Meuternde Linke? Ausbrechende Führungskämpfe um den Landesvorsitz? Man staunt ja immer wieder, wie etliche sächsische Medien Politik inszenieren und dramatisieren. Selbst dann, wenn es um das Selbstverständlichste in der Politik geht: simple demokratische Entscheidungsfindungen. Man wird das verflixte Gefühl nicht los, dass politische Diskussionen medial zum Tabu gemacht werden sollen. Streiten gilt dort als Niedergang einer Partei. Dabei haben wir schon viel zu viele Klappe-halten-Parteien.

Viel zu viele Wahlbürger haben sich an diese ermüdende Raute gewöhnt, die jedes brisante Thema abmoderiert, zur Ruhe bettet, als sei es schon gestorben. Nur ja nicht drüber reden.

Auch das ist ein Grund dafür, dass unsere mediale Diskussion sich immer wieder um dieselben Themen dreht, nämlich die völlig sinnleeren Klamaukthemen der Populisten. Wer über Armut, Bildungsmisere, ausgehungerte Kommunen, Rentenkatastrophe oder die gravierenden Folgen der Digitalisierung nicht reden will, sorgt für eine Atmosphäre, in der sich die Meinungsmacher der nationalistischen Front pudelwohl fühlen.

Scheinbar drängelt sich das komplette politische Spektrum irgendwo in der gefühligen Mitte, trappelt nur ein bisschen nach rechts und noch ein bisschen. Und alles scheint gut.

Aber nichts ist gut, nicht in Dresden und nicht in Berlin. Alle, wirklich alle drängenden Themen sind nicht gelöst.

Auch nicht auf Landesebene. Was auch am Umgang der sächsischen CDU mit Politik liegt. Wenn auch nur der Ansatz einer Diskussion aufscheint, hallt der Ruf durchs Sachsenland: Schulterschluss! Das dämlichste Wort, das man über Politik immer wieder hören kann. Aber auch ein Echo auf eine Art medialer Politik-Inszenierung, die jede inhaltliche Auseinandersetzung zum Machtkampf hochstilisiert. Und öffentlich Haltungsnoten verteilt: Wer streitet, wird zum unsicheren Kantonisten erklärt.

Dabei gehört Streit zur Demokratie. Wenn nicht öffentlich über Lösungswege und Probleme diskutiert wird, bekommt man genau diese Stimmung, die derzeit das ganze Land lähmt: so eine Sie-kennen-mich-Stimmung, in der alle so tun, als sei alles klar, aber keiner wagt es auch nur ein Wort darüber zu verlieren, dass die Bude brennt.

Und die Bude brennt. Gerade weil in Sachsen nun neun Jahre lang ein fatales „So geht sächsisch“ galt, mit lauter rechten Tönen untermalt und einem Sparkurs, der auf den Zustand des Landes keine Rücksicht nahm.

Und der auch in den großen Leitmedien nicht diskutiert wurde.

Und worum geht es bei den Linken? Erst einmal nur um die Wahl eines neuen Vorsitzenden. Nach acht Jahren gibt Rico Gebhardt turnusgemäß den Job ab. Als Nachfolgerin hat er die bisherige Landesgeschäftsführerin Antje Feiks vorgeschlagen. In anderen Parteien würde das einfach so durchgehen. Aber mittlerweile haben sich mehrere gewichtige Akteure der Linkspartei dafür ausgesprochen, dass es mit dem Landtagsabgeordneten André Schollbach einen streitbaren Gegenkandidaten gibt.

„Wir begrüßen und unterstützen die heutige Ankündigung von Genossen André Schollbach, auf dem bevorstehenden Landesparteitag als Landesvorsitzender zu kandidieren“, kommentieren das gleich mehrere namhafte Unterstützer aus der Partei. „André ist ein profilierter Landespolitiker, der im Parlament fraktionsübergreifend Respekt und Anerkennung genießt, über eine starke kommunale Verankerung in der Landeshauptstadt verfügt und dessen vielfältige politische Aktivitäten von den Medien seit Jahren breit wahrgenommenen werden. Für den notwendigen Aufbruch der sächsischen Linken ist er daher ein geeigneter Kandidat.“

Der Hinweis auf die Medien dürfte nicht ganz unwichtig sein: Wahlkämpfe funktionieren nicht ohne starke mediale Wahrnehmung der Kandidaten. André Schollbach hat in dieser Hinsicht immer wieder vorgearbeitet, wenn er sich mal mit dem Innenminister anlegte, mal mit der Staatskanzlei. Und jedes Mal störte er irgendein plüschiges Kaffeekränzchen und die nervtötende Botschaft vom sächsischen Alles-ist-gut.

Unterstützung findet Schollbachs Kandidatur unter anderem durch die Landtagsabgeordneten Klaus Bartl, Cornelia Falken, Marion Junge, Heiko Kosel, Lutz Richter und Susanne Schaper, dazu etliche Kreisvorsitzende von Leipzig (Adam Bednarsky) bis Görlitz (Heiderose Gläß).

Kandidaten und Gegenkandidaten sollten eigentlich zum Selbstverständlichen in jeder Partei gehören – samt guten Argumenten für ihre Problemsicht und ihre Lösungsvorschläge. Wer sich nicht durchsetzen muss, wird auch niemals stark sein in der politischen Arbeit. Es ist kein Samthändchen-Gewerbe. Das vergisst man oft. Aber es ist auch keines, in dem sich Regierungsparteien hinstellen und behaupten können, sie wären die Verkörperung aller Weisheit.

Wäre das so – man könnte sich Wahlen wirklich sparen und die Krone wieder erblich machen.

Aber das war 1990 die Lebenslüge der Sachsen: Dass sie auf das große Märchen vom wieder eingesetzten König hereingefallen sind und glaubten, man könne Politik einfach beim König abladen. Der werde das schon machen. Aber eine Politik, die nicht mehr gezwungen wird zur immer neuen Korrektur, die erzeugt eine wattige Atmosphäre, in der alle ein künstliches Lächeln aufsetzen. Und alle darauf lauern, dass einer sich bewegt. Und dann bewegt er sich endlich, und was tut er? Er reicht seinen Abschied ein und geht. So undiskutiert, wie er vor sich hinregiert hat.

Das geht einfach nicht. Politik muss endlich wieder öffentlich werden. Und inhaltlicher Streit sollte zwingend dazugehören.

In allen Parteien, nicht nur bei den Linken.

Die neue LZ Nr. 48 ist da: Zwischen Weiterso, Mut zum Wolf und der Frage nach der Zukunft der Demokratie

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