Vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass der neue „Sachsen-Monitor“ am Dienstag, 28. November, zeitgleich mit der regionalisierten Steuerprognose des Finanzministers veröffentlicht wurde. Denn das machte etwas deutlich, was den meisten Sachsen gar nicht bewusst ist: wie sehr die neoliberale Staatszerstörung dafür sorgt, dass immer mehr Bürgern angst und bange ist. Das Kaputtsparen zerstört auch jedes Vertrauen in Politik.
Fast 10 Milliarden Euro hat Sachsen mittlerweile an Rücklagen geschaffen. Doch Haushalt für Haushalt predigt CDU-Finanzminister Georg Unland, es wäre nicht genug Geld da, um weiter genug Polizisten, Lehrer, Justizbeamte usw. zu bezahlen. Zuletzt preschte er wieder mit der Behauptung nach vorn, die Zahl der sächsischen Staatsbediensteten müsse von 83.000 auf 70.000 noch weiter eingedampft werden. Kommunen fehlen Investitionsmittel in dreistelliger Millionenhöhe.
Und dann zeigt jede neue Steuerschätzung, dass der Minister den Haushalt wieder knapper berechnet hat als nötig. Jahr für Jahr erwirtschaftet Sachsen eine halbe Milliarde Euro mehr als geplant.
„Und täglich grüßt das Murmeltier. An Stelle des Finanzministers würde ich mich schämen, auf der einen Seite immer zu betonen, dass kein Geld für wichtige Vorhaben da ist, und auf der anderen Seite einen Steuerrekord nach dem anderen verkünden zu müssen“, sagt Verena Meiwald, haushalts- und finanzpolitische Sprecherin der Linksfraktion, zu den am Dienstag vorgestellten neuen Prognosezahlen. „Diese Strategie, sich künstlich arm zu rechnen und dann die Steuermehreinnahmen am Landtag vorbei zu ‚verbraten‘, ist ein Angriff auf unsere demokratischen Grundwerte und das ‚Königsrecht‘ des Parlaments – und das nun schon seit Jahren.“
Aber wo der Finanzminister am Ende allein entscheidet, wem er Geld gibt, fehlt dieses Geld schlicht da, wo es gebraucht wird: den Freistaat endlich wieder zukunftsfähig zu machen und den Bürgern das Gefühl zu geben, dass sich Arbeiten und Steuerzahlen auszahlt. Aber von einer Zukunftsperspektive kann in weiten Teilen Sachsens derzeit keine Rede sein.
„Schluss mit verwalten“, sagt Verena Meiwald. „Wir müssen umsteuern und endlich gestalten! Die Steuermehreinnahmen müssen in die Köpfe unseres Landes fließen. Nur so können wir der demographischen Falle, in der wir uns befinden, entkommen. Wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer und höhere Ausbildungskapazitäten an den Unis. Die Verwaltung muss aufgestockt werden, um den Bürgerinnen und Bürgern wieder wirklich Dienstleister zu sein. Wir brauchen Polizistinnen und Polizisten auf der Straße und eine handlungsfähige Justiz. Aber auch die öffentliche Daseinsvorsorge wie Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) und dringende Investitionen in die Infrastruktur sind nun möglich. Wir haben die Chance, Sachsen auf die Höhe des 21. Jahrhunderts zu bringen und fit für die Zukunft zu machen. Dazu gehören die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land und eine Bildungsoffensive! Die sächsische Staatsregierung muss nur endlich damit beginnen, ihren Beitrag dazu zu leisten!“
Aber nicht nur die Linke findet, dass nach zehn Jahren Jammern und Kaputtsparen wieder Vernunft in die Finanzpolitik einkehren muss.
„Es ist Zeit für einen grundlegenden Wandel in Sachsens Finanzpolitik“, erklärt auch Dirk Panter, haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. „Sparen darf nicht weiter Selbstzweck sein. Die Ausgaben des Staates müssen sich am tatsächlichen Bedarf des Landes orientieren, an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger. Unsere Schwerpunkte für die SPD sind dabei Bildung, sichtbare Sicherheit, Digitalisierung, Investitionsgelder für die Kommunen und für bessere Pflege. Hier wollen wir als SPD nicht mehr nur reparieren, hier wollen wir endlich grundlegend umsteuern. Das verstehen wir unter solider und vorausschauender Politik. Wir haben jetzt die Chance, Sachsens Finanzpolitik neu zu justieren. Das Geld dafür ist da, wie selbst die Berechnungen des Finanzministeriums belegen.“
Das ist dann schon eine Botschaft an den neuen Ministerpräsidenten, den der Landtag im Dezember wählen soll. Ob es der von Stanislaw Tillich vorgeschlagene Michael Kretschmer sein wird, wird auch die SPD mitentscheiden. Und der Juniorpartner in der Regierung hat schon deutlich gemacht, dass er vom neuen MP einen deutlichen Politikwechsel will. Das Geld, um Sachsen wieder zum Funktionieren zu bringen, ist da.
So sieht es auch Franziska Schubert, finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag: „Die vorliegende Steuerschätzung weist bis zum Jahr 2022 eine stabile Einnahmeentwicklung für Sachsen aus. Die nochmalige Korrektur um plus zwei Prozent für das laufende Jahr 2017 gegenüber der Maisteuerschätzung 2017 ist ungewöhnlich hoch. Das sind beste Voraussetzungen, um große Herausforderungen anzugehen.“
Und auch sie hat ein Problem mit der Selbstherrlichkeit des Ministers, der keine Auskunft darüber gibt, was er mit den Mehreinnahmen eigentlich anstellt.
„Ich fände eine kritische Selbstreflexion darüber, was jahrelang mit Steuermehreinnahmen alles NICHT gemacht wurde im Freistaat, angemessener. Auch eine Betrachtung darüber, was mit den Mehreinnahmen jahrelang passiert ist, fände ich angebracht. Es ist doch trauriger Fakt, dass das Geld jahrelang in irgendwelchen Spartöpfen verschwunden ist. Sachsen braucht jetzt keine Fachsimpelei über Steuermodelle. Es braucht Ausgaben für die wichtigen Themen im Land!“, sagt Schubert und macht fast denselben Themenkatalog auf, den auch Linke und SPD aufgezählt haben: „Die Steuermehreinnahmen müssen mit sofortiger Wirkung für Bildung, Kinder und Jugend, zur Verbesserung der Mobilität, zum flächendeckenden Breitbandausbau und in der Gestaltung von Strukturwandelprozessen, sei es in den Kohlerevieren, in der Landwirtschaft oder dem Weg in eine digitalbasierte Wirtschaft verwendet werden; ebenso für mehr Polizei und Personal für den Dienst an der Bürgerin und am Bürger. Was mit dem Geld passieren soll, sollte im Landtag öffentlich diskutiert werden. Vorfestlegungen des Finanzministers sind nicht im Sinne der Sache und gehen am Haushaltsrecht des Parlaments vorbei.“
Aber genau das hat Finanzminister Georg Unland in den vergangenen neun Jahren zum mächtigsten Mann in der Regierung gemacht. Dass Stanislaw Tillich ratlos ist und zurücktritt, hat genau damit zu tun: Er hat sich dem Diktat seines Sparministers untergeordnet, statt politisch Linien festzulegen. Das Ergebnis ist ein heruntergespartes Land, das auch droht, seine Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.
Die Grünen haben nun ihre Forderung wiederholt, dass Finanzminister Prof. Georg Unland einen Nachtragshaushalt für 2018 vorlegt. Damit der Landtag überhaupt eine Chance hat, zu entscheiden, wohin die zusätzlichen 600 Millionen Euro fließen. Ungelöste Aufgaben gibt es genug.
Es gibt 2 Kommentare
Im Parlament – nur schwarze Nullen! Anders ist das doch nicht mehr nachzuvollziehen.
Die Mehreinnahmen gehen am Landtag vorbei? Und das lässt sich das Parlament bieten? Wo gibt’s denn sowas? Für die parlamentarische Kontrolle öffentlicher Gelder wurden Bürgerkriege geführt, haben Könige Köpfe eingebüsst! Dass müsste doch selbst die CDU-Fraktion auf die Palme bringen! Obwohl … von Parlamentsrechten hat man dort wahrscheinlich noch nie etwas gehört!