Leipzig hat, wenn es um den Schutz seiner Naturschutzgebiete geht, dieselben Probleme wie das ganze Land. Das wurde am Freitag, 27. Oktober, wieder deutlich, als im Umweltausschuss des Landtages die Sachverständigenanhörung zum Gesetzentwurf zur Neuordnung der Schutzgebietsverwaltung stattfand, den Grüne und Linke vorgelegt hatten. Sachsens CDU glaubt felsenfest daran, dass eine Forstverwaltung für Naturschutzgebiete völlig ausreicht.

Massiv kritisierten die Grünen immer wieder die rein forstwirtschaftliche Ausrichtung des Staatsbetriebes Sachsenforst. Das Ergebnis ist Stagnation. Die Gebiete entwickeln sich nicht weiter. Vorhandene Beeinträchtigungen werden nicht erkannt und auch nicht abgestellt. Die Konzeption für eine zukunftsfähige Entwicklung der Biotope gibt es nicht. Alles Dinge, die normalerweise im zuständigen Fachamt betreut werden – das ist das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG).

Doch dem wurde die Verantwortung für die staatlichen Naturschutzgebiete entzogen und einer Abteilung übertragen, die Wälder vor allem als Wirtschaftsbasis behandelt: dem Staatsbetrieb Sachsenforst.

Eine Zuordnung, die der agrarpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Andreas Heinz, ganz nützlich findet: „Die heutige Sachverständigenanhörung im Umweltausschuss hat mehrheitlich bestätigt, dass die Betreuung der Großschutzgebiete des Freistaates Sachsen, wie zum Beispiel die Sächsische Schweiz, beim Staatsbetrieb Sachsenforst in sehr guten Händen ist.“

Agrarpolitischer Sprecher? Stimmt. Der Mann ist ausgebildeter Agrotechniker. Mit Naturschutz und der Sorge um Biodiversität hat er nicht wirklich viel am Hut.

Und dann schiebt er noch so einen echten CDU-Spruch hinterher, mit dem die Sache einfach mal auf die Ebene der Besten-Wandzeitung (wie in der DDR) gehoben wird: „Die Mitarbeiter des Staatsbetriebes Sachsenforst haben in den letzten Jahren eine hervorragende naturschutzfachliche Arbeit geleistet. Naturschutz und die Nutzung der Natur stehen in diesen Gebieten in einem gesunden Verhältnis zueinander. Eine Änderung der Zuständigkeit für diese Gebiete, wie dies die Linken und Grünen in ihrem Gesetzentwurf fordern, lehnt die CDU-Fraktion ab.“

Das klingt irgendwie nach einer Argumentation aus uralten Zeiten. Mit keinem Wort geht er darauf ein, dass es mit Sachsens Naturschutz gar nicht gut bestellt ist. Die Großschutzgebiete sind viel zu klein – die Verbünde der geschützten Naturräume müssten dringend erweitert werden. Doch dazu fehlt den Sachsenforsten völlig die Expertise. Das muss ein Fachamt gestalten.

„Die in Sachsen praktizierte Anbindung an eine unterstellte Behörde, die Forstwirtschaftsbetrieb ist, bleibt unbefriedigend. Fortschritte im Naturschutz sind mühsam und gehen aus unserer Sicht nicht im erforderlichen Umfang voran. Eine Aufgabenübertragung an eine Naturschutzbehörde, oder – noch besser – direkt an das Ministerium, wie in Mecklenburg-Vorpommern, bringt eine andere Akzentuierung in die Bewirtschaftung. Die bisherigen Beschäftigten sollten in die neue Behörde übernommen werden“, geht Wolfram Günther, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, auf das Grundproblem ein.

Denn genau das beschreibt die Abschiebung der Naturschutzgebiete in die Forst-Abteilung: Eine Herabstufung von Naturschutz. Weder Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) noch sein Vorgänger im Amt sahen sich in Verantwortung, den Naturschutz in Sachsen wirklich auf die Agenda zu setzen. Immer längere Listen vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten sind das Resultat.

Thomas Schmidt ist ebenfalls Agro-Techniker – also ein typischer Vertreter der industrialisierten Landwirtschaft. Das Verständnis von natürlichen Lebensräumen geht ihm völlig ab.

„Unser Vorschlag zur Änderung der Zuständigkeiten erzeugte heute eine emotionale Diskussion“, stellte Wolfram Günther nach der Sitzung fest. „Das verdeutlicht die Brisanz des Themas. Auch wenn CDU/SPD unseren Gesetzentwurf ablehnen werden, sollte spätestens im nächsten Koalitionsvertrag die Umstrukturierung vorangebracht werden. Schon jetzt wird durch unseren Vorstoß ein verstärktes Augenmerk auf das Tun von Sachsenforst in den Großschutzgebieten gelegt. Auch das ist ein Erfolg.“

Sachsenforst ist eine Wirtschaftseinheit, deren Aufgabe vor allem die Gesunderhaltung von Wirtschaftswäldern ist, nicht das Entwickeln naturschutzfachlicher Leitkonzepte, die tatsächlich wieder zu einer Stärkung der Ökosysteme führen. Das muss eine voll verantwortliche Fachbehörde machen, steuern und überwachen.

„Es ist die Aufgabe der Opposition, auf drohende Probleme hinzuweisen. Der Staatsbetrieb Sachsenforst ist ein Wirtschaftsbetrieb, kein Landschaftspflege- oder Naturschutzverein. In Deutschland gibt es verschiedene Modelle der Schutzgebietsverwaltung – dennoch ist der sächsische Ansatz, den Staatsbetrieb als Amt für Großschutzgebiete zu führen, speziell“, formuliert Kathrin Kagelmann, Sprecherin der Linksfraktion für ländliche Räume, ihre Kritik am Sachsenforst-Modell.

„Die Sachverständigen aus Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern stellten dar, dass die Verwaltung der Nationalparke dort vor Jahren ausschließlich auf die Naturschutzverwaltungen übertragen wurde. Die Betreuung der nationalen Naturlandschaften, also der Großschutzgebiete, ist eine herausgehobene Aufgabe. Reibungsverluste zwischen Forst und Naturschutz konnten so ausgeschlossen und Konflikte zugunsten des Naturschutzes entschieden werden.“

Und genau dasselbe Dilemma hat sich auch die Stadt Leipzig mit ihrem Schutzgebiet Leipziger Auenwald geschaffen. In diesem Fall ohne großartige „Reform“ auf oberster Ebene. Das hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten einfach eingeschliffen, dass sich das eigentlich verantwortliche Umweltdezernat völlig aus der Verantwortung gestohlen hat, die zuständigen Amtsleiter einfach so tun, als ginge es sie nichts an, ein tragfähiges Gesamtkonzept für Leipzigs Biodiversität zu entwickeln – und um den Rest soll sich dann die Abteilung Stadtforsten kümmern, die auch die L-IZ einlädt zum nächsten Wald-Lehrgang.

Womit versucht wird, die Berichterstattung wieder in die Ecke zu drängen, wo sie die Diskussion die ganze Zeit vor sich hinkocht. Motto: „Wir wissen doch, wie Waldumbau gemacht wird.“

Kann sein, ist aber völlig überflüssig, wenn die Leipziger Auenlandschaft nicht mittelfristig renaturiert und stabilisiert wird. Mittlerweile zeichnet sich immer stärker ab, wie weit das Problem reicht. Es hört auch an Leipzigs Stadtgrenze nicht auf. Stichwort: „Störstellenbeseitigung in der Pleiße“.

Nur verzagen Naturschutzverbände nach und nach, wenn sie bei solchen Eingriffen in die Landschaft regelmäßig von Behörden ausgebootet werden und sich nur Gehör verschaffen können, wenn sie vor Gericht ziehen. Dumm nur, dass ehrenamtlich arbeitende Vereine irgendwann kein Geld mehr haben, um tausende Euro Gerichtskosten zu berappen. Denn wie auch beim Fluglärm am Flughafen ist es auch beim Naturschutz in Leipzig: Verliert die Behörde vor Gericht, geht sie einfach in Revision. Oder wechselt in einen anderen Modus. Sind ja nur Steuergelder der Bürger, die da verbraten werden, indem man Naturschützer eben über Rechtsanwaltskosten an die Wand spielt.

Oder mal so formuliert, sehr geehrter Herr Jung: Leipzig hat keine Naturschutzpolitik. Nur ein Flickwerk, das hinten und vorne keine ganzheitliche Vision ergibt. Und meistens dann, wenn es ernst wird, in blanke Ratlosigkeit ausläuft.

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