Eigentlich wird Sachsen gar nicht mehr regiert. Die Regierungsspitze ist zum Mittagessen ausgeflogen und in einigen Ministerien wird nicht mal dann reagiert, wenn nur ein Änderungsantrag zum Beschluss dem Landtag vorgelegt werden muss. Wie beim Förderprogramm „Brücken in die Zukunft“. Da geht es nur um eine Friständerung zugunsten der Kommunen. Aber irgendwie scheint Sachsens Regierung der falsche Ansprechpartner zu sein.

Diese Erfahrung machte jetzt Franziska Schubert, Landtagsabgeordnete der Grünen, die einfach mal wissen wollte, was aus einem Anliegen des Sächsischen Städte- und Gemeindetages aus dem Jahr 2016 geworden ist.

Der hatte sich nach eigener Auskunft gegenüber der Staatsregierung und den Koalitionsfraktionen dafür eingesetzt, dass diese Fristverlängerung über das Haushaltsbegleitgesetz 2017/2018 zeitnah erfolgt. Denn aus verschiedenen Gründen schaffen es die Kommunen nicht, alle Maßnahmen aus dem hochgejubelten Programm „Brücken in die Zukunft“ bis zum 31. Dezember 2018 fertigzustellen und abzurechnen. Deshalb hat der Bund die Abrechnungsfrist um zwei Jahre verlängert. Das Land Sachsen hätte die Neuregelung einfach ins Gesetz übernehmen müssen.

Aber irgendwie fühlt sich dafür niemand in der Staatsregierung verantwortlich.

Weil vorgegebene Umsetzungsfristen bis zum 31. Dezember 2018 für die Vorhaben im Programm „Brücken in die Zukunft“ von Sachsens Kommunen nicht gehalten werden können, hat der Bund bereits im November 2016 die Fristen verlängert.

Der Freistaat sieht hingegen laut Antwort von Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) auf die Kleine Anfrage von Franziska Schubert keinen Handlungsbedarf und will die Umsetzungsfristen nicht anpassen.

„Die Sächsische Staatsregierung hat bis heute kaum drei Prozent von dem, was dem Freistaat Sachsen aus dem Kommunalinvestitionsfonds zusteht, abgerufen“, erklärt Franziska Schubert, finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, zum Ergebnis ihrer Anfrage. „Das liegt auch daran, dass eben die Umsetzungsfristen nicht eingehalten werden können. Das hat ganz praktische Gründe, wie sie auf der kommunalen Ebene zu finden sind. Von den aufwendigen Antrags- und Planungsverfahren abgesehen, stehen zahlreiche Kommunen vor dem Problem, dass die Baufirmen aufgrund voller Auftragsbücher nicht sofort loslegen können. Die jetzige Umsetzungsfrist geht also an der Realität des kommunalen Alltagsgeschäfts völlig vorbei.“

Am längsten dauern dabei die Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Die aktuellen Medieninformationen der Staatsregierung zu Baumaßnahmen im Rahmen des Investitionsprogramms „Brücken in die Zukunft“ erfolgen immer dann, wenn ein Zuwendungsbescheid an die entsprechende Kommune erteilt wurde. Erst mit diesem Bescheid darf die Kommune ihre beantragte Maßnahme beginnen. Das beinhaltet unter anderem Ausschreibungen, Auftragserteilung, Umsetzung, Abrechnung etc..

Damit der Freistaat die Gelder beim Bund abrufen kann, müssen Baumaßnahmen erfolgt sein, die die Kommunen gegenüber dem Freistaat abrechnen können. Das geht aber nur, wenn die Bauaufträge erteilt und das Projekt tatsächlich umgesetzt ist.

Der Freistaat hat bis jetzt lediglich 3,4 Millionen Euro von seinem Anteil in Höhe von 156,6 Millionen Euro beim Bund abgerufen. Grund hierfür ist, dass kaum eine Kommune mit ihren Bauprojekten so weit ist, dass sie es gegenüber dem Freistaat abrechnen kann. Und damit kann der Freistaat die Kosten auch nicht gegenüber dem Bund abrechnen.

Die Kommunen werden sich zu der Problematik nicht öffentlich melden, da sie laut Zuwendungsbescheid verpflichtet sind, ihre Bauprojekte fristgemäß umzusetzen, stellen die Grünen fest. Aber sie haben längst alle ein Grundproblem: Unter anderem sorgen volle Auftragsbücher in der Baubranche dafür, dass Projekte nicht ad hoc umgesetzt werden können. Diese Problematik ist deutschlandweit bekannt und wurde vom Bund bereits durch Verlängerung der Umsetzungsfrist bis zum 31. Dezember 2020 berücksichtigt.

„Ich weiß, dass es keine Stärke der Staatsregierung ist, proaktiv und dienstleistungsorientiert zu agieren. Aber eine Fristverlängerung, die vom Bund bereits eingerichtet ist und auf Landesebene nur nachvollzogen werden muss, sollte möglich sein“, findet Schubert. „Für die kommunale Ebene wäre es ein wichtiges und sinnvolles Zeichen. Die Finanzierung von bereits genehmigten Projekten wäre dann gesichert und die Kommunen könnten diese dann fristgerecht umsetzen. Der Hinweis des Umweltministers Thomas Schmidt (CDU), die Fristverlängerung sei Aufgabe des Landtages, greifen wir Grüne gern auf. Dann müsste die CDU-Fraktion, wenn sie verstanden hat, wie jetzt überall zu hören ist, auch hier neue Wege beschreiten und einen Antrag der Grünen-Fraktion unterstützen. Soweit ich weiß, kommt das alle zwei Jahre einmal im Zuge der Haushaltsverhandlungen vor. Das wäre für Sachsens Kommunen dann aber deutlich zu spät.“

Zur Erinnerung: Der Bund hat 2015 sein großes Investitionsprogramm mit einem Gesamtvolumen von 3,5 Milliarden Euro für finanzschwache Kommunen aufgelegt. Auf Sachsen entfallen 156,6 Millionen Euro.

In anderen Ländern wurden Arbeitsgemeinschaften gegründet. Ihre Aufgabe war es, auf Landesebene über die Einzelheiten bei der Umsetzung des Bundesprogrammes zu beraten. Da ging es um die Ausgestaltung der Förderverfahren, aber auch um die Förderbereiche.

In Sachsen hat die Regierungskoalition in Abstimmung mit der Staatsregierung das Bundesgeld in das Investitionsprogramm „Brücken in die Zukunft“ gepackt. Mit den Stimmen von SPD und CDU wurde das hierfür notwendige Gesetz zum letztmöglichen Termin − im Dezember 2015 − verabschiedet. Ende Februar 2016 hat die Staatsregierung die Verwaltungsvorschrift VwW Investkraft veröffentlicht. Damit erst hat die Staatsregierung den Kommunen bekanntgegeben, wie sie Projekte in dem Programm „Brücken in die Zukunft“ beantragen können. Die Kommunen mussten schnell reagieren. Zu einem eigentlich unmöglichen Zeitpunkt. Denn im Februar haben die Kommunen ihre Haushalte längst aufgestellt, meistens auch schon beschlossen.

Leipzig hat auf das Programm so reagiert, dass es lauter Projekte angemeldet hat, deren Planung schon abgeschlossen war, die also auch sofort nach Genehmigung hätten ausgeschrieben werden können.

Aber wer zugeschaut hat, wie langsam der personell unterbesetzte sächsische Amtsschimmel trabt, war in diesem Sommer regelrecht überrascht: Nach über einem Jahr reisten Minister und Staatssekretäre endlich durchs Land und überreichten vor Ort medienwirksam die Förderbescheide. Im Sommer. Wo auch sämtliche Auftragsvergaben für das laufende Jahr längst durch sind. Die meisten Kommunen konnten erst jetzt ausschreiben und werden erst im Frühjahr 2018 zu bauen beginnen. Bei Bauzeiten von zwei bis drei Jahren für Brücken, Schulen und andere Projekte ist mit einer Fertigstellung vor 2019 gar nicht zu rechnen.

Aber nicht einmal dieser dezente Hinweis ist in der abwesenden Staatsregierung angekommen.

Sachsen zum Beispiel hatte laut Antwort des Umweltministers bis Ende August 2017 gut 3,4 Millionen Euro und damit erst etwa drei Prozent seines Anteils abgerufen.

Franziska Schubert: „Wenn nun aber wie in Sachsen ein Großteil der Baumaßnahmen in den Kommunen noch nicht umgesetzt ist, kann auch nicht abgerufen werden – es ist also ein kleiner Teufelskreis. Der Bund hat das erkannt und die Voraussetzung geschaffen, dass die Länder die Umsetzungsfristen für ihre Kommunen anpassen können. Der Antwort von Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) ist zu entnehmen, dass die Staatsregierung das nicht tun wird. Ich frage mich ernsthaft, was dem entgegensteht?“

Gute Frage.

Die Antwort auf die Anfrage von Franziska Schubert. Drs. 10533

Die neue LZ Nr. 48 ist da: Zwischen Weiterso, Mut zum Wolf und der Frage nach der Zukunft der Demokratie

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