Eine berechtigte Frage zum im Dezember vorgestellten Panzerfahrzeug "Survivor R" lautete: Wo will der Innenminister das Fahrzeug eigentlich einsetzen? Wird es gar gegen Demonstranten eingesetzt? Gleich zwei Landtagsabgeordnete wandten sich deshalb mit besorgten Fragen an den neuen Innenminister Roland Wöller. Und der - weicht aus.

Denn solche Fahrzeuge entfalten ja schon Wirkung, wenn sie einfach nur da stehen. So wie selbst die Wasserwerfer der Polizei schon Wirkung entfalten, wenn sie hübsch nah am Demonstrationsgelände positioniert werden. Wer da nicht vorsorglich schon mal in voller Wetterschutzmontur zur Demo geht, hat die Zeichen der Polizei wohl nicht verstanden.

Und der “Survivor R”? Der ist doch eigentlich für ganz andere Einsätze gedacht. Stimmt schon, betont Innenminister Roland Wöller (CDU) in der Antwort an den innenpolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, Valentin Lippmann: “Die geschützten Führungs- und Funktionsfahrzeuge vom Typ ‘Survivor R’ sind für Schutzaufgaben und Intervention bei lebensbedrohlichen Einsatzlagen, vor allem bei Terror- bzw. terrorgleichen Lagen, beschafft worden. Auf Grund ihrer Schutzeigenschaften (insbesondere gegen Beschuss oder Explosionen) sowie Robustheit sind sie darüber hinaus für alle Einsatzlagen geeignet, die entsprechendes Gefahrenpotential aufweisen können. – Der Einsatz der Fahrzeuge erfolgt gemäß § 31 Abs. 2 des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen unter der Maßgabe der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Angemessenheit.”

In Paragraph 31 des Sächsischen Polizeigesetzes geht es einfach nur um die Definition für “Mittel des unmittelbaren Zwangs”.

In Absatz 1 wird definiert: “Unmittelbarer Zwang ist jede Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch.”

Ob der Einsatz der Mittel tatsächlich gerechtfertigt wird, wird dort nicht definiert.

In der Auflistung der Mittel heißt es dann in Abschnitt 2: “Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde, Dienstpferde, Dienstfahrzeuge, Reizstoffe sowie zum Sprengen von Sachen bestimmte explosive Stoffe (Sprengmittel). Das Staatsministerium des Innern kann weitere Hilfsmittel der körperlichen Gewalt zulassen.”

Wenn man viel Phantasie walten lässt, kann man den “Survivor R” dann als Dienstfahrzeug deklarieren, wobei völlig unklar ist, wie so ein Dienstfahrzeug als Mittel des “unmittelbaren Zwanges” eingesetzt werden soll.

Das wird erst deutlicher, wenn Enrico Stange, der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, nach der Bewaffnung des Fahrzeugs fragt. Was ja auch in Zusammenhang mit Demonstrationen sehr interessant ist. Denn Wöller sagt ja auch zu Lippman eindeutig, dass er den Einsatz bei Demonstrationen nicht ausschließt: “Darüber hinausgehende Festlegungen würden die Schutz- oder Interventionsmöglichkeiten der Fahrzeuge beschränken und wurden nicht getroffen.”

Wenn also ein Einsatzleiter das SEK anfordert, weil’s ihm zu brenzlig wird: Taucht dann auch der “Survivor R” auf und schüchtert Demonstraten ein?

Die Befürchtung, dass ein Maschinengewehr auf dem Turm platziert wird, scheint sich hingegen nicht zu bestätigen.

Auf Stanges Anfrage zur Bewaffnung antwortete Roland Wöller: “Die Fahrzeuge wurden auf Basis der Leistungsbeschreibung sowie späterer Feinabstimmungen gefertigt und verfügen u. a. über einen 350 PS Motor (Selbstzünder, EURO 6-Norm), ein automatisches Schaltgetriebe, permanenten Allradantrieb, ballistischen Schutz gegen Beschuss und Ansprengung, Rammschutz, hydraulische Heckklappe für schnellen Ein- und Ausstieg, Belüftungsanlage sowie über Wurfanlagen zum Verwurf nichttödlicher Wirkmittel. Darüber hinaus sind die Fahrzeuge mit Sondersignal, Funk-, Video- und Audiotechnik ausgestattet. Die entsprechenden optronischen Systeme werden über den leichten, von innen bedienbaren, Turmaufbau gesteuert. Das Fahrzeug ist mit insgesamt neun Sitzen ausgestattet.”

“Nichttödliche Wirkmittel” – das klingt nach Tränengas oder Rauchbomben. Und “optronische Systeme” scheinen dann wohl die auf dem Dach installierten Kamerasysteme zu meinen, die von innen gesteuert werden können. Was diese Geräte alles können, verrät die Auskunft natürlich nicht.

Die Anfrage von Enrico Stange (Linke) “Polizeipanzer „Survivor R” — Bestellung, Auslieferung, Ausstattung, Einsatzbestimmung. Drs. 11568

Die Anfrage von Valentin Lippmann (Grüne) “Einsatz des Survivor R bei Versammlungen”. Drs. 11565

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