Sachsens Versammlungsgesetz ist restriktiv. Es steckt der Geist eines Ordnungsstaates darin, der die Versammlung seiner Bürger so schwer wie möglich macht und gesellschaftlichen Protest immer in den Geruch eines Gesetzesverstoßes bringt. Es ist ein von Regelungswut bestimmtes Gesetz. Modern ist das nicht, finden die Grünen. Sie haben einen neuen Vorschlag auf den Tisch gelegt.
„Wir wollen das verstaubte Versammlungsrecht in Sachsen modernisieren und liberalisieren. Es soll weniger Verbote, weniger Reglementierung und mehr Freiheit geben. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit soll sich auch in Sachsen größtmöglich entfalten können“, erklärt Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, zu dem am Donnerstag, 11. Januar, vorgestellten Gesetzentwurf über ein Sächsisches Versammlungsfreiheitsgesetz. „Mit der Stärkung des Versammlungsrechts im Freistaat Sachsen wollen wir einen Kontrapunkt in den aktuellen Debatten zur Einschränkung von Bürgerrechten und Freiheit setzen. Versammlungen sind Ausdruck der Freiheitsausübung und das Versammlungsfreiheitsgesetz soll die Gewähr dafür geben.“
So richtig passt das, was 2012 als „Sächsisches Versammlungsgesetz“ vorgelegt wurde, nicht zu dem, was das Grundgesetz den Deutschen eigentlich gewährleistet. Das Gesetz atmet den ganzen restriktiven Geist der Ulbig-Ära.
Und der Vorschlag der Grünen?
„Das Gesetz betont den Charakter des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit als Kommunikationsgrundrecht und die Schutz- und Kooperationsaufgabe staatlicher Behörden. So ist die freie Berichterstattung von Presse und Rundfunk ausdrücklich als Schutzzweck erwähnt und die Versammlungsbehörden stärker zur Kooperation verpflichtet“, betont Lippmann. „Jegliches Behördenhandeln, was geeignet ist, Personen von Versammlungen abzuschrecken − etwa das martialische Auffahrens des Spezialeinsatzkommandos (SEK) in bloßer Bereitschaft in unmittelbarer Nähe der Versammlung − ist nach unseren Vorstellungen zu unterlassen.“
Und dann ist da noch die seit 2011 in hunderten Gerichtsakten festgehaltene Bestrafungsmoral, die im sächsischen Versammlungsrecht aktuell gilt. Wer sich an einer öffentlichen Demonstration beteiligt, riskiert, zum Straftäter gemacht zu werden, ohne eine wirklich strafbare Handlung vollbracht zu haben. Was natürlich immer wieder auch mediale Munition gerade für erzkonservative und rechtsradikale Akteure ist, die die Tatsache ausschlachten, dass gerade „Linke“ damit reihenweise zu Tatverdächtigen werden.
„Wir wollen den Straftatenkatalog im Versammlungsrecht radikal entrümpeln und ein Großteil der Straftaten zu Ordnungswidrigkeiten abstufen“, erläutert Valentin Lippmann das Vorgehen. „Strafbar sind künftig nur noch Handlungen, die mit Gewalttätigkeiten oder deren Androhung einhergehen oder gegen das Waffenverbot verstoßen. Die friedliche Blockade soll künftig ebenso wenig strafbar sein wie der Aufruf dazu, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden können. Damit wird das Ermessen von Polizei und Staatsanwaltschaft beim Umgang mit komplizierten Versammlungsverläufen betont.“
Was derzeit in Sachsen als Versammlungsrecht gilt, ist im Grunde ein Restbestand der autoritären 1960er Jahre.
„Das bisher geltende Versammlungsgesetz, das sich noch stark an dem mittlerweile über 60 Jahre alten Bundesversammlungsrecht orientiert, soll durch das Versammlungsfreiheitsgesetz abgelöst werden. Die Regelungen zum Versammlungsrecht werden klarer und übersichtlicher“, sagt Lippmann. „Maßgeblich für die Erarbeitung des Gesetzes war jedoch unser Anspruch, dass das für jede Person geltende Grundrecht auf Versammlungsfreiheit seine größtmögliche Wirkung entfalten kann. Wir haben deshalb die Möglichkeit, Versammlungen zu beschränken oder zu verbieten, stark eingeschränkt. Ein Verbot ist nur noch bei einer unmittelbaren Gefahr eines gewalttätigen Verlaufs der Versammlung und bei Gefahren für Leben und Gesundheit von Personen möglich.“
Und dann steckt auch noch das hübsche Thema privater Räume drin. Denn so manches, was mal öffentlicher Raum war, wurde in den vergangenen 27 Jahren privatisiert – da übt dann der Eigentümer einfach sein Hausrecht aus und kann Öffentlichkeit verhindern, selbst wenn der Ort für Demonstrationen eigentlich wichtig wäre.
Valentin Lippmann: „Künftig sollen in Sachsen auch Versammlungen auf Flächen in Privateigentum stattfinden, sofern diese für den allgemeinen Publikumsverkehr geöffnet sind. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2011 den Gesetzgebern ins Stammbuch geschrieben.“
Der Gesetzentwurf wird voraussichtlich in erster Lesung am 1. Februar dem Landtag vorgestellt.
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