Über einen Aspekt bei den staatlichen Sparmaßnahmen beim Personal wird selten nachgedacht. Eigentlich sogar nie. Denn auch wenn Regierungen wie die sächsische Landesregierung über Jahre ein ambitioniertes Personalkürzungsprogramm beschließen, passiert das eher selten durch Entlassungen. Staatsdiener sind praktisch unkündbar. Man gestaltet solchen Personalabbau "sozialverträglich". Und das hat fatale Folgen. Sogar im Straßenbau.

Aus Sicht der Gewerkschaften ist alles prima: Niemand wird einfach auf die Staße gesetzt. Manche Bedienstete gehen mit entsprechenden Abfindungen in den vorgezogenen Ruhestand. Und zum Planziel kommt man, indem man frei werdende Stellen einfach nicht neu besetzt.

In Sachsen entsprach das Personalziel sowieso nie einer kompletten Aufgabenerfüllung, sondern lag deutlich drunter. Immer weniger Personal hatte also immer mehr Aufgaben zu erledigen.

Erster Effekt: Alle Aufgaben, die “nicht so dringend” erschienen, unterblieben nach und nach. Man kümmerte sich nur noch um das Dringendste. Und arbeitete das mit zunehmenden Überlastungserscheinungen ab. (Stichworte: Überalterung, zunehmender Krankenstand)

Zweiter Effekt: Man lernte nichts mehr dazu. Denn für die freilwillige Fortbildung oder gar das Erlernen neuer Denkweisen bleibt bei so einer Arbeitsbelastung keine Zeit. Heißt: Die Ämter und Ministerien erstarren in ihrem Wissensstand. Was für alle, die mit ihnen dann zu tun haben, mit Reaktionen aus Abwehr, Blockaden, Ignoranz sichtbar wird. Landtagsabgeordnete bekommen nur noch ausweichende, nichtssagende oder gar “stöhnende” Antworten nach dem Muster: “Der Aufwand, die Informationen zusammenzusuchen, ist viel zu hoch …”

Minister können neue Projekte und Leitlinien nicht mehr umsetzen, weil schon die nächste, die berühmte zweite Ebene, nicht mehr mitspielt. Denn alles Neue wird als Überforderung empfunden. Man zieht sich auf die dringend zu erledigende Arbeit zurück. Personal für neue Denkweisen ist nicht vorhanden.

Die schlimmste Folge: Es rückt auch kein neues Wissen nach. Da über Jahre (in Sachsen teilweise Jahrzehnte) keine jungen Fachkräfte nachgerückt sind, die auch den neueren Wissensstand von Hochschulen und Universitäten mitbringen, gibt es unterhalb der zweiten Ebene kaum jemanden, der neue Anregungen aufzunehmen und gar in Projekte umzusetzen vermag.

Wie brennend das Personalproblem ist, hat der Leipziger Stadtrat im Falle Leipzigs, wo man ähnlich “gespart” hat, mittlerweile begriffen. Auf Landesebene ist das Begreifen noch nicht mal spürbar. Obwohl die Folgen auf dem Tisch liegen.

So, wie es am Freitag, 9. Februar, wieder sichtbar wurde, als Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig seine „Ausbau- und Erhaltungsstrategie Staatsstraßen 2030“ präsentierte.

Marco Böhme, mobilitätspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, hat sich das mit seiner Leipziger Erfahrung einmal genauer angeschaut und ist – entsetzt. Logisch.

Denn auch er hatte gehofft, dass mit Martin Dulig endlich auch modernes Mobilitätsdenken ins Amt des Verkehrsministers eingezogen ist.

Doch schon bei den Malaisen rund um die Radwegeförderung hat man ja gemerkt, dass da irgendetwas in den Tiefen des Verkehrsministeriums, an der berühmten zweiten Ebene, nicht stimmen kann. Der Landtag beschließt auf Vorschlag Martin Duligs ein wirklich gut dotiertes Förderprogramm für den Radwegebau – aber dann verschwinden die Fördermittel irgendwo im Getriebe, Städten wie Leipzig wird abgeraten, welche zu beantragen, und als Erklärung bekommt man nur ein amtliches Stöhnen darüber, wie kompliziert die Antragsverfahren wären.

Komisch: Wer hat denn die Antragsverfahren so kompliziert gemacht?

Aber wie gesagt: Man kann das auch als Überforderung in einem seit Jahren unter Soll gesparten Ministerium und dem entsprechenden Landesamt interpretieren. Die zweite Ebene hat sich eingemauert und reagiert nur noch mit Überforderung. Und Martin Dulig muss ein Straßenprogramm präsentieren, das eigentlich in seiner Denkweise aus dem 20. Jahrhundert stammt.

Was Marco Böhme dann so zusammenfasst: “Nach mehrmaligen Ankündigungen hat Staatsminister Dulig endlich geliefert. Allerdings ist es ein inventarisierter Bericht geworden und kein strategisches Konzept. Der Minister hat leider nicht die Kritik des Sächsischen Rechnungshofes und die Empfehlungen der im Ausschuss geladenen Sachverständigen berücksichtigt.”

Und aus dieser Rechnungshofkritik zitiert: “Die Staatsregierung unterhält mit der Kategorie S3 weiterhin eine große Menge „Straßen, die nach ihrer Funktion und Verkehrsbedeutung keine Staatsstraßen sind.” Ein Überbleibsel übrigens aus der Nachwendezeit, als man in Sachsen noch der Meinung war, auch die letzte Hofeinfahrt noch betonieren zu müssen. Eine Autostruktur, die nie jemand in dieser Art brauchte, dafür baute man umgehend das Schienennetz zurück.

Das Ergebnis: “Einige dieser Straßen verlaufen sogar parallel in wenigen Kilometern Abstand. Wirtschaftlichkeit und strategische Prioritätensetzung ist das nicht. Die Untersuchungen der TU Dresden hatten gezeigt, dass Staatsstraßen um fast die Hälfte überdimensioniert sind, also zu breit, zu groß, zu teuer geplant werden. Die Staatsregierung gibt in dem vorgelegten Strategiepapier keine Antwort, wie sie dieses Problem lösen will”, sagt Böhme.

Womit er ja den Punkt benennt: An Hochschulen wie der TU Dresden hat man längst die Erfordernisse moderner Verkehrsplanung in Forschung und Lehre geschaffen. Die jungen Absolventen bekommen das nötige Rüstzeug für diese Art des Planens mit. Aber sie wurden über Jahre nicht eingestellt. Das sächsische Verkehrsministerium hat mit dem Knowhow der 1990er, teilweise der 1980er Jahre weitergearbeitet. Und vor allem ist bei all den Personalkürzungen genau dasselbe verloren gegangen, was jetzt auch in Leipzig als Fehlstelle entdeckt wurde: der ganze Bereich strategische Planung.

Man arbeitet nur noch ab, was täglich reinkommt. Die Kapazitäten, das sächsische Straßennetz zukunftsfähig durchzuplanen, hat man gar nicht. Ergebnis: Arbeit nach 08/15. Oder nach Vorschrift. Egal, wie man das nennt. Und das wird teuer. Teurer, als wenn das Verkehrsministerium rechtzeitig die jungen, gut ausgebildeten Ingenieure für eine moderne Verkehrsplanung eingestellt hätte.

Jetzt planen die Alten – und zwar immer noch die überdimensionierten Schnellstraßen der 1990er Jahre. So etwas nennt man Stillstand. Geistigen Stillstand.

Logisch, dass Marco Böhme da was vermisst.

Marco Böhme: “In bisherigen Straßenplanungen des LASuV fehlten oft ortsverträgliche, Rad- und Fußverkehrsfreundliche, sowie ÖPNV-unterstützende Elemente. Auch hier: Keine Antwort. Im Gegenteil, für die Gehwegbreite an Staatsstraßen wird vorgegeben, dass von den Vorgaben der Regelwerke deutlich nach unten abgewichen werden kann. Für die Menschen in den Städten und Dörfern in Sachsen reichen dem Staatsminister zufolge 1,50 m. Schulkinder, Kinderwagen, Rollatoren und Pärchen, die einfach Hand in Hand gehen wollen, sollen anscheinend zu Hause bleiben. Zu Radverkehr, Barrierefreiheit und ÖPNV ist im ganzen Bericht keine konkrete Aussage zu finden.”

Sein Fazit: Wenn Sachsens Verkehrsplaner so weiterarbeiten, wird es schweineteuer für Sachsen – auf Generationen hinaus. Einwurf: Was es bis jetzt schon kostete und woanders fehlte, hat wahrscheinlich noch keiner je gerechnet.

“Im Falle einer Umsetzung wird die ‘Erhaltungsstrategie’ zu einer weiteren Verschlechterung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses bei den Staatsstraßen in Sachsen führen. Es fehlen Prioritäten und Gleichberechtigung der Verkehrsarten bei der Planung”, sagt Böhme. “Die Verkündung, Erhaltung gehe vor Ausbau, ist schon lange keine Neuigkeit, erst recht keine politische Innovation mehr, sondern schlicht demographische, finanzielle, umweltpolitische und einer zunehmenden Änderung der Lebenseinstellung entsprechende Notwendigkeit.”

Nur wird man das ohne frische Planungsstäbe, mit jungen, auf heutigem Level ausgebildeten Fachleuten nicht machen können. Die dumme, weil undurchdachte Sparpolitik der bisherigen Staatsregierungen haben genau das Personal aus dem Staatsdienst ferngehalten, das jetzt für all die Dinge gebraucht würde, die Martin Dulig will – aber mit den alten Köpfen in der zweiten und dritten Ebene nicht umsetzen kann.

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