Wie sehr das Getrommel der verunsicherten Sicherheitsminister in Sachsen wirkt, hat ja der entamtete Sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) immer wieder gezeigt. Im November auch mit einer Show-Veranstaltung in Leipzig, bei der das Test-Projekt BodyCam medienwirksam gestartet wurde.
Und ein Meister der Placebo-Politik war der feierlich aus dem Amt entlobte Innenminister Markus Ulbig (CDU) natürlich auch mit der vollmundig verkündeten neuen Sicherheitspartnerschaft von Stadt und Polizei Anfang November, als er auch seine geliebte „Waffenverbotszone“ verbal an den Mann bzw. den Oberbürgermeister brachte, der irgendwann zustimmte, weil er weiß, dass die völlig aus dem Häuschen geratene sächsische CDU nun in „Sicherheitspolitik“ ihr Rettungsboot sieht, da sie rechts schon lange von einer panikbesessenen AfD überholt wurde.
Anfang November zelebrierte Markus Ulbig auf der Eisenbahnstraße auch ganz offiziell den Beginn der Pilotphase zur Nutzung von BodyCams bei ausgewählten Polizeidienststellen in Sachsen. Und dass er sich die Eisenbahnstraße dafür aussuchte, war natürlich auch symbolträchtig.
Und weil er es als Pilotprojekt verkaufte, musste er dafür auch das Sächsische Polizeigesetz nicht extra ändern lassen – oder müsste er eigentlich doch, nur ist niemand da, der die sächsische Regierung dazu bringen kann, das wirklich plausibel zu gestalten.
Also laufen Leipziger Polizisten mit der Kamera am Körper herum und zeichnen alles auf, was ihnen auf dem Streifengang in der „gefährlichen Zone“ Ost oder im Einsatz als strafrelevant erscheint. Da wird es schwierig. Denn ob derart gewonnenes Bildmaterial überhaupt beweiskräftig vor Gericht verwendet werden darf, ist gar nicht klar. Denn im 2013 geänderten Sächsischen Polizeigesetz ist zwar geregelt, dass die Polizei an „gefährlichen Orten“ oder in eingerichteten „Kontrollbereichen“ Daten erheben und sammeln darf – aber ob die Bodycams durch § 37, Abs. 3, tatsächlich gedeckt sind, dürfte so manchen Verteidiger sehr interessieren. Denn erhoben werden dürfen die Daten nur, „soweit tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass an Orten dieser Art oder an oder in Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, durch die Personen, Sach- oder Vermögenswerte gefährdet werden. Die Erhebung kann auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.“
Das ist auch in der Eisenbahnstraße nicht permanent der Fall, auch wenn es dort in der Vergangenheit zu einigen Vorfällen kam, die die Polizei auf den Plan riefen.
Das heißt, die Polizisten müssen das Gerät eigentlich immer auslassen, wenn es nicht nach einer Straftat riecht.
„Der kameraführende Polizeibedienstete entscheidet im Rahmen der jeweiligen Befugnisnorm nach eigenem Ermessen über den Beginn und das Ende der Aufzeichnung. Es
ist grundsätzlich nur der einsatzrelevante Bereich der polizeilichen Maßnahme aufzuzeichnen“, erklärte Markus Ulbig am 5. Dezember auf die Anfrage des innenpolitischen Sprechers der Linksfraktion, Enrico Stange.
Oder mal so formuliert: Die Bildaufzeichnung muss einen konkreten Zweck haben.
Und die Überspielung und Aufbewahrung der Bilder erst recht. Wofür sich dann auch Enrico Stange in seiner Anfrage an die Staatsregierung etwas eingehender interessierte.
Was wird von den Aufzeichnungen wie lange und mit welchen Zugriffsrechten gespeichert?
Speichern dürfen nur die eingebundenen Polizeibeamten. Ulbig: „Die Datenverarbeitung erfolgt nach hier festgelegten Rollen. Dabei werden jeder der vier Rollen bestimmte Berechtigungen in der jeweiligen Software zugewiesen. Bei der Rolle 1 handelt es sich um Polizeibedienstete, welche die Kamera führen und einsetzen. Die Rolle 2 erhalten die unmittelbaren Vorgesetzten der Rolle 1, in der Regel Dienstgruppenführer und deren Stellvertreter. Beide Rollen können Aufzeichnungen einsehen, entsprechend einer strafrechtlichen Relevanz markieren und dazugehörige Metadaten in der Software eintragen.“
Und: „Die Speicherung erfolgt auf Einzelplatzrechnern ohne Netzanbindung. Diese befinden sich in den jeweiligen Polizeirevieren. Zugriff auf die Daten haben nur autorisierte Polizeibedienstete. Behörden im datenschutzrechtlichen Sinne sind die Polizeidirektionen Dresden und Leipzig. Als Beweismittel dienende Aufzeichnungen werden durch die Anfertigung einer Kopie auf einem geeigneten Datenträger, im Regelfall eine DVD, übertragen. Der Datenträger wird dem Vorgang beigefügt und gemeinsam mit diesem der zuständigen Verfolgungsbehörde übergeben.“
Und da kommt man dann schon langsam in den Bereich der Dauer der Speicherung.
„Die Aufbewahrung von Aufzeichnungen, die als Beweismittel für ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren dienen, richtet sich nach § 49c des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) (bei Ordnungswidrigkeiten) bzw. nach §§ 483ff. Strafprozessordnung (StPO). Die Beweismittel sind zu löschen, wenn diese nicht mehr im jeweiligen Verfahren erforderlich sind. Über die Verwertung und Löschung des Beweismittels entscheidet die jeweilige Verfolgungsbehörde.“
Und der Rest?
Ulbig: „Die Daten werden nach 30 Tagen automatisch gelöscht, soweit diese nicht als Beweismittel zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, zur Geltendmachung von öffentlichen Ansprüchen oder nach Maßgabe des § 2 Absatz 2 SächsPolG zum Schutz privater Rechte, insbesondere zur Behebung einer bestehenden Beweisnot, erforderlich sind.“
Der Test besteht auch darin, dass zwei verschiedene Kameratypen getestet werden – und zwar in beiden Leipziger Beobachtungsbereichen – im Zentrum (Hauptbahnhof) und in der Eisenbahnstraße. Und da Ulbig meint, dass die Bilder auch bei Ordnungswidrigkeiten genutzt werden können, werden einige auffällige Zeitgenossen wohl schon in hübschen Szenen fürs Gericht verewigt sein.
Die Auskunft auf die Anfrage von Enrico Stange (Linke). Drs. 11199
Keine Kommentare bisher