die Luft ausgeht. Schon am Montag, 12. März, gab es Kritik für das alte Haushaltsdenken.

Da gab es den Beschluss für den Doppelhaushalt 2019/2020 durch die Staatsregierung, der noch durch den Landtag muss. Aber meist sind hier schon alle Eckdaten festgezurrt.

Und Franziska Schubert, haushalts- und finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, fühlte sich an die alten Haushaltspläne aus Georg Unlands Zeiten erinnert:

„Das, was heute vorgestellt wurde, ist leider etwas ‚old school‘. Aber so ist Sachsen unter CDU-Ägide eben: verstaubt – und das spiegelt sich auch in den immer wiederkehrenden Phrasen wider. Der Finanzminister mag gewechselt haben, aber die Leier ist immer noch die alte: niedrige Schulden, hohe Investitionsquote, Zukunftsvorsorge. Was sich dahinter wirklich verbirgt? – Die Staatsregierung versteht unter Zukunftsvorsorge Sparen; wie eh und je. Ausgenommen sind lediglich die Bereiche, die wirklich nicht länger ausgesessen werden können. Die Staatsregierung ist bemüht, so will ich es bezeichnen: eine weitere Kommission soll nun den künftigen, aufgabenorientierten Personalbedarf unter Beachtung länderübergreifender Vergleichsdaten ermitteln. Ich vermute, gegen Ende 2020 wird es einen weiteren Kommissionsbericht geben. Wie es der aktuellen Situation helfen soll, sehe ich noch nicht.“

Und benannte dann gleich die wunde Stelle im Plan: „Die hohe Investitionsquote ist typisch für ostdeutsche Länder und eine Folge und Konsequenz der großzügigen Bundesförderung zum Aufbau Ost. Diese Bundesförderung läuft im kommenden Doppelhaushalt aus. Es wäre verantwortungsvoll gewesen, wenn die Staatsregierung prüfen würde, was tatsächlich benötigt wird. Die hohen Zuweisungen für Investitionen sind ein wesentlicher Grund, warum Städte und Gemeinden ihre Haushalte nicht ausgeglichen bekommen. Die hohe Investitionsquote als Alleinstellungsmerkmal geht auf Kosten der Kommunen. Was viel dringender gebraucht würde, wären freie Mittel in Form allgemeiner Schlüsselzuweisungen, über die Kommunen selbst entscheiden können, was sie damit tun wollen.“

Diskutiert wurde schon seit Monaten über dieses Problem, dass den Kommunen zunehmend die eigene Finanzkraft fehlt, um überhaupt irgendwelche Fördermittel in Anspruch zu nehmen. Selbst Städte wie Leipzig fahren viel zu knappe Investitionsbudgets.

„Ich hatte insgesamt erwartet, dass den kommunalen Finanzen ein größerer Raum im Eckwertebeschluss eingeräumt wird, wenn ich an die ‚Rebellion‘ im Erzgebirge und andernorts denke. Es ist dringend geboten. Der Ministerpräsident spricht von gesellschaftlichem Zusammenhalt. Schöne Worte aus dem Regierungsviertel werden das nicht leisten. Das passiert nämlich vor Ort. Wie soll das also aussehen und wie soll das finanzpolitisch gesteuert werden?“, fragte Schubert.

Und genau dieses Thema wurde nun am Mittwoch, 14. März, auf Linken-Antrag noch genauer durchdiskutiert. Denn der Doppelhaushalt 2019/2020 wäre die Chance für die Staatsregierung, den Kommunen tatsächlich mehr Bewegungsfreiheit zu geben und sie in die Lage zu versetzen, ihre Zukunft selbst zu gestalten.

Aber so recht möchte sich die regierende CDU von der obrigkeitlichen Position nicht entfernen. Sie verteidigt den Finanzausgleich, bei dem die Kommunen mit der übermächtigen Regierung jedes Mal um die ihnen gewährten Gelder ringen müssen.

„Der Finanzausgleich ist nicht verstaubt sondern wird alle zwei Jahre mit den Kommunen neu ausgehandelt. Es ist ein fairer Mechanismus, auf den die Kommunen auch in schlechten Zeiten vertrauen können. Die sächsischen Bürgermeister leisten – auch was die Finanzen ihrer Städte und Gemeinden betrifft – eine gute Arbeit“, sagte CDU-Finanzpolitiker Peter Wilhelm Patt nach der Debatte. Ein Lob, das vielen Bürgermeistern wahrscheinlich sauer aufstößt. Patt: „Ich sehe zwei wichtige Aufgaben vor uns: Kommunen entwickeln sich unterschiedlich. Gerade bei veränderten Gewerbesteuer-Einnahmen muss schneller reagiert werden. Zum anderen müssen wir die Freiheitsgrade bei Investitionsmitteln außerhalb des Finanzausgleichsgesetzes erweitern und vereinfachen.“

Aber genau das hat die Regierung nun seit Jahren schon versprochen.

Was Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion, am Montag schon kritisierte: „Dass zur ‚Vereinfachung und Verbesserung von Förderverfahren‘ eine Kommission eingesetzt werden soll, ist ein schlechter Witz. Seit fünfzehn Jahren – ob unter der Marke ‚Paragrafen-Pranger‘ oder anders – täuscht die CDU-geführte Staatsregierung Bürokratie-Abbau vor. Stattdessen ist die Bürokratie nur immer weiter gewachsen. Weil sich die CDU nie von der Machtbesessenheit befreien konnte, die Menschen zu bevormunden.“

Und auch die Debatte am Mittwoch verscheuchte diesen Eindruck nicht.

Aber da kamen natürlich die Abgeordneten zu Wort, die sich seit Jahren intensiv mit den Finanzproblemen der Kommunen beschäftigen.

Allen voran André Schollbach, kommunalpolitischer Sprecher der Linksfraktion, der in seiner Rede auf die beängstigende Verschuldungslage der Kommunen einging.

„Die sächsischen Kommunen waren im Jahr 2016 allein im Bereich der Kernhaushalte mit 2,9 Milliarden Euro verschuldet. Das ist aber nur die halbe Wahrheit: Denn mehr als 80 Prozent der kommunalen Gesamtschulden sind aus den Kernhaushalten ausgelagert. In ihrer Not lassen viele Kommunen die Kredite von Eigenbetrieben oder stadteigenen Unternehmen aufnehmen“, sagte er in seiner Landtagsrede. „Addiert man diese Kredite zu den Schulden der Kernhaushalte hinzu, kommt man auf einen Schuldenstand von sage und schreibe 15,7 Milliarden Euro zum 31.12.2016.“

Das ist fast so viel wie der komplette sächsische Jahreshaushalt.

„Erschreckend ist auch der Umstand, dass zu Beginn des Jahres 2018 in Sachsen insgesamt 296 Gemeinden und drei Landkreise noch ohne beschlossenen Haushalt dastanden. Das entspricht einem Anteil von 70 Prozent der Kommunen und von 30 Prozent der Landkreise. Beispielhaft seien hier genannt: Aue, Döbeln, Mittweida, Zwickau, Hoyerswerda, Kamenz, Bad Muskau, Niesky, Weißwasser, Coswig, Meißen, Riesa, Dippoldiswalde, Freital, Sebnitz, Grimma und Torgau“, sagte Schollbach noch. Und schlug vor: „Erstens erachten wir es als notwendig, dass die kommunale Finanzmasse im sächsischen Finanzausgleich dauerhaft um 400 Millionen Euro zugunsten der kommunalen Ebene angepasst wird. Damit erhielte jede sächsische Gemeinde pro Einwohner und Jahr 100 Euro mehr Schlüsselzuweisung zur freien Verfügung. Zweitens schlagen wir vor, für die Landkreise und Kreisfreien Städte Regionalbudgets in Höhe von jährlich 10 Millionen Euro als frei verfügbare Mittel bereitzustellen. Das wären noch einmal 32 Euro je Einwohner.“

Gerade in der Provinz gärt es längst, haben auch CDU-Bürgermeister die Nase voll von zu knappen Haushalten und dem damit verschwundenen Spielraum für eigene Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort.

„Nicht erst als sich im Herbst vergangenen Jahres einige Bürgermeister des Erzgebirges in ihrer Not an uns alle gewandt hatten, wurde ein Problem deutlich, dass es sich bei der finanziellen Ausstattung der Kommunen nicht um Horrorszenarien der Opposition, sondern um ein strukturelles Problem handelt“, kommentiert das Verena Meiwald, finanzpolitische Sprecherin der Linksfraktion. „Wir haben mit den kommunalen Spitzenverbänden gesprochen, waren bei den Bürgermeistern im Erzgebirge und haben auch mit vielen anderen kommunalen Vertretern das Gespräch gesucht – die Problemlage ist vor allem im ländlichen Raum flächendeckend ähnlich – und das trifft sowohl auf die kreisangehörigen Gemeinden als auch auf die Landkreise zu. Es geht eben nicht um Einzelfälle, und deshalb haben wir einen flächendeckend wirksamen Vorschlag gemacht, der auch Gegenstand der Haushaltsberatungen sein sollte.“

Mit 147 Millionen Euro extra kann Sachsens Finanzminister das Dilemma der Kommunen nicht lösen

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