Da hat einer was zu verbergen. Anders können die Innenexperten der Opposition im Sächsischen Landtag das nicht bewerten, was am Donnerstag, 26. Oktober, im Innenausschuss des Landtags zum vieldiskutierten Gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrum (GKDZ) zu erfahren war. Immer noch völlig ungeklärt ist die Rechtslage beim Datenschutz.

Am Donnerstag, 26. Oktober, hörte der Innenausschuss des Sächsischen Landtags die geladenen Sachverständigen zum „Gesetz zum Staatsvertrag über die Errichtung eines Gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrums der Polizeien der Länder Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf dem Gebiet der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung als rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts“ an.

„Die Sachverständigen haben meine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit und der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung dieses Überwachungszentrums in Leipzig bestätigt“, stellte Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, nach der Sitzung fest. „Insbesondere die Aufgaben, die das Überwachungszentrum übernehmen soll, sind im Staatsvertrag viel zu unbestimmt geregelt. So geht der pauschale Verweis auf eine unbegrenzte Anzahl von Befugnissen in der StPO viel zu weit. Offenbar sollen dem Überwachungszentrum damit alle Türen für die von Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) geplante Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung weit offen stehen.“

Aber wenn die Aufgaben nicht klar geregelt und begrenzt sind, bekommt man logischerweise eine Anstalt, über deren Innenleben die gewählten Abgeordneten nichts erfahren. Und auch künftig nichts wissen sollen, denn entsprechende Anfragen zum Thema hat sich Markus Ulbig allesamt verbeten. Der Minister meint, dass allein der Datenschutzbeauftragte gewisse Kontrollfunktionen haben kann. Und dann auch nur zum jeweiligen Teil, den das eigene Bundesland verantwortet. Wie das gehen soll, hat Ulbig freilich auch noch nicht erklärt.

„Erschreckend ist zudem die Erkenntnis, dass die Datenschutzbeauftragten der Länder dieses Projekt noch gar nicht umfassend bewerten konnten“, sagt Lippmann. „Der Thüringer Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Dr. Lutz Hasse, machte deutlich, dass die Feinplanung des Überwachungszentrums noch nicht begonnen wurde, so dass eine datenschutzrechtliche Beurteilung derzeit nicht möglich sei.“

Was ja wohl heißt: Die Kritik der Opposition war vollauf berechtigt. Es ist nicht mal klar, welche Kompetenzen und Spielräume das in Leipzig geplante Zentrum bekommen soll. Den Abgeordneten wird also die Zustimmung zu einem Projekt abgefordert, über dessen Konturen noch gar nichts klar ist, von den fehlenden Kontrollmöglichkeiten ganz zu schweigen. Und bei den gesetzlichen Grundlagen scheint es ein riesiges Loch zu geben.

Was dann den innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion, Enrico Stange, ins Grübeln bringt: „Die Sachverständigenanhörung hat die rechtlichen und inhaltlichen Defizite des vorliegenden Staatsvertrags zum polizeilichen Abhörzentrum aufgezeigt. Die Staatsregierung will es dem Parlament jedoch auch weiterhin nicht ermöglichen, den Staatsvertrag sachgerecht zu bewerten. Vielmehr werden wichtige Dokumente wie ein Rechtsgutachten und die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zum Abhörzentrum als Verschlusssache behandelt und somit vor der Öffentlichkeit geheim gehalten. Auch die Feinplanung, bei der datenschutzrechtliche Belange inhaltlich und technisch-organisatorisch zu berücksichtigen sind, liegt so im Dunkeln. Das stärkt unsere Bedenken gegen das Vorhaben. Nach der heutigen Anhörung ist nicht auszuschließen, dass das Zentrum über die rein technische Datenverarbeitung bei der Telefonüberwachung hinaus auch weitere tiefe Grundrechtseingriffe ermöglicht. Wenn sie das Parlament als Gesetzgeber ernst nimmt, sollte die Staatsregierung die fehlenden Unterlagen endlich veröffentlichen.“

Aber so, wie Markus Ulbig, die treibende Kraft hinter dem Überwachungszentrum, sich verhält, wird Sachsens Regierung nichts dergleichen tun. Big Brother lässt grüßen. Hier wollen ein par Leute Überwachungsmöglichkeiten, bei denen ihnen kein gewähltes Parlament über die Schulter schauen kann.

Valentin Lippmann: „Einem Staatsvertrag, der ein länderübergreifendes Überwachungszentrum begründet, dessen Kompetenzen und technische Umsetzung datenschutzrechtlich nicht auf Herz und Nieren geprüft wurde, können wir Grünen nicht zustimmen.“

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