Man freut sich ja geradezu, dass die wichtigsten Botschaften irgendwann, gut - Jahre später - auch mal die Titelseiten unserer heimischen Regionalzeitungen erreichen. So wie am Samstag, 24. Februar, die der „Sächsischen Zeitung“, die tatsächlich titelte: „Milliardenrisiko in Sachsens Braunkohle“. Nun lassen sich also auch die hiesigen großen Zeitungen vom Kohleliedchen der Staatsregierung nicht mehr einlullen. Von wegen, die Kohle ist sicher.

Ist sie schon lange nicht mehr. Und die klugen Wirtschaftsredakteure wissen, wenn sie sich die (meist zu spät veröffentlichten) Bilanzen der großen Tagebaukonzerne anschauen, dass mit Braunkohle schon seit Jahren kein großes Geld mehr zu machen ist und das alte Vorsorgekonstrukt nicht mehr funktioniert.

Das ging in anderen Zeiten, als der „billige“ Braunkohlestrom praktisch keine Konkurrenz hatte, so: Die Kohleunternehmen verdienten mit der hochsubventionierten Braunkohle und ihrer Verstromung jedes Jahr dreistellige Millionensummen. Einen Teil davon legten sie zurück, um damit Finanzreserven zu schaffen für den Tag, an dem der Kohlebergbau endet und der Konzern die ausgekohlten Tagebaue sanieren und rekultivieren muss.

Dazu waren Konzerne wie Vattenfall und Mibrag gesetzlich verpflichtet

Bislang bezahlen Bund und Land dafür – und das auch nur, weil die DDR 1990 nun einmal keine müde Mark zur Bergbausanierung hinterlassen hat, dutzende Tagebaue damals aber eingestellt werden mussten. Aber wer sollte die Renaturierung bezahlen? Den größten Teil dieser Kosten übernahm zwangsläufig der Bund. Bis 2017 waren schon rund 10 Milliarden Euro in die Bergbausanierung geflossen. Das ist die Größenordnung, um die es künftig auch wieder gehen wird.

Am 2. Juni 2017 hatte die sächsische Staatskanzlei gemeldet: „Bund und Länder haben seit 1991 über 10 Milliarden Euro für die Sanierung und Entwicklung ausgegeben. Das 6. Verwaltungsabkommen sichert die erforderliche Kontinuität bei den Sanierungsmaßnahmen durch die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV).“

Mit diesem lange umkämpften 6.Verwaltungsabkommen wurden die nächsten über 1,2 Milliarden Euro aus dem Staatshaushalt abgezweigt, einzusetzen bis 2022. Dann ist wirklich finito. Dann wird die Sanierung der alten DDR-Tagebaue insgesamt über 11 Milliarden Euro gekostet haben. Was freilich nicht nur in gesicherte Böschungen, neue Wälder, Wege und Strände floss, sondern auch in allerlei künstliche Kanäle, wenn man nur ans Neuseenland denkt.

Aber hier geht es jetzt um die Größenordnung. Denn alle Tagebaue, die danach weiterbetrieben wurden, unterliegen nicht dem Verwaltungsabkommen. Die Tagebaubetreiber sollten eigentlich das Geld, mit dem die Restlöcher dann saniert werden, selbst verdienen.

Doch ob dieses Geld überhaupt (noch) existiert, ist höchst fraglich

Logisch, dass sich Dr. Jana Pinka, Sprecherin für Umweltschutz und Ressourcenpolitik der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, jetzt freut, dass die „Sächsische Zeitung“ das Thema so hochrangig aufgegriffen hat.

„Schon vor dem Verkauf der Braunkohle-Sparte von Vattenfall an EPH und damit LEAG hat die Linksfraktion im Januar 2016 die Staatsregierung aufgefordert (Parlaments-Drucksache 6/3955), die Folgekosten verlässlich zu begrenzen. Geschehen ist nichts. Nach dem Verkauf habe ich von Wirtschaftsminister Dulig verlangt, dem neuen Eigentümer der Tagebaue entsprechende Sicherheitsleistungen abzuverlangen. Dies haben wir mit einem Antrag im Landtag untersetzt (Parlaments-Drucksache 6/6694), zumal schon damals der Verdacht bestand, dass selbst die von Vattenfall als Zubrot übergebenen Milliarden Euro an die Seite gebracht werden“, kommentiert Jana Pinka nun den Artikel.

Bei Vattenfall handelte es sich um Rücklagen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro, die beim Besitzerwechsel an den neuen Eigentümer EPH gingen. Aber Sachsens Staatsregierung machte nicht mal Anstalten, dieses Geld tatsächlich für die Sanierung der Tagebaue in der Lausitz zu sichern.

„Doch Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) und der damalige Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) haben die sächsischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sehenden Auges in ein Risiko geführt, dass den Umfang des Landesbank-Desasters weit in den Schatten stellt. Dies alles nur, um die Lüge von der subventionsfreien, zukunftsträchtigen Braunkohle auf Biegen und Brechen aufrechtzuerhalten und vom Versagen bei der CDU/SPD-Strukturpolitik in der Lausitz abzulenken“, sagt Pinka. Und schüttelt nur den Kopf über die jetzige Staatsregierung.

„Was nun verspätet versucht wird, löst das Problem nicht. Zugleich werden die Interessen der in der Braunkohle Beschäftigten verraten: Wenn sich die LEAG morgen vom Acker macht und die Lausitz sich selbst überlässt, sitzen die Menschen auf einem Milliardenschaden – wer soll Rekultivierung und Strukturentwicklung hin zu neuen Industriearbeitsplätzen bezahlen?“, fragt Pinka.

„Dulig und Tillich haben sich erpressen lassen und nun ist Sachsen erpressbar. Die LEAG, die unterm Strich noch keinen Cent investiert hat, erdreistet sich, ‚Bedingungen‘ für Sicherheitsleistungen zu stellen. Weil es aber solche noch nicht gibt, die die LEAG in die Haftung nehmen würden, gibt es auch nichts, was die LEAG an den Betrieb und die Beschäftigten bindet.“

Das heißt im Klartext

Wenn die LEAG-Muttergesellschaft EPH das Braunkohlegeschäft nicht mehr als rentabel erachtet, steht die komplette Braunkohlewirtschaft in der Lausitz zur Disposition, ohne dass ein einziger Euro für die Revitalisierung der zerstörten Landschaft zur Verfügung stünde. Und die finanzielle Größenordnung ist oben genannt: Es geht um Milliardenbeträge, die dann wohl wieder der Steuerzahler berappen müsste.

Nur zur Erinnerung: Stanislaw Tillich hatte kurz vor seinem Abgang 3 Milliarden Euro für den Strukturwandel in der Lausitz von der Bundesregierung gefordert. Das ist die Größenordnung, um die es geht. Das ist tatsächlich mehr als die 2,75 Milliarden Euro, für die Sachsen bei der Sachsen LB garantiert hatte.

Das wird keine sächsische Regierung den Sachsen wirklich noch einmal zumuten können. Und Pinka erinnert an das verschämte Spiel des Oberbergamts, das ihr partout keine Einsicht in die Sicherheitsleistungen der LEAG gewähren will.

Was man schon die Nasführung einer gewählten Abgeordneten nennen kann: „Seit April 2017 verlange ich vom Oberbergamt Freiberg Einsicht in das Konzept der LEAG, wie die vom Bergbau in Anspruch genommenen Flächen wieder nutzbar gemacht werden sollen und wie es mit bergbaubedingten Auswirkungen umgehen will. Dieses Konzept war laut Hauptbetriebsplan für den Braunkohletagebau Nochten (Bescheid vom 23. Dezember 2015) bis zum 31. Januar 2017 vorzulegen“, schildert Pinka den Stand der Nicht-Information.

„Seitdem gehe ich auf die Ablehnung meines Anspruches nach Umweltinformationengesetz gegen die Behörde, die dem SPD-Wirtschaftsminister Dulig untersteht, vor. Bis heute schweigt das Oberbergamt, wie es mit meinem Widerspruch zur Akteneinsicht ‚Wiedernutzbarmachungskonzept Nochten‘ umgehen will. Jetzt reicht es langsam! Gerade für Beamte gelten Antwortfristen – sollte ich bis Ende Februar 2018 keine Antwort erhalten, wird wohl das Verwaltungsgericht von mir angeschrieben werden müssen!“

Warum so eilig oder Wie wird man wieder Herr seiner Zeit? – Die neue LZ Nr. 52 ist da: Inklusive einem großen Beitrag über Sachsens Kohlepolitik

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