Das Zustandekommen der nächsten Regierung hängt tatsächlich von einem Votum der SPD-Mitglieder ab. Der scheidende SPD-Vorsitzende Martin Schulz hat es der SPD-Basis zugesagt – und ihr damit mehr Mitwirkungsrechte zugestanden, als andere Parteien ihren Mitgliedern zugestehen. Auch in Sachsen dürfen fast 5.400 SPD-Mitglieder abstimmen. Und eigentlich ist das – um einen alten SPD-Mann zu zitieren – „gut so“. Auch wenn es einige Medien anders sehen.
Medien, die hinter ihrer wilden Berichterstattung über die SPD und ihre Führungskämpfe eine alte und nun wieder neue Sehnsucht verstecken: die nach einem starken Mann, der klare, unwidersprechbare Entscheidungen fällt. Es klingt jedes Mal auch so ein leichter Unterton mit, dass eigentlich auch die Frau an der Spitze der CDU weg müsste. Und dass das schwere Ringen um eine Große Koalition per se des Teufels sei.
Aber eigentlich geht es um etwas anderes, nämlich „die Debatte um die Zukunft unseres Landes“, wie es Daniela Kolbe, Generalssekretärin der sächsischen SPD, ausdrückt. Und „unserer Partei“ sagt sie noch. Denn Politik wird in den nächsten Jahren so nicht mehr funktionieren, wie sie die letzten 20 Jahre praktiziert wurde. Dazu sind zu viele Themen ungelöst.
„Wir stecken alle mittendrin. Das kann anstrengend sein, ja. Aber es zeigt auch, dass Bewegung in der SPD ist – dass wir unsere Partei gestalten können. Wir haben es in der Hand und tragen alle miteinander die Verantwortung“, schreibt Daniela Kolbe an die sächsischen SPD-Mitglieder, die es wahrscheinlich regelrecht zerreißt. Denn auch in Sachsen sind seit der Kandidatenkür von Martin Schulz hunderte junge Leute in diese Partei eingetreten, die mit dem Lamento der Neuen Rechten, dass alles miserabel sei, nichts anfangen können.
Sie wollen wieder Politik gestalten – einen ähnlichen Effekt haben ja auch FDP, Linke und Grüne. Und sie wollen die Erstarrungen lösen, in denen die alten demokratischen Parteien zu stecken scheinen – mit altem Führungspersonal, alten Ideen und oft genug fehlenden wirklich guten Angeboten für die Jugend.
Und wenn man sie ernst nimmt, dann sieht derzeit eine Partei besonders alt aus: die AfD, die neue deutsche Nörgler- und Seniorenpartei, die aber in deutschen Medien mehr Resonanz bekommt als all diese jungen Leute, die gemerkt haben, dass ihnen eine Partei alter Leute gerade ihre Zukunft zerstören will.
Die Abstimmungsbasis der SPD-Mitglieder ist eigentlich der am 7. Februar unterschriebene Koalitionsvertrag von SPD, CDU und CSU, dem einige politische Medien sogar attestieren, dass 70 Prozent des Inhalts von der SPD durchgesetzt wurde.
Die Schulz’sche Truppe hat also sehr gut verhandelt. Auch weil die SPD im Entwickeln von Lösungen für die multiplen Probleme der Gegenwart schon ein bisschen weiter ist als die Union.
Aber sehen das die SPD-Mitglieder auch so?
„Blicken wir zurück auf die letzten Tage, dann stellen wir vor allem eines fest: die inhaltliche Auseinandersetzung über den Koalitionsvertrag ist bisher zu kurz gekommen. Während es eigentlich um die Inhalte des Koalitionsvertrages gehen sollte, haben wir intensive Personaldebatten geführt“, sagt Kolbe.
Ein Thema, das ja die Medien dankbar aufgriffen und einen regelrechten Bruder-Schwester-Zwist in der SPD-Führung inszenierten. Was dann in den Augen der Wähler zu einem unwählbaren Drama wurde: Die Zustimmung zur SPD sank in einer ARD-Umfrage auf 16 Prozent.
„Ich bin froh, dass wir Anfang der Woche zu einer Lösung für die Partei gekommen sind, die diese Debatte vorerst beenden und unseren Blick wieder auf die Inhalte lenken kann. Mit Olaf Scholz als kommissarischen Vorsitzenden und einer einstimmig nominierten Andrea Nahles gehen wir jetzt in die Debatte um den Koalitionsvertrag. Natürlich können noch weitere Kandidaturen hinzukommen. Am 22. April werden wir dann auf einem Bundesparteitag in Wiesbaden unseren Parteivorsitz neu wählen. Lasst uns aber jetzt auf die Inhalte des Koalitionsvertrages und die Debatte darüber konzentrieren“, sagt Kolbe.
Aber jetzt geht es erst einmal um das versprochene Mitgliedervotum. „In den nächsten Tagen gehen allen Mitgliedern der SPD Sachsen mit dem ‚Vorwärts‘ der Koalitionsvertrag und per Post die Abstimmungsunterlagen zum Mitgliedervotum zu. In Sachsen sind knapp 5.400 Menschen stimmberechtigt und ich kann nur jeden und jede bitten: Macht Gebrauch von eurer Stimme! Die Unterlagen zum Mitgliedervotum müssen – unbedingt postalisch – spätestens am 2. März im Postfach der SPD eingegangen sein, weshalb ich allen ans Herz lege, die Unterlagen spätestens am 28. Februar abzuschicken“, schreibt Kolbe an die Mitglieder der sächsischen SPD.
„In den nächsten Tagen werden wir uns auf den verschiedensten Veranstaltungen sehen, seien es die Mitgliederkonferenzen des Landesverbandes oder den Diskussionsveranstaltungen in den Ortsvereinen. Wir wollen diese Veranstaltungen nutzen, um sachlich, respektvoll und auf Augenhöhe verschiedene Positionen auszutauschen. Wir sind eine debattenfreudige und lebendige Partei, das haben wir in den letzten Wochen bewiesen. Lasst uns diese Kultur aufrechterhalten, denn wir können stolz darauf sein. Wir alle haben die Chance, mit unserer Stimme dieses Land zu verändern – lasst uns diese Chance nutzen!“
Die Mitgliederkonferenz der SPD Sachsen wird am Freitag, 23. Februar, 18 Uhr im Volkshaus Dresden stattfinden.
Eine Veranstaltung zum Mitgliederentscheid gibt es auch am Mittwoch, 21. Februar, um 19 Uhr in Leipzig in der Galerie KUB, die schon bei der jüngsten Veranstaltung der Jusos aus allen Nähten platzte. Die engagierte Jugend hat die Politik für sich entdeckt und will auch mitreden, wenn es jetzt um wichtige Richtungsentscheidungen geht.
Wie läuft der Mitgliederentscheid in Sachsen ab?
Bis zum 20. Februar werden die Abstimmungsunterlagen an alle Mitglieder versandt.
Am 20. Februar startet die Online-Abstimmung für Auslandsmitglieder.
Am 2. März ist Abstimmungsstichtag (Einsendeschluss). Die Abstimmungsunterlagen müssen bis 24:00 Uhr im Postfach des Parteivorstands eingegangen sein.
Am 4. März ist dann Auszählung und Bekanntgabe des Ergebnisses des Mitgliedervotums.
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