Die von der "Sächsischen Zeitung" veröffentlichte Studie zum Gerechtigkeitsgefühl der Sachsen hat nicht nur in der SPD ein positives Echo gefunden, wo man seine Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit für die Ostdeutschen bestätigt sieht. Auch die Linkspartei sieht ihre Kritik an einer ungerechten Verteilung bestätigt, die die Mehrheit der Ostdeutschen auch 27 Jahre nach der Einheit in prekären Lebensverhältnissen feststecken lässt.

“Die soziale Spaltung ist der Unsicherheitsfaktor Nummer eins in der sächsischen Gesellschaft”, sagt Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion im Sächsischen Landtag. Und geht denn regelrecht ironisch auf die Selbstbeweihräucherung der CDU ein. “Menschen, die nicht von ihrer Arbeit gut leben können und auf Altersarmut zusteuern, lassen sich nicht von einer CDU ruhigstellen, die durchs Land läuft und ruft: Wir sind die Größten, wer an uns glaubt, ist in Sicherheit. Die Menschen haben die bittere Erfahrung gemacht, dass das nicht stimmt.”

Aber augenscheinlich wirkt eine fachliche Feststellung, wie sie der Leipziger Soziologe Gert Pickel traf, dass sich die Mehrheit der Ostdeutschen noch immer als “Bürger 2.Klasse” fühlt, im Jahr 2018 regelrecht wie eine erhellende Erkenntnis. Als hätte man das 25 Jahre prima unter der Decke verstecken können – und nun merken es die Betoffenen selbst, dass Gerechtigkeit in Deutschland nun einmal über Geld und soziale Sicherheit hergestellt wird. Und dass Politik in Deutschland noch immer heißt: Politik für Westdeutschland.

Da ist gewaltig etwas schiefgelaufen

Bis hin zur Berufung von Ministern in ostdeutschen Landesregierungen. Die Scheuklappen haben selbst schon die führenden Politiker im Osten auf. Rico Gebhardt: “Mich wundert immer wieder, wenn Umfragezahlen zum Thema ‘Bürger zweiter Klasse’ große Verwunderung auslösen. Bei seiner Kabinettsumbildung hat Ministerpräsident Kretschmer sieben Menschen neu berufen – darunter sind gerade mal zwei Ostdeutsche. Wohlgemerkt: Es geht um die Staatsregierung für Sachsen. Das sagt alles: Von der CDU ist kein nennenswerter Beitrag zur Gleichstellung von Ost und West zu erwarten.”

Und dann geht Gebhardt ans Eigentliche: das, was persönliche Sicherheit schafft. Oder eben das Gegenteil: dauerhafte Ängste ums Notwendigste.

“Auch über 28 Jahre nach dem Fall der Mauer werden immer noch Menschen aus einem guten Dutzend Berufsgruppen Rentenleistungen vorenthalten, für die sie eingezahlt haben. Benachteiligt sind auch immer noch die in der DDR geschiedenen Frauen. Gerade auch im Osten wachsen viele Kinder in Armut auf”, sagt Gebhardt.

“Die Umfrage zeigt: Die von der CDU verabreichten Beruhigungspillen wirken nicht mehr. Das hat sein Gutes – wenn wir nicht den Rechten das Feld überlassen, deren ‘Antworten’ die allgemeine Verunsicherung nur mit Ressentiments schüren. Es wäre deshalb sehr schön, wenn LINKE und SPD beim Thema Aufarbeitung des Treuhand-Unrechts und Beseitigung der Benachteiligung der Ostdeutschen gemeinsame Sache machen würden – zum Beispiel bei der Einsetzung einer entsprechenden Enquetekommission im Bundestag.”

Nicht nur “gefühlte Wahrheiten”

Ganz ähnlich interpretiert auch Silvio Lang, stellvertretender Landesvorsitzender der sächsischen Linken, die Debatte. „Wenn 28 Jahre nach der politischen Wende Menschen in Ostdeutschland immer noch weniger Lohn für die gleiche Arbeit erhalten oder weniger Rente bekommen, dann zeigen die Ergebnisse der Umfrage der Sächsischen Zeitung nicht nur ein Gefühl der Menschen in Sachsen, sondern es entspricht der tatsächlichen Lage. Das Anerkennungsdefizit, von dem Prof. Pickel für die SäZ schreibt, ist demnach nicht nur gefühlt, sondern belegbar“, stellt Lang fest.

Demnach stimmten zwei von drei Befragten der Aussage „Die Ostdeutschen sind in Deutschland auch heute noch Bürger zweiter Klasse“ zu – und damit mehr als bei der letzten vergleichbaren Befragung.

„Wenn die vier Landkreise mit dem niedrigsten durchschnittlichen Bruttoeinkommen in Ostdeutschland (und davon zwei in Sachsen) und die vier mit dem höchsten Durchschnittseinkommen alle in Westdeutschland liegen, dann geht es eben nicht nur um gefühlte Wahrheiten“, erklärte Lang weiter.

Laut Soziologie Professor Gert Pickel von der Universität Leipzig war der wichtigste genannte Wunsch der Befragten an die sächsische Politik eine Verbesserung im Bildungssystem. Demnach seien die Menschen mit der „Bildungslandschaft insgesamt nicht zufrieden“.

„Die bislang von der Sächsischen Zeitung veröffentlichten Ergebnisse zeichnen auch ein Ergebnis von nun bald 28 Jahren CDU-Politik in Sachsen. Nicht von ungefähr wird bei den drängendsten Wünschen der Befragten die Bildungspolitik ausgesprochen häufig genannt”, sagt Lang.

“Die Menschen in Sachsen haben längst bemerkt, dass es die CDU und ihre wechselnden Koalitionspartner geschafft haben, durch jahrelanges Nichtstun und Wegschauen, existenzielle Probleme in der Bildungslandschaft hervorzurufen. Auch von Ministerpräsident Kretschmer ist hier bislang nichts Neues zu hören. Damit ignoriert die Landesregierung fortgesetzt eines der Hauptinteressen ihrer Bürger*innen. Die Linke Sachsen wird dagegen – wie am Freitag im Landesvorstand beschlossen – eine Initiative zu einem Volksantrag für längeres, gemeinsames Lernen in Sachsen unterstützen!

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