Sachsens CDU steckt in der Bredouille. Das Landesergebnis zur Bundestagswahl hat einiges ins Knirschen gebracht in der Regierung und in der Parteispitze. Und irgendwie ist zumindest die Erkenntnis gereift, dass das Ergebnis etwas mit der Landespolitik zu tun haben könnte. Von Mittwoch bis Donnerstag, 8. bis 9. November, versammelte sich die CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages deshalb auch mal zur Klausurtagung im benachbarten Bundesland.
Man reiste ins thüringische Zeulenroda, wo man sich auch zum intensiven Austausch mit Kollegen der Thüringer Landtagsfraktion traf. Denn die Thüringer Kollegen haben ja den sächsischen schon eine Erfahrung voraus: den Machtverlust. Bis 2014 hatte man den Freistaat an der Grenze zu Bayern ununterbrochen regiert, bis eine Koalition aus Linken, SPD und Grünen dafür sorgte, dass die dauerregierende CDU abgelöst wurde.
Was nicht so bleiben muss: Thüringen hat mittlerweile längst dasselbe AfD-Problem wie Sachsen. Die Landespolitik allein ist es also möglicherweise nicht, was so viele Wähler dazu bringt, den Rechtsaußen ihre Stimme zu geben, ohne dass es der AfD gelingt, belastbare politische Angebote zu machen.
Liegt es wirklich an der speziellen ostdeutschen Mentalität? Die Frage wird uns noch beschäftigen.
Logisch, dass das auch die CDU ratlos macht. Wie will man Politik machen, wenn eine gefühlige Nörgelpartei trotzdem die Stimmen absaugt?
„Es ist gute Tradition, dass wir als Fraktion einmal im Jahr in uns gehen und intensiv über aktuelle Themen wie auch Grundsätze diskutieren. Wir haben uns in Zeulenroda mit wichtigen Themen beschäftigt und sind auch ein gutes Stück weitergekommen“, sagte Frank Kupfer, der Vorsitzende der CDU-Fraktion, zum Sinn des sächsisch-thüringischen Treffens. Und zum Klausurergebnis selbst: „Wir wollen Sachsen als einen starken und sicheren Staat gestalten. Der Haushaltsentwurf der Staatsregierung muss daher ausreichend Personal für seine Aufgaben vorsehen. Das heißt, kritisch auf die Aufgaben zu schauen und im Sinne von Entbürokratisierung auf einzelne zu verzichten. Wir erwarten, dass der Generationenwechsel und demographische Wandel entsprechend berücksichtigt werden.“
Das ganze mündete dann in einen Eckwertebeschluss, den Kupfer so zusammenfasst: „Unsere Finanzpolitik bleibt solide! Das Ziel sind gleiche Lebensverhältnisse und Chancen für alle Sachsen – jung und alt, in Stadt und Land. Wir werden nicht mit einer Gießkanne übers Land gehen, sondern sehr gezielt die unterschiedlichen Notwendigkeiten berücksichtigen. Schwerpunkte sind dabei Bildung, medizinische Versorgung, Infrastruktur und der Breitbandausbau.“
Das Papier hat man postwendend bei der Linksfraktion sehr genau gelesen. Auch dort möchte man gern wissen, ob Sachsen CDU nun ihren alten, für den Staatsapparat so desolaten Sparkurs verlässt und umsteuert.
Aber aus Sicht von Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion, ist das Papier eher weltfremd.
„Was CDU-Fraktionsvorsitzender Kupfer heute der Öffentlichkeit als ‚Eckwerte‘ verkauft, ist Realsatire pur. Es belegt vor allem, dass bei der CDU-Landespolitik nichts mehr rund läuft. Von den gleichwertigen Lebensverhältnissen überall in Sachsen ist das Land nachweislich weiter entfernt als jemals zuvor. Entweder ist das behauptete ‚Ziel unserer Politik‘, das die CDU vorgibt, eine Lüge, oder sie hat immer noch nicht begriffen, dass ihre bisherige ‚Leuchtturm-Politik‘ die Spaltung des Landes vorangetrieben hat.“
Noch weltfremder findet Gebhardt die Ansage, man werde „weiterhin“ in Bildungseinrichtungen, Verkehr, Polizei, Justiz, Breitband und anderes investieren.
„Der Personalnotstand in den Justizvollzugsanstalten, Lehrermangel, geschlossene Polizeireviere, Rückstand beim schnellen Internet und Riesenlöcher im Netz eines bedarfsgerechten öffentlichen Personennahverkehrs auf dem Lande legen beredtes Zeugnis davon ab, dass von ‚weiterhin‘ keine Rede sein kann.“
Eigentlich hat die CDU-Fraktion mit dem Papier wieder nur bestätigt, dass es in ihr keinen Politiker gibt, der bereit ist, das Land zu gestalten und andere Wege zu gehen. Denn schon die Präambel legt fest, dass man die Politik des aktuellen Finanzministers Georg Unland genau so in die Zukunft fortschreiben möchte. Dort heißt es: „Die CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag bekennt sich zu der in der Verfassung festgeschriebenen nachhaltigen und generationengerechten Haushaltspolitik. Wir geben auch im Doppelhaushalt 2019/20 nur das Geld aus, das wir vorher durch Steuern und Abgaben eingenommen haben und hinterlassen unseren Kindern keine neuen Schulden.“
Da ist dann schon einmal ein Handschuh auch für den Koalitionspartner SPD in den Ring geworfen. Denn genau das steckt in der Formel von der „nachhaltigen und generationengerechten Haushaltspolitik“, wie sie die CDU verwendet: Sparen beim Landespersonal, dafür weiter riesige Ansparungen in Fonds und Rückstellungen. Was im letzten Punkt des Papiers sogar noch explizit betont wird: „Die notwendigen Zuführungen an den Generationenfonds werden geleistet. Wir werden die Vorbindungen für künftige Haushalte auf das Notwendige beschränken, aber sie dort nutzen, wo die Arbeit durch unsere Partner in der Bürgergesellschaft verlässlich fortzusetzen ist. Wir erwarten von der Staatsregierung, dass der Haushaltsentwurf strukturell ausgeglichen ist.“
Von Visionen keine Spur.
Logisch, dass Rico Gebhardt nur den Kopf schüttelt: „Die wieder beschworene ‚Investitionsquote‘ ist Ausdruck verengter Weltsicht, weil sie jeden Zentimeter Beton als Investition verbucht, aber Lehr- und Polizeikräfte als Konsum abwertet. Diese Sicht ist überholt. Es bringt auch nichts, ‚starke‘ Kommunen zu proklamieren, wenn man die Verantwortlichen vor Ort in einem Fördermittel-Regeldickicht fesselt. Sachsen braucht Regionalbudgets zur selbstverantwortlichen Verwendung!“
Aber die CDU-Fraktion hat mit dem Papier ja schon mal angekündigt, wann es zum Landtags-Showdown um ihre wie festgezurrten Vorstellungen von Haushaltspolitik geht: In den Diskussionen um den Landeshaushalt 2019/2020. Die beginnen 2018.
Aber auf der Klausur gab die Fraktion auch die Ergebnisse einer neuen Dimap-Umfrage bekannt. Die behandeln wir gleich an dieser Stelle.
Das Eckwerte-Papier der CDU-Fraktion.
Die neue LZ Nr. 48 ist da: Zwischen Weiterso, Mut zum Wolf und der Frage nach der Zukunft der Demokratie
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