Es wird nun wohl doch nicht das befürchtete Gefälligkeitsinstitut, wie es sich einige sächsische Strippenzieher gewünscht haben, dieses „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“, für das das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) jetzt Interessenbekundungen bis spätestens zum 1. März 2018 einsammelt. Und zwar für zehn beteiligte Institutionen und einen ganzen Strauß von Forschungsfeldern.

Die Richtlinie zum Aufbau eines „Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ wurde am 8. November im Bundesanzeiger öffentlich bekannt gemacht. Und sie unterscheidet sich prägnant von dem, was noch im Januar im konservativen Politik-Establishment Sachsens diskutiert worden war.

Im Januar 2017 war bekannt geworden, dass die Koalition aus CDU, CSU und SPD im Bund für ein „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ in Sachsen 37 Millionen Euro in einer Nacht- und Nebelaktion Mitte November 2016 im Bundeshaushalt verankert haben, ohne ein wissenschaftsbasiertes Konzept zur Vergabe vorgelegt zu haben. Im Forschungsausschuss des Bundestages wurde über die Planungen nie fachlich diskutiert. Erst bei der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses wurden die Mitglieder mit einer Tischvorlage des CDU-geführten Bildungsministeriums zur Finanzierung dieses Bundesinstituts überrascht.

In der Sache engagiert war offenbar der damalige stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Michael Kretschmer, designierter Ministerpräsident und derzeitiger Generalsekretär der CDU Sachsen, kommentieren die Grünen diesen durchaus ungewöhnlichen Vorgang. Der Titel des geplanten Instituts ähnelte dem im Jahr 2016 in Dresden gegründeten Verein „Zentrum für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration“ zum Verwechseln. Dessen Vorsitzender Dr. Joachim Klose ist der Landesbeauftragte der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Sachsen. Zu den Gründungsmitgliedern gehört auch der Dresdner Politikwissenschaftler Prof. Werner Patzelt.

„Bereits bei Bekanntwerden dieses millionenschweren Forschungsvorhabens im Januar 2017 habe ich eine wissenschaftsbasierte Ausschreibung, ein unabhängiges Institut und Transparenz über die Vergabe der hohen Fördersumme gefordert. Ich begrüße daher die nunmehr vorgelegte Richtlinie des BMBF zur Ausschreibung der Forschungsförderung für ein dezentrales Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Mit dieser Ausschreibung ist die Gründung eines CDU-nahen Instituts in Dresden hoffentlich vom Tisch“, zeigt sich nun Dr. Claudia Maicher, wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, durchaus erleichtert.

„Gerade in Sachsen ist die gesellschaftliche Spaltung seit Jahren sichtbar. Strukturen und Wahrnehmungen gesellschaftlicher Zugehörigkeit werden auch aus der Mitte der Gesellschaft infrage gestellt. Wissenschaftliche Erkenntnisse über die Ursachen, Ausprägungen und den Zustand der Demokratie sind unerlässlich. Ich hoffe, dass die bestehende vielfältige Forschungslandschaft in Sachsen zur Konflikt-, Demokratie- und Extremismusforschung zum Zuge kommt und Teil des dezentralen Instituts wird. Die Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange sollte nun alles ihr mögliche tun, um die renommierten Forscher und Forscherinnen in Sachsen bei der Antragstellung zu unterstützen.“

Wer sich die gewünschten Themenfelder anschaut, findet jetzt eine ganze Palette von „Neue soziale Umbrüche“ über „Zugehörigkeiten und Identitäten“ bis zu „Ambivalenzen der Globalisierung“. Was schon verblüfft, schien doch die politische Elite darüber überhaupt nicht gewillt zu diskutieren und das Problem wahrzunehmen, dass – bei allen wirtschaftlichen Erfolgen – die gesellschaftlichen Grundlagen regelrecht zerfressen werden. Und nur mal so am Rand: Die Rechtspopulisten sind nicht die Verursacher dieser Entwicklung, sondern die Profiteure.

Oder mal in selten so gelesener Klarheit aus der Ausschreibung zitiert: „Es zeigt sich immer stärker, dass die Effekte der Globalisierung in den Industriestaaten in hohem Maße auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt beeinflussen. Die Globalisierung ‚produziert Gewinner und Verlierer‘ und hat Auswirkungen auf wirtschaftliche Wachstumspotenziale, Arbeitsmärkte und sozioökonomische Ungleichheiten sowohl innerhalb einer Gesellschaft als auch zwischen nationaler und internationaler Ebene. Eine Ambivalenz der Globalisierung liegt beispielsweise darin, dass sich zwischen den Ökonomien des Westens und denen anderer Weltregionen die Ungleichheit im Lebensstandard verringert hat, zugleich jedoch die gesellschaftliche Ungleichheit innerhalb vieler Länder zunimmt. Gerade im europäischen Zusammenhang werden Konflikte, empfundene Ungleichheiten und Zweifel an Zugehörigkeiten deutlicher.“

Mittlerweite ist die Forderung einer pluralen Forschung in der Ausschreibung unüberlesbar.

Claudia Maicher: „Die versuchte Einflussnahme des damaligen stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und designierten Ministerpräsidenten Michael Kretschmers hat dem wichtigen Forschungsanliegen geschadet. Er trägt Mitverantwortung dafür, dass dieses vom Bundestag beschlossene Projekt in Misskredit fiel.“

Jetzt kann man gespannt sein, ob sich zehn renommierte Institute finden, die jetzt mal gemeinsam versuchen herauszufinden, was unsere Gesellschaft zerstört.

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